Boat People. Sharon Bala
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Название: Boat People

Автор: Sharon Bala

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

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isbn: 9783963114441

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СКАЧАТЬ Nationen, und an die wollte er jetzt nicht denken.

      Mahindan hatte sich Kanada immer als ein Land der Weißen vorgestellt, aber jetzt bekam er auch dunkle Augen zu sehen, Chinesen und Japaner und Schwarze und andere, die vielleicht aus Indien oder Bangladesch stammten. Es war ein Ort für alle.

      Ranga machte sich an ihn heran. Endlich sind wir in Sicherheit, sagte er und kratzte gedankenlos an einer langen Narbe, die ihm quer über eine Wange lief.

      Mahindan sah ihn finster an und wich ihm aus. Jedes Mal, wenn er und Sellian sich auf dem Schiff umdrehten, stand er da mit seinem gelähmten Bein. Direkt hinter ihnen, wenn sie bei der Essensausgabe standen und ihre Ration holten; direkt neben ihnen, wenn er zur Nacht seine Schlafmatte ausrollte.

      Ein Polizist bellte irgendetwas in sein Funkgerät. Ein Rot-Kreuz-Helfer redete nachdrücklich mit den Händen. Mahindan hörte unvertraute Laute, harte, gutturale Konsonanten, die flach, einer nach dem andern, aufklatschten. Irgendwann würde das auch seine Sprache sein. Englisch. Eine neue Sprache für ein neues ­Zuhause.

      Sein Großvater hatte Englisch gesprochen. Er war zum Studium nach London gegangen und hatte als Beamter in Colombo gearbeitet, bis Singhalesisch zur alleinigen Amtssprache erklärt wurde und damit seine Beamtenlaufbahn endete. Es war der alte Koffer seines Großvaters, den sie ihm jetzt weggenommen hatten.

      Beamte und Freiwillige in Gummistiefeln und Uniformen verständigten sich laut rufend mit angegriffenen Stimmen und überanstrengten Gesten. Möwen kreisten kreischend über ihren Köpfen. Dieser Wirrwarr erinnerte Mahindan an ihre Gefangennahme in Sri Lanka. Das war am Ende des Krieges, als die sri-lankische Armee die Tamilen zusammengetrieben hatte. Es gab allerdings einen Unterschied: Hier hatten sie nichts zu befürchten, und selbst Sellian sah sich die fremde Landschaft und die Reihen von Bussen eher neugierig als verängstigt an.

      Mahindan glaubte, dass sie bald einsteigen würden. Er stand bei den Männern und versuchte vergeblich, von Ranga wegzukommen. Die Schlangen wurden immer länger. Mahindan nickte einer Familie zu, die er aus dem Gefangenenlager kannte. Diese Leute aber bemerkten ihn nicht, oder sie vermieden den Augenkontakt absichtlich. Als sie in Sri Lanka an Bord gingen, hatte es ihn überrascht, so wenige seiner Kunden auf dem Schiff anzutreffen. All die endlosen Tage auf dem Meer, und sie hatten kein einziges anderes Schiff gesehen. Vielleicht war es das Beste für ihn, dass sie nicht hier waren; es war gut, sich von allem zu lösen. Trotzdem fragte er sich: Sind sie an Land zurückgelassen worden? Ist ihr Schiff gekentert? Sind sie im Meer ertrunken? Er merkte, wie seine Zähne anfingen zu klappern. Um sich wieder zu fangen, fokussierte er seine Gedanken auf Sellian. Wir sind in Sicherheit.

      Seit einigen Stunden schon waren sie an Land, aber immer noch schwankte in seinen Beinen das Meer. Bei dem Gedanken an die ersten schlimmen Tage auf dem Schiff, an die sturmgepeitschten Wellen, an die penetrante Übelkeit tagein, tagaus, schwor er sich: Nie wieder.

      Er hätte sich gern hingehockt, um die schmerzenden Fußsohlen zu entlasten, aber die Fesseln machten es unmöglich. Alle schwiegen, selbst die Kinder schafften es, dank Essen und Trinken, sich still zu verhalten. Hoffnung lag in der Luft.

      Sellian reichte ihm ein Saftpäckchen. Möchtest du, Appa?

      Nein, Baba, sagte Mahindan. Trink du es aus.

      Lila Saft schoss durch den Strohhalm. Sellian sog in kurzen, hastigen Zügen, seine Augen schossen nach links und rechts. Mahindan betrachtete ihn liebevoll und erleichtert. Er schlurfte seitwärts nach rechts, legte seine gefesselten Hände auf die Schulter seines Sohnes, beugte sich zu ihm und küsste ihn auf den Kopf. Sellian schmiegte sich an den Vater. Der konnte vor Erregung und Freude kaum die Tränen zurückhalten. Sie hatten alle und alles verloren, aber Sellian lebte, er war unverletzt, und jetzt waren sie hier. Sellian war hier.

      Am ersten Bus wurden die Türen geöffnet. Ein Ordnungsbeamter winkte die Frauen heran, und sie tappten mühsam mit gefesselten Füßen und Händen nach vorn. Die Kinder hielten sich an den Blusen und Hosen ihrer Mütter fest. Die Männer sahen schneidig aus, richteten in Bereitschaft ihre Reihe präzise aus, konnten den nächsten Schritt in die Freiheit kaum erwarten.

      Der Aufseher überblickte die Menschenmasse, und als er Sellian sah, winkte er ihm.

      Appa, was sagt der?

      Ich weiß nicht, Baba.

      Der Aufseher gab beiden ein Zeichen: halt für Mahindan, komm her für Sellian. Mahindan konnte den Gesichtsausdruck des Mannes nicht deuten. Immer wieder sagte er dasselbe kurze Wort, dann kam er ungeduldig auf sie zu und schnappte Sellian am Oberarm.

      Appa!

      Nein! Das ist mein Sohn! Die Kette zwischen seinen Füßen rasselte, Mahindan verlor das Gleichgewicht und fiel nach vorn. Die Männer vor und hinter ihm brüllten auf, und Ranga versuchte, ihn mit gefesselten Händen aufzufangen. Als Mahindan wieder auf den Beinen war, sah er, wie der Aufseher Sellian über die Schulter geworfen hatte und wegschleppte. Einige Frauen, die noch nicht im Bus waren, wandten sich um und schrien ihn auf Tamil an, er solle den Jungen loslassen. Sellian wehrte sich aus Leibeskräften und trommelte mit den Fäusten auf den Rücken des Mannes. Das Saftpäckchen fiel zu Boden und die Flüssigkeit bildete eine lilafarbene Lache auf dem Asphalt.

      Eine laute Stimme durchschnitt den Aufruhr. Mahindan sah, wie die Krankenschwester, die seinen Blutdruck gemessen hatte, auf den Entführer zueilte. Sie sprach Englisch mit der Stimme einer Tamil-Mutter, die rügt und keinen Widerspruch duldet. Ihr Kinn schoss nach vorn, der Zeigefinger stieß zu. Der Mann fuhr mit der flachen Hand über den Hinterkopf und setzte Sellian schließlich wieder ab.

      Sellian rannte zu seinem Vater zurück, und Mahindan hockte sich im Klammergriff seiner Fesseln mühsam zu ihm hinunter. Heftig keuchend und mit aufgerissenen, verweinten Augen klammerte Sellian sich mit beiden Händen an seinen Arm, presste das Gesicht an den Vater. Mahindan spürte Sellians festen Griff, wie leicht er aufgebrochen werden konnte.

      Wo werden wir hingebracht?, fragte er die Krankenschwester auf Tamil.

      Er wusste, dass ein großes, weites Land vor ihnen lag, aber wenn er versuchte sich vorzustellen, wie das aussehen mochte, kamen ihm nur vage Erinnerungen an Geschichten, die der Großvater über England erzählt hatte. Schafe und hohe Gebäude, Polizisten, die anstelle von Gewehren Schlagstöcke trugen.

      Die Krankenschwester trug keine Schutzmaske. Auf Mahindans Frage wichen ihre Augen seitlich aus und die Mundwinkel gingen nach unten. Aber als sie antwortete, sprach sie laut, so dass alle Männer in der Schlange es hören konnten: Normalerweise gibt es in der Nähe ein paar Unterkunftsräume. Aber wenn so viele auf einmal kommen … gibt es nur einen Ort mit genügend Betten.

      Mahindan fühlte sich zum Narren gehalten. Freien Menschen legt man keine Handschellen und Fußfesseln an.

      Die Schwester wandte sich mit weicherer Stimme wieder an Mahindan. Wo die Frauen hinkommen, gibt es Einrichtungen für Kinder.

      Chithra war bei der Geburt ihres Kindes gestorben. Sellian kannte nur Mahindan, der von Anfang an Vater und Mutter für ihn gewesen war. Kein Tag war vergangen, an dem Mahindan nicht für seinen Sohn gesorgt hatte. Bei dem Gedanken, ihn weggehen zu lassen, ihn allein in einen Bus einsteigen und zu einem unbekannten Ort fahren zu lassen, drehte sich ihm das Herz um.

      Sellian fing an zu weinen. Appa! Lass mich nicht allein! Lass mich nicht allein!

      Das schnürte Mahindan die Kehle zu. Hatte er eine Wahl? Er musste stark sein, um seines Sohnes willen.

      Alles ist gut, Baba, sagte er. Willst du nicht СКАЧАТЬ