Cogito, ergo dumm. Sebastian 23
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Cogito, ergo dumm - Sebastian 23 страница 14

Название: Cogito, ergo dumm

Автор: Sebastian 23

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия:

isbn: 9783710951084

isbn:

СКАЧАТЬ die Ponys der Berge.

      Jemand, der sich mit Tierarten noch etwas besser auskannte als Melville und ich, war Jean-Baptiste Pierre Antoine de Monet, Chevalier de Lamarck. Er lebte von 1744 bis 1829 und verbrachte geschätzte 50 Prozent seiner Lebenszeit damit, sich mit seinem Namen vorzustellen. Die restliche Zeit nutzte er noch besser, denn er verfasste enorm wichtige Beiträge zur Zoologie und Biologie. So war er beispielsweise der Erste, der eine ausformulierte Evolutionstheorie vorlegte. Was spielt es da groß für eine Rolle, dass diese auf mittlerweile verworfenen Annahmen beruhte?

      Lamarck ging davon aus, dass die Evolution auf der Vererbung von erworbenen Fähigkeiten beruht. Überspitzt formuliert: Wenn eine Giraffe sich besonders lang streckt und ihr Hals dadurch über die Jahre länger wird, dann kriegt sie auch Kinder mit längerem Hals. Bevor Sie jetzt anfangen, an Ihrem Hals zu zuppeln oder andere Körperteile zurechtzuformen, die Sie bei Ihren Nachkommen verbessert sehen wollen: Ganz so einfach funktioniert das leider nicht. Charles Darwin, der alte Spielverderber, hat herausgefunden, dass der Prozess über Variation und natürliche Selektion funktioniert. Dann ist er auch noch hingegangen und hat zwanzig Jahre lang Beweise für diese Theorie zusammengetragen. Ein bisschen unfair war das schon, denn Lamarck konnte sich nicht mehr verteidigen, er war längst tot. Und als wollten sie seinen Theorien aus einem Ödipus-Komplex heraus trotzen, ist keins seiner acht Kinder ein berühmter Biologe oder eine wichtige Zoologin geworden. Aber sein ältester Sohn war immerhin keine Giraffe.

      Was in einem Buch über Dummheit nicht fehlen darf, ist eine wirklich dumme Überleitung. Wo wir gerade von Giraffen sprachen: An welches technische Gerät erinnern Sie Hals und Kopf einer Giraffe? Richtig, natürlich an den Tonabnehmer eines Grammophons. Und damit hätten wir auch den unvermeidlichen Tagesordnungspunkt »Dumme Überleitung« abgearbeitet. Das auditive Wunderwerk namens Grammophon erfand übrigens Thomas Alpha Edison im Jahr 1877, allerdings mit einem überraschenden Hintergedanken. Seine Idee für die Nutzung des Geräts war nämlich zunächst, damit Nachrichten aufzuzeichnen und zu verschicken, damit sie jemand anderswo anhören könnte. Dazu brauchte der oder die Absender*in vermutlich nur ein Tonstudio und ein Presswerk für Vinylscheiben, und schon hatte man eine riesige runde Scheibe, die in keinen Briefumschlag passte. Daher musste man sie persönlich beim Empfänger vorbeibringen, wo das olle Ding dann auch nicht durch den Briefschlitz passte, und dann musste man klingeln.

      Und spätestens, wenn man dann voreinander stand und sich schweigend die schwarze Scheibe überreichte, dämmerte es einem vielleicht: Hier läuft ironischerweise etwas nicht rund.

      Erst Jahre später kristallisierte sich heraus, dass die Nutzung dieser Technologie zur Aufzeichnung und zum Abspielen von Musik weitaus mehr Interesse hervorrief. Aus heutiger Sicht wirkt das noch ein wenig lustiger, wenn man bedenkt, dass Edison im Prinzip die Sprachnachricht vorweggenommen hatte, die aktuell dabei ist, in weiten Teilen das klassische Telefonieren abzulösen. Heute spart man sich allerdings die Auslieferung der schwarzen Scheiben, man sitzt sich halt gegenüber und schickt sich gegenseitig Sprachnachrichten aufs Smartphone.

      Ebenso »aus Versehen« erfunden wurde im 19. Jahrhundert hitzebeständiges Gummi. Der Chemiker Charles Goodyear hatte seinerzeit nämlich eigentlich mit seiner Frau abgemacht, dass er nicht mehr experimentieren, sondern sich einen Job suchen würde. Als sie eines Tages zu früh nach Hause kam, geriet er in Panik und wollte seine Experimente versteckten. Er sah sich um, fand keine Möglichkeit und war wohl schon kurz davor, sich seinem Schicksal zu ergeben, als sein Blick auf den Ofen fiel. Das wird schon passen, dachte er und versteckte seine Experimente darin. Was er dabei nicht bemerkt hatte, war jedoch, dass der Ofen noch warm war, und so entdeckte er unabsichtlich hitzebeständiges Gummi.

      Ähnlich erging es Christian Schönbein, der ohne Absicht rauchloses Schwarzpulver erfand. Ihm waren seine Chemikalien vom Tisch gefallen, also wischte er sie mit der Schürze seiner Frau schnell weg und hängte diese dann zum Trocknen vor den Ofen. Dort explodierte die Schürze, und Herr Schönbein wird sich erst erschreckt, dann aber doch gefreut haben. Bei anderer Gelegenheit erfand jemand beim klassischen alchemistischen Versuch, aus Blei Gold zu erzeugen, mehr oder weniger aus Versehen das Porzellan. Ob er es vor Schreck fallen ließ, ist nicht überliefert.

      Trotz aller Pläne, die sich der Mensch so macht, findet unsere Kreativität scheinbar oft einen Weg, der zunächst wie eine Störung wirken mag. Aber genau dieser Fehler, dieses Stolpern, bringt unabsichtlich Tolles hervor. Dieses Phänomen ist so bekannt, dass es sogar einen eigenen Namen hat, es heißt Serendipität. Benannt ist es nach den drei Prinzen von Serendip. Sie haben noch nie von Serendip gehört? Es ist der alte persische Name der Insel Sri Lanka. Die drei besagten Prinzen sind losgezogen, um einen Drachen zu erlegen. Was Prinzen eben so machen. Es scheint ein weltweit prinzentypisches Verhalten gewesen zu sein. Heutzutage werden sie höchstens mal vor ein paar blitzlichtspeiende Paparazzi geschubst. Die drei Prinzen von Serendip jedoch kamen ohne erlegten Drachen von ihrer Mission zurück, brachten aber stattdessen drei bildhübsche Prinzessinnen mit. Eine Win-win-Situation, insbesondere auch für den Drachen. Und so nennt man ungeplante positive Ergebnisse bis heute Serendipität. Ich bin ganz froh, dass diese Prinzen aus Serendip kamen und nicht aus Deutschland. Sonst hieße dieses schöne Phänomen jetzt womöglich Deutschlandität.

      Apropos Deutschland, der niederländische Serendipitiologe Pek van Andel behauptet, über tausend Fälle solcher ungeplanten Errungenschaften, die sich im Nachhinein als Glücksgriff erwiesen, gesammelt zu haben. Seine Forschungen werden von der Fachwelt leider nicht ganz so ernst genommen. Vielleicht, weil man van Andel ansonsten hauptsächlich daher kennt, dass er als erster ein MRT von Menschen während des Geschlechtsverkehrs angefertigt hat. Aber mal im Ernst: Der experimentelle Charakter der Wissenschaft fordert dazu heraus, auch und insbesondere Ergebnisse zu finden, die den Hypothesen widersprechen. Auf diesem Weg erweitert sich unser Wissen umso mehr, denn wir wissen ja schon aus dem dritten Kapitel dieses Buches: In jeder Diskussion gewinnt nur der Unterlegene, denn er ist der Einzige, der etwas dazulernen kann.

      Der britische Psychologe Richard Wiseman geht davon aus, dass es unsere Einstellung und Denkweise ist, die uns dabei hilft, solche Glücksgriffe zu landen: »Durch ihre Art zu denken und zu handeln steigern manche Menschen die Chance, außerordentliche Gelegenheiten in ihrem Leben zu schaffen, zu erkennen und zu ergreifen.« Ich würde noch ein bisschen weitergehen und sagen: Man muss die Fähigkeit haben, sich richtig dumm anzustellen, um außerordentliche Gelegenheiten zu schaffen und zu ergreifen. Da haben wir alle zum Glück ziemlich gute Karten.

      Doch aus Versehen oder durch Ahnungslosigkeit entsteht natürlich nicht nur Serendipität, sondern gerne auch mal eine spektakuläre Fehleinschätzung. Wer uns in diesem Punkt als leuchtendes Beispiel voranging, war Dr. Dionysius Lardner. »Eisenbahnreisen mit hoher Geschwindigkeit ist unmöglich, denn die Passagiere wären unfähig zu atmen und würden allesamt ersticken«, schrieb er zum Beispiel im Jahr 1845. Während ich dieses Zitat abtippe, befinde ich mich tatsächlich gerade im ICE zwischen Wolfsburg und Berlin. Vor den Fenstern huscht die Magdeburger Börde mit atemberaubender Geschwindigkeit vorbei. Und dennoch: Ich atme. Wunder werden Wirklichkeit.

      Dionysius Lardner war ein erstaunlicher Mann, der sich in seinem Leben mehrfach spektakulär täuschte und dabei wieder und wieder von ein und demselben Mann öffentlich zurechtgewiesen wurde: Isambard Kingdom Brunel. Der Mann hatte nicht nur den einzigen cooleren Namen als Dionysius Lardner, sondern gilt bis heute als einer der besten Ingenieure aller Zeiten. Er baute zum Beispiel das größte Schiff seiner Zeit, das zugleich das erste ozeantaugliche Eisenschiff war, und er baute den ersten Tunnel unter einem navigierbaren Fließgewässer. Man kann also sagen, Isambard Kingdom Brunel hatte es drauf.

      Lardner hingegen dachte, es sei unmöglich, lange Eisenbahntunnel zu bauen, weil darin die Züge unkontrolliert beschleunigen würden. Und motorisierte Schiffsreisen über 2000 Seemeilen seien ausgeschlossen, weil ein Schiff nicht genug Treib stoff mit sich führen könnte. Oder eben, dass Eisenbahnreisen über einer bestimmten Geschwindigkeit tödlich wären. Brunel widerlegte Lardners Thesen eine nach der anderen. Es ist daher davon auszugehen, dass Lardner kein führendes Mitglied СКАЧАТЬ