Cogito, ergo dumm. Sebastian 23
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Название: Cogito, ergo dumm

Автор: Sebastian 23

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783710951084

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СКАЧАТЬ Werte aus einem ganzen Wertebereich. Eine Vorhersage scheint ausgeschlossen, was eines der größten ungelösten Probleme der Physik darstellt. Wobei Schrödinger betont, die Sache mit der Katze sei »verwaschen« und daher könnten wir sie in naiver Weise nicht gelten lassen. Im Atombereich ist ihm die Unbestimmtheit nichts Widerspruchsvolles: »Es ist ein Unterschied zwischen einer verwackelten oder unscharf eingestellten Fotografie und einer Aufnahme von Wolken und Nebelschwaden.« Schrödinger erhielt in der Folge – nicht nur deswegen – einen Nobelpreis für Physik und hoffentlich ein Hausverbot im Tierheim.

      Ich weiß ja nicht, ob Ihr Gehirn das verstehen möchte, meins klinkt sich da regelmäßig aus und spielt bei näherer Nachfrage aus Trotz nur noch die Titelmelodie der Serie Alf. Ich schreibe hier so beiläufig über die Rätselhaftigkeit der Quantentheorie, als ginge es darum, einen hängen gebliebenen Computer aus- und wieder anzuschalten – und wenn er wieder funktioniert, braucht man nicht zu verstehen, was da vor sich ging. Aber das Fragezeichen, auf das Max Planck da stieß, hat bis heute neben zahlreichen Antworten auch immer neue Fragezeichen aufgeworfen. Teilweise, so scheint es, sind diese Fragezeichen gekommen, um zu bleiben. Die Situation prä-Planck beschreibt (der ansonsten sehr unsympathische) John Searle als Aufklärungsoptimismus, den er so erklärt: »Von den wissenschaftlichen Revolutionen des siebzehnten Jahrhunderts bis in die ersten Jahrzehnte des zwanzigsten war es einem gebildeten Menschen möglich zu glauben, er könne zu Kenntnis und Verständnis darüber gelangen, wie das Universum im Wesentlichen funktioniert.« Ab den Anfängen des 20. Jahrhunderts ging das eben nicht mehr.

      Aber ich bin diesbezüglich nicht weiter verunsichert. Zwar ist Alf eine wirklich alberne Serie, aber ich mag sie, zumal Alf klare Verhältnisse hätte schaffen können, weil er Schrödingers Katze einfach gegessen hätte. Mein Unverständnis für die Welt der Quanten ist nicht überraschend, wenn man Nobelpreisträger und Quantenphysiker Richard Feynman glauben darf, der einst sagte: »Ich glaube, mit Sicherheit sagen zu können, dass niemand die Quantenmechanik versteht.« Das mag erstaunlich klingen, denn wenn es jemand wie Feynman nicht versteht, dann wohl auch niemand anderes. Sind wir alle dumm? Aber nein, haben Sie keine Sorge: »Quantenphysik ist ein extrem erfolgreicher Beweis für die Leistungsfähigkeit unseres Denkens – und dafür, dass wir unseren Alltag mit diesem Denken so gut wie nicht verstehen«, sagt dazu der Philosophieprofessor Gert Scobel. Wir sind also nicht dumm, sondern bloß so klug, dass wir es selbst nicht verstehen können. Beruhigend, oder?

      Ich gebe zu, dass ich das an der Stelle der Fortschrittskritiker Charles Duell und Philipp von Jolly auch nicht hätte kommen sehen. Rückblickend lässt sich natürlich immer klug daherreden. Der sprichwörtliche Captain Hindsight hat es leicht und lacht gerne mal über die Narreteien der Vergangenheit. Denken wir nur daran, wie Bill Gates einst sagte: »Das Internet setzt sich nicht durch.« Und, kaum weniger lustig: »512 Kilobyte reichen für alle Daten eines Menschen«. 512 Kilobyte reichen nicht mal für die MP3 eines Scooter-Songs. Das ist also vielleicht ein bisschen zu klein, dieses Daten-Quantum. Zum Glück weiß man nicht so genau, wo es ist. Und wie schnell.

      Eine schöne Folge hatte übrigens die Quantentheorie für Niels Bohr. Er erhielt 1922 den Nobelpreis für seine Forschungen zur Struktur von Atomen, in die er als erster Erkenntnisse aus der Quantenmechanik einbringen konnte. Heute wird das Bohrsche Atommodell von 1913 nach wie vor an Schulen unterrichtet, wenn auch nur der Einfachheit halber. Was nun aber geschah mit Niels Bohr nach seinem Gewinn? Nun, er wurde in seiner Heimat Dänemark noch mehr verehrt als zuvor, und als Zeichen der Anerkennung legte die Carlsberg-Brauerei kostenlos eine Leitung direkt in sein Haus. Ja, richtig. Für seinen Nobelpreis erhielt Bohr lebenslänglich Freibier.

      Auf mich wirkt das ja fast so, als wollte man einen allzu intelligenten Forscher wie Niels Bohr ein bisschen rückverdummen. Andererseits gibt es ja durchaus die Theorie, dass ein kleiner Schwips die Kreativität anregt. George Orwell ging noch weiter und formulierte einmal, ein Vollrausch sei wie ein Kurzurlaub. Die Theorie, dass Bohr aufgrund des Freibiers geistig flexibler und kreativer blieb als seine Kollegen Einstein und Planck, halte ich jedoch für ein bisschen weit hergeholt. Obwohl, oder gerade weil sie bei mir einen mittelmilden Bierdurst auslöst.

      Aber nicht nur die Leute, die gegen Technik sind, stellen sich manchmal erstaunlich dumm an. Oft genug verhält es sich genau umgekehrt, und es ist der blinde oder zumindest kurzsichtige Glaube an die Technik, der die Menschen dumme Entscheidungen treffen lässt. So kam man wohl auf die Idee, Zeppeline mit Wasserstoff zu befüllen oder die Titanic für unsinkbar zu halten. Wobei manchen Leuten offenbar auch im Rückblick noch nicht klar war, was genau mit der Titanic passiert ist. Und ich meine jetzt nicht die Leute, die sich bis heute im Internet darüber streiten, ob im gleichnamigen Kinofilm die Tür nicht doch groß genug gewesen wäre für Leonardo DiCaprio und Kate Winslet.

      Ich meine den realen Untergang und einen gewissen William Smith, der damals nicht der Prince von Bel Air war, sondern als Senator den Regierungsausschuss zur Untersuchung der Titanic-Katastrophe leitete. Er sorgte damals in der Presse für einiges Aufsehen, als er öffentlich die Frage stellte: »Warum retteten sich die Passagiere nicht in den wasserdichten Teil des Schiffes, um zu überleben?« Das erinnert mich ein bisschen an mich selbst in der Schulzeit, wenn ich mal wieder die Lektüre nicht gelesen hatte und versuchte, meine komplette Ahnungslosigkeit durch kreative Fragen zu überspielen. Allerdings mit dem Unterschied, dass ich auch als pubertärer Faulpelz schon wusste, wie ein Schiff funktioniert.

      William Smith blieb lange das spektakulärste Beispiel dafür, wie man Regierungsausschüsse leiten kann, ohne die Spur einer Ahnung zu haben. Mindestens bis im April 2018 ein ebensolcher Ausschuss den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg befragte und es sich in weiten Teilen so anhörte, als würde Zuckerberg den Mitgliedern des Ausschusses erst mal das Internet erklären müssen. Die einzige Frage, die dabei nicht gestellt wurde: »Warum retteten sich die Facebook-Nutzer, deren Daten von Cambridge Analytica abgeschöpft wurden, denn nicht in den wasserdichten Teil des Internets?«

      Ob es auch zu dem folgenden Vorgang einen Regierungsausschuss gab, ist mir nicht bekannt, aber wasserdicht war der Plan dahinter sicher nicht. Im Jahr 1962 kam die NASA-Sonde Marine 1 vom Kurs ab und wurde zerstört. Der Grund war, dass jemand bei der Berechnung der Flugbahn einen Bindestrich falsch gesetzt hatte. Der Kostenpunkt für diesen kleinen Flüchtigkeitsfehler: 18,5 Millionen Dollar. Diese Anekdote habe ich übrigens nur deswegen im Buch, weil ich mir sicher bin, dass sie meiner Lektorin gefallen wird.

      Spaß beiseite, vierzig Jahre später, um die Jahrtausendwende, sagte sich die NASA: Wir haben schon lange nicht mehr durch einen falsch gesetzten Bindestrich zig Millionen Dollar in den Sand gesetzt. Jemand wandte ein, dass es vielleicht nicht besonders clever wäre, diesen Fehler einfach zu wiederholen. Das sahen die Offiziellen ein und gingen darum diesmal subtiler vor, wenn auch nicht weniger dumm. So beauftragte die NASA, um Geld zu sparen, ein Privatunternehmen mit der Herstellung einer Raumsonde, die zum Mars fliegen sollte. Im Gegensatz zur NASA nutzte man beim Subunternehmer allerdings nicht das metrische System. Und bei der Übertragung der Daten wurde der Fehler nicht bemerkt. Die Sonde stürzte also nach Hunderten von Millionen Kilometern ungebremst auf die Marsoberfläche. Mit ihr knallten über hundert Millionen Dollar und jahrelange Entwicklungsarbeit in den roten Staub. Immerhin war diesmal nicht nur ein Bindestrich schuld.

      Doch warum zu den Sternen schweifen, wenn das Dumme liegt so nah? Auch beim Versuch, die Welt zu retten, kann man sich dumm anstellen. So fand 1990 am Earth Day im New Yorker Central Park eine Großveranstaltung von Umweltaktivist*innen statt. Dort erschienen erfreulicherweise Hunderttausende von Menschen, um ihre Unterstützung für den Umweltschutz auszudrücken. Nicht ganz so erfreulich ist, dass sie den Park regelrecht mit Müll fluteten: Insgesamt 1543 Tonnen Müll mussten nachher aus dem Park entsorgt werden.

      Der Zweck, etwas Gutes für die Umwelt zu machen, sollte nicht mit dem Mittel der Umweltzerstörung verfolgt werden. Klingt banal, ist aber scheinbar schwieriger zu befolgen, als man denkt. Den Fehler machte man zum Beispiel auch ein paar Jahre später im Vorfeld des Besuches des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton im Braulio Carrillo Nationalpark in Costa Rica. Clinton СКАЧАТЬ