Cogito, ergo dumm. Sebastian 23
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Название: Cogito, ergo dumm

Автор: Sebastian 23

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783710951084

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СКАЧАТЬ scheiterte ebenfalls. Damals war der ICE noch nicht erfunden. Andererseits ist Dionysius Lardner natürlich nicht der Einzige, der sich auf rückblickend erstaunliche Art gegen den Fortschritt äußerte. Leopold Loewenfeld beschreibt in seinem Buch Über die Dummheit, wie ein Expertenkomitee der Universität München Ende des 19. Jahrhunderts befürchtete, die blitzschnellen Bewegungen der Bahn könnten bei Reisenden eine Gehirnerschütterung auslösen. Ihr Vorschlag? Auf beiden Seiten der Bahnstrecken sollten Holzwände errichtet werden. Gut, dass das der arme Lardner nicht mehr mitgekriegt hat.

      Apropos Kopfschmerzen: Im Jahr 1910 wurde die FAAS gegründet, eine Gruppe namens Farmer’s Anti Automobile Society. Diese Gruppe wollte, dass alle Automobile, die nachts auf Landstraßen unterwegs waren, jede Meile anhielten, also grob gesagt alle 1,5 Kilometer. Dann sei eine kleine Leuchtrakete zu starten und zehn Minuten zu warten, bis sicher sei, dass die Straße frei ist. Dann erst sollte man weiterfahren dürfen, aber zur Sicherheit viel hupen. Noch besser wäre, wenn bei jeder Fahrt ein Mensch vorneweglaufe und zur Warnung eine rote Fahne schwenke. Sollten einem jedoch Pferde entgegenkommen, ging der Spaß erst richtig los. Dann wollte die FAAS, dass der Autofahrer sein Auto am Straßenrand parkte und unter einer Decke versteckte, die im Idealfall wie die Umgebung gefärbt sei. Sollte das Pferd das Auto trotzdem entdecken und nicht passieren wollen, sollte es die Pflicht des Autofahrers sein, das Auto zu demontieren und die Teile im Straßengraben zu verstreuen. Erst wenn das Pferd diese Aktivität freundlich abnickte und weitertrabte, dürfte man sein Auto wieder zusammensetzen und weiterfahren. Zumindest 1,5 Kilometer, dann war es Zeit für die nächste Warnrakete. Es ist historisch nicht ganz gesichert, ob dieser Gesetzesentwurf jemals in Kraft trat. Heute gilt er jedenfalls nicht mehr. Das finde ich sehr schade, denn für mich wäre das eine sehr gute Motivation, das Reiten zu lernen.

      Auch in scheinbar harmloseren Kontexten gab es übrigens Widerstand gegen neue Technik. So wehrten sich viele Menschen lange gegen Anschnallgurte in Autos. Und noch heute können Sie sich sicher sein, dass viele Leute sich nur deswegen anschnallen, damit sie keine Strafe zahlen müssen. Dass sie ohne Gurt schon bei einem kleinen Unfall ihr Leben riskieren, ist den Menschen hingegen scheinbar egal. Ich habe mal einen Taxifahrer gesehen, der hatte seinen Gurt aufgeschnitten, damit er den Stecker in den Anschluss stecken konnte, ohne wirklich angeschnallt zu sein. Denn das Piepsen des Warnlichts seines Autos nervte ihn mehr als die Aussicht auf den eigenen Tod.

      Wir sehen daran, mit dem technischen Fortschritt entstanden immer auch neue Möglichkeiten für Dummheit. Aber die Entwicklung hält ja nicht an, im Gegenteil, ab dem frühen 20. Jahrhundert ging alles immer noch schneller – und bald wurde neben der Erde und dem Wasser auch der Luftraum erobert. Wenn im englischsprachigen Raum etwas sehr leicht zu verstehen ist, dann verwendet man gerne die Redewendung »This isn’t rocket science«. Im Umkehrschluss bedeutet das wohl, dass Robert Goddard ein kluger Mann gewesen sein muss, denn er war tatsächlich Raketenwissenschaftler. Bekannt ist er unter anderem als Erfinder der Bazooka, einer tragbaren Panzerabwehrwaffe. Er stellte den ersten Prototyp am 6. November 1918 vor, und sofort erkannte man sein Potenzial, zumal man sich im Ersten Weltkrieg befand. Nun endete der Erste Weltkrieg jedoch exakt fünf Tage später, und damit wurde auch die Entwicklung der Bazooka nicht weiterverfolgt. Ärgerlich, wenn einem ein Kriegsende so in die Waffenentwicklerkarriere reingrätscht. Gut für alle anderen, aber was wissen die schon?

      Goddard ließ sich nicht unterkriegen, sondern widmete sich anderen Projekten im Raketenbereich. Seine Vision war, eine Rakete zu entwickeln, die es bis zum Mond schaffen könnte. Dazu schuf er unter anderem als Erster ein praktikables System für Raketentests, Raketen mit flüssigem Treibstoff und er bewies, dass Raketenantriebe auch im Vakuum Schub erzeugen konnten und die Weltraumfahrt somit theoretisch möglich war. Einige Zeitgenossen sahen das eher kritisch. Am 13. Januar 1920 titelte die New York Times »Eine schwere Belastung der Leichtgläubigkeit« und warf Goddard vor, nicht mal das grundlegende Wissen eines Highschool-Schülers zu haben. Goddard war hart getroffen, aber erklärte später gegenüber einem Reporter: »Jede Vision ist ein Witz, bis der Erste sie umsetzt – und wenn sie einmal umgesetzt ist, wird sie Allgemeinwissen.« Ein halbes Jahrhundert später war der erste Mensch auf dem Mond, denn Goddards Theorien waren inzwischen tatsächlich Allgemeinwissen geworden. Erst dann, im Jahr 1969, entschuldigte sich die New York Times öffentlich bei Goddard. Dieser wäre bestimmt erfreut gewesen, allerdings war er leider schon 24 Jahre tot.

      Noch weniger Fortschrittsglauben als die damalige New York Times hatte Charles Duell, ein amerikanischer Patentamtsleiter. Er schrieb: »Alles, was erfunden werden kann, ist bereits erfunden worden.« Das wäre auch heute noch eine sehr schräge Aussage. Duell äußerte sie aber schon 1899. Die Erfindung des Flugzeugs kurze Zeit später dürfte ihn also doppelt überrascht haben. Vielleicht dachte er aber auch, dass es das Flugzeug schon seit Längerem gäbe. Am Rande bemerkt: Eine ähnliche Annahme muss den 45. Präsidenten der USA, Donald Trump, dazu gebracht haben, noch 2019 zu behaupten, das amerikanischen Militär habe während des Unabhängigkeitskriegs 1775 zahlreiche englische Flughäfen erobert. Vielleicht hatte ihm niemand gesagt, dass Roger Bacon leider nicht weiterforschen durfte und es darum nicht schon seit 750 Jahren das Flugzeug gibt.

      Charles Duell war übrigens in bester Gesellschaft. Der renommierte Münchener Physikprofessor Philipp von Jolly, der mithilfe einer Bleikugel die Richtigkeit der newtonschen Gravitationsgesetze experimentell nachweisen konnte, wäre ein anderes gutes Beispiel. Noch deutlich besser kennt man ihn nämlich, weil er im Jahr 1874 einem potenziellen Studenten abriet, sich der theoretischen Physik zu widmen. Denn, so der Professor, da gäbe es kaum noch etwas Neues zu entdecken.

      Dieser Student, ein gewisser Max Planck, machte es wie die Bleikugel und ließ sich nicht bremsen. Diesem wissenschaftlichen Ungehorsam verdanken wir so bedeutsame Dinge wie das plancksche Strahlungsgesetz, mit dem wir zum Beispiel kalkulieren können, wie viele Sonnenstrahlen die Erdatmosphäre aufnimmt und wie viele sie wieder in den Weltraum abstrahlt. Keine ganz unwichtige Frage, wenn man beispielsweise den Klimawandel berechnen will. Und wie kam Planck auf sein Strahlungsgesetz? Nun, indem er die Pfade der traditionellen Physik verließ und Energie nicht mehr als unendlich teilbar betrachtete. Stattdessen ging er davon aus, dass Strahlung in kleinen Paketen abgegeben werde, die er Quanten nannte. Dieser Bruch mit der Tradition ist insofern ganz spannend, als niemand so genau wusste, was das bedeuten sollte. Auch Planck konnte sein Konzept angeblich nicht genau erklären. Aber seine Theorie passte mit den beobachteten Daten überein. Erst als Albert Einstein Plancks Ideen ernst nahm und auf ihrer Basis bewies, dass Lichtstrahlen auch aus solchen Energiepaketen bestehen, den sogenannten Photonen, wurde die ganze Bandbreite der Entdeckung langsam deutlich.

      Die Physik der Quanten ist eine wunderbare Übung, um sich den Kopf zu zerbrechen. Dazu muss man nicht mal ihre anspruchsvolle mathematische Basis in Betracht ziehen. Es reicht, zu bedenken, dass Licht gleichzeitig ein Teilchen und eine Welle ist. Als Teilchen ist es klar im Raum zu verorten, als Welle ist es im Raum »verschmiert« – beides gleichzeitig. So läuft das eben bei den Quanten, in dem Fall bei den Photonen. Und wenn man sich dann noch kurz die sogenannte heisenbergsche Unschärferelation vor Augen führt, wird es richtig knusprig. Die besagt nämlich, dass man von einem Quantum nur den Impuls oder den Ort genau wissen kann, niemals beides. Denn Quantenobjekte sind quasi ungefähr. Wenn man versucht, sie festzulegen, zerstört man damit Teile ihrer Information. Das klingt so, als würde man sagen, dass man von einem Auto wissen kann, wo es ist oder wie schnell es ist, aber es ist völlig ausgeschlossen, jemals beides zu erfahren. Denn wenn man den Ort bestimmt, kann man das zwar, aber man verzerrt durch eben diese Beobachtung die Geschwindigkeit.

      Im Jahr 1935 schlug Erwin Schrödinger in seinem Aufsatz »Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik« ein Gedankenexperiment vor, um Quantenmechanik für den Otto Normalverbraucher begreiflicher zu machen. Dazu solle man eine Katze mit einem instabilen Atomkern, einem Geigerzähler und etwas Giftgas in eine Stahlkammer sperren. Ein ganz normaler Vorgang so weit. Da nicht vorherzusagen ist, wann genau der Atomkern sein Strahlungsquant freigibt und damit einen Mechanismus auslöst, der die Katze tötet, gilt: Bis jemand in die Kammer schaut, ist die Katze sowohl tot als auch lebendig. Was Schrödinger hier durch Übertragung in die makroskopische Welt veranschaulicht, СКАЧАТЬ