Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Es war ein anderer Stolz als der eines Weibes, und Saxon musste darüber nachdenken, ob er deshalb weniger bewundernswert war.
*
In den folgenden Tagen gingen die Schwellungen an Billys Körper mit erstaunlicher Schnelligkeit zurück. Dass die Risse so schnell heilten, bewies, wie gesund sein Blut war. Das einzige, was noch blieb, waren die »blauen Augen«, die doppelt auffielen in einem so hellen Gesicht wie dem seinen. Es dauerte vierzehn Tage, bis die Umgebung seiner Augen ihre normale Farbe wieder annahm, und in diesen vierzehn Tagen traten verschiedene bedeutungsvolle Begebenheiten ein.
Otto Frank wurde in größter Eile verhört, und, nachdem er von einer, hauptsächlich aus Geschäftsleuten und Angestellten bestehenden Jury für schuldig erklärt worden war, zum Tode verurteilt und nach San Quentin geschafft, wo die Hinrichtung erfolgte.
Der Prozess gegen Chester Johnson und die vierzehn anderen hatte längere Zeit gedauert, war aber auch vor Ablauf der vierzehn Tage beendet. Chester Johnson wurde zum Tode verurteilt, zwei erhielten lebenslängliches Zuchthaus, drei je zwanzig Jahre. Nur zwei wurden freigesprochen, die anderen sieben erhielten je zwei bis sieben Jahre.
Diese Entscheidung versenkte Saxon in tiefe Melancholie. Billy ging es auch nahe, aber sein Kampfeifer war nicht unterdrückt.
»In einer Schlacht sterben immer welche«, sagte er. »Darauf muss man gefasst sein. Aber die Art, wie sie abgeurteilt werden, kann ich nicht in den Kopf kriegen. Sie waren doch alle verantwortlich für die Mordtaten, die schuldig Erklärten genau wie die anderen. Oder es war keiner verantwortlich. Waren sie es aber alle, so hätten sie doch alle verurteilt werden müssen. Sie mussten alle gehängt werden wie Chester Johnson, oder es durfte keiner gehängt werden.«
»Ich habe so oft mit Chester Johnson getanzt«, sagte Saxon. »Und ich habe seine Frau, Kittie Brady, vor vielen, vielen Jahren gekannt. Sie saß neben mir in der Kartonagenfabrik. Sie erwartet auch ein Kind. Sie war sehr hübsch und hatte immer eine ganze Schar junger Burschen hinter sich her.«
Die Wirkung, die die harten Urteile auf die Gewerkschaftler ausübten, war sehr ungünstig. Statt ihren Mut zu knicken, machten sie sie nur noch erbitterter. Billys Reue über den Boxkampf und alles Gute und Liebe, das in den Tagen, als Saxon ihn pflegte, bei ihm zum Vorschein gekommen war, war jetzt wie ausgetauscht. Zu Hause brütete er über seinen finsteren Gedanken, und wenn er sprach, tat er es im selben Geist, wie Bert in den letzten Tagen gesprochen hatte, ehe er, der brave Mohikaner, starb. Er war auch länger fort und trank jetzt wieder anhaltend.
Saxon wollte schon alle Hoffnung aufgeben. Sie war schon fast auf die unvermeidliche Tragödie vorbereitet, die ihre krankhaft gereizte Fantasie ihr unter tausend Formen vorgaukelte. Meistens stellte sie sich vor, dass man ihr Billy auf einer Bahre heimbrachte, oder sie wurde ans Telefon beim Krämer an der Ecke gerufen und hörte eine fremde Stimme, die ihr kurz mitteilte, dass ihr Mann ins Hospital oder ins Leichenschauhaus gebracht wäre. Und als die mystischen Vergiftungen von Pferden vorkamen und einem der großen Fuhrleute sein Haus von Dynamit halb zerstört wurde, sah sie Billy im Zuchthaus oder in der gestreiften Gefängnistracht oder auf dem Schafott in San Quentin, während sie gleichzeitig das kleine Haus in der Pine Street von Zeitungsreportern und Fotografen belagert sah.
Und doch hatte sie sich in ihrer lebhaften Fantasie die Katastrophe nicht in der Gestalt vorgestellt, in der sie schließlich eintraf. Harmon, der Heizer, der bei ihnen wohnte, war, als er sich zur Arbeit begeben wollte, in der Küche stehengeblieben, um Saxon von einem Eisenbahnzusammenstoß in den Alviso-Sümpfen zu erzählen. Als er die Erzählung fast beendet hatte, kam Billy, und aus der dunklen Glut in den Augen unter den schweren Lidern konnte Saxon sehen, dass er zu viel getrunken hatte. Er warf Harmon einen gereizten Blick zu und stellte sich, ohne ihn oder Saxon zu begrüßen, an die Wand.
Harmon fühlte das Drückende der Situation und versuchte zu tun, als bemerke er nichts.
»Ich erzählte Ihrer Frau gerade –«, begann er, aber Billy unterbrach ihn wütend.
»Es ist mir gleichgültig, was Sie ihr erzählten. Aber ich will Ihnen etwas sagen. Meine Frau hat Ihnen Ihr Bett viel öfter gemacht, als mir gefällt.«
»Billy!« rief Saxon, von Zorn und Kränkung flammend.
Billy tat, als hörte er sie gar nicht. Harmon sagte:
»Ich verstehe nicht –«
»Nun ja, ich kann Ihre Fratze nicht ausstehen«, erklärte Billy. »Machen Sie, dass Sie wegkommen! Hinaus! Verstanden?«
»Ich weiß nicht, was mit ihm ist«, sagte Saxon schnell und atemlos zu dem Heizer. »Er ist nicht bei Sinnen. Ach, wie ich mich schäme, ach, wie ich mich schäme.«
Billy wandte sich zu ihr.
»Willst du gefälligst das Maul halten! Es geht dich gar nichts an.«
»Aber Billy!« wandte sie ein.
»Und dann mach, dass du wegkommst! Geh nach drinnen.«
»Hören Sie«, sagte Harmon. »Das ist kein Benehmen.«
»Ich habe Ihnen schon zu viel Freiheit gelassen«, lautete Billys Antwort.
»Ich habe wohl meine Miete regelmäßig bezahlt, nicht wahr?«
»Und ich sollte Ihnen den Kopf zerschlagen. Ja, und ich kann eigentlich nicht einsehen, warum ich es nicht tun sollte.«
»Wenn du das versuchst, Billy –«, begann Saxon.
»Bist du noch da? Wenn du nicht nach drinnen gehst, dann helfe ich dir.«
Seine Hand umpresste ihren Arm. Einen Augenblick versuchte sie, Widerstand zu leisten, und in dem Augenblick, als ihr Fleisch von seinen Fingern zerquetscht wurde, wurde sie sich seiner unermesslichen Kraft bewusst.
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