Gesammelte Werke. Джек Лондон
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Джек Лондон

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813475

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СКАЧАТЬ Be­mer­kung brach­te sie schließ­lich auf.

      »Mit wem sprichst du?« frag­te sie hef­tig.

      Er war sprach­los und ver­blüfft und konn­te nur ihr Ge­sicht an­star­ren, das lei­chen­blass vor Zorn war.

      »Wage nicht noch ein­mal, so zu mir zu spre­chen, Bil­ly«, sag­te sie ge­bie­te­risch.

      »Ach, kannst du denn nicht be­grei­fen, dass ich nur schlech­ter Lau­ne bin?« frag­te er, halb zur Ent­schul­di­gung, halb im Trotz. »Gott weiß, dass ich ge­nug um die Ohren habe.«

      Als er ge­gan­gen war, warf sie sich aufs Bett und wein­te, als ob ihr das Herz bre­chen soll­te. Denn sie, die so tief de­mü­tig lie­ben konn­te, war ein stol­zes Weib. Nur die Stol­zen kön­nen wirk­lich de­mü­tig, nur die Star­ken wahr­haft sanft sein. Was nutz­te es, so frag­te sie sich, wenn der ein­zi­ge auf der Welt, der et­was für sie be­deu­te­te, sei­nen ei­ge­nen Stolz, sei­ne Kampf­be­reit­schaft und sei­nen Ge­rech­tig­keits­sinn ver­lor und sie den schwers­ten Teil der ge­mein­sa­men Last tra­gen ließ?

      Und wie sie im Kum­mer über den Ver­lust ih­res Kin­des – die­sem tie­fen Kum­mer, der in ih­rem Or­ga­nis­mus selbst wur­zel­te – al­lein ge­we­sen war, so trug sie auch die­sen neu­en Kum­mer, der in ge­wis­sem Sin­ne noch grö­ßer war, al­lein. Sie lieb­te Bil­ly viel­leicht nicht we­ni­ger, aber ihre Lie­be war im Be­griff, einen an­de­ren Cha­rak­ter an­zu­neh­men, we­ni­ger stolz und we­ni­ger zu­ver­sicht­lich zu wer­den. Sie woll­te sich mit Mit­leid mi­schen – dem Mit­leid, das zur Ver­ach­tung füh­ren kann, und da­vor schau­der­te es sie.

      Sie kämpf­te um die Kraft, die­ser neu­en Si­tua­ti­on ins Auge zu bli­cken. Die Ver­zei­hung schlich sich in ihr Herz, und es war ihr eine Er­leich­te­rung, bis ihr ein­fiel, dass in der wahrs­ten, höchs­ten Lie­be kein Raum für Ver­zei­hung sein durf­te. Und sie wein­te wie­der, wäh­rend der Kampf von neu­em be­gann. Schließ­lich war ei­nes un­um­stöß­lich: die­ser Bil­ly war nicht der Bil­ly, den sie ge­liebt hat­te. Die­ser Bil­ly war ein ganz an­de­rer, ein kran­ker Mann, und er war eben­so­we­nig ver­ant­wort­lich wie ein Fie­ber­pa­ti­ent für sei­ne wil­den Fan­tasi­en. Sie muss­te Bil­lys Pfle­ge­rin sein, ohne Stolz, ohne Ver­ach­tung, ohne et­was ver­zei­hen zu müs­sen. Zu­dem stand er auch wirk­lich mit­ten im Kamp­fe und war schwind­lig von den Schlä­gen, die er ge­gen an­de­re rich­te­te und die an­de­re ge­gen ihn rich­te­ten.

      Und so rüs­te­te Sa­xon sich zum Kampf, dem schwers­ten von al­len, die in der Wel­ta­re­na aus­ge­foch­ten wer­den – dem Kampf des Wei­bes. Sie ver­trieb alle Zwei­fel, al­les Miss­trau­en aus ih­rem Ge­müt. Sie ver­zieh nichts, weil es nichts gab, das Ver­zei­hung er­for­der­te. Sie ver­pflich­te­te sich zu ei­nem ab­so­lu­ten Glau­ben an die Un­be­fleckt­heit und Un­be­rührt­heit von Bil­lys Lie­be – so un­er­schüt­ter­lich, wie sie stets ge­we­sen, soll­te sie wie­der wer­den, wenn die Welt wie­der ins Gleich­ge­wicht kam.

      Als er an die­sem Abend heim­kam, schlug sie ihm als letz­ten Aus­weg vor, ihre Näh­ar­beit wie­der auf­zu­neh­men, bis der Streik vor­bei war. Aber da­von woll­te Bil­ly nichts hö­ren.

      »Es wird schon al­les ge­hen«, ver­si­cher­te er ihr im­mer wie­der. »Du brauchst nicht zu ar­bei­ten. Ich wer­de schon Geld ver­schaf­fen, ehe die Wo­che um ist, und dann kriegst du al­les. Und Sonn­abend abend ge­hen wir aus und amü­sie­ren uns – in ein rich­ti­ges Thea­ter, nicht ins Kino. Sonn­abend abend – bis da­hin habe ich Geld, so si­cher wie nur was.«

      Am Frei­tag kam er abends nicht heim, und Sa­xon är­ger­te sich, denn Mag­gie Do­na­hue hat­te ihr eine Pfan­ne voll Kar­tof­feln und zwei Pfund Mehl, die sie vo­ri­ge Wo­che ge­lie­hen hat­te, wie­der­ge­bracht, und ein tüch­ti­ges Es­sen war­te­te auf ihn. Sa­xon hielt bis neun Uhr das Feu­er im Herd, dann ging sie wi­der­stre­bend zu Bett. Sie wäre viel lie­ber auf­ge­blie­ben, bis er kam, aber sie wag­te es nicht, denn sie wuss­te, wie das auf ihn wirk­te, wenn er be­trun­ken heim­kam.

      Es hat­te ge­ra­de eins ge­schla­gen, als sie die Gar­ten­pfor­te zu­schla­gen hör­te. Sie hör­te ihn – lang­sam, schwer, auf eine Art, die nichts Gu­tes ver­hieß – die Trep­pe her­auf­kom­men und das Schlüs­sel­loch su­chen. Dann trat er ins Schlaf­zim­mer, und sie hör­te, wie er sich mit ei­nem tie­fen Seuf­zer setz­te. Sie lag ganz still da, denn sie wuss­te, wie über­trie­ben emp­find­lich die Leu­te wur­den, wenn sie be­trun­ken wa­ren, und sie fürch­te­te sehr, ihn zu ver­let­zen, wenn sie ihn ver­ste­hen lie­ße, dass sie wach ge­le­gen und auf ihn ge­war­tet hät­te. Es war nicht leicht. Sie ball­te die Fäus­te, dass die Nä­gel ihr ins Fleisch dran­gen und ihr Kör­per fast in dem hef­ti­gen Be­mü­hen, sich ru­hig zu ver­hal­ten, er­starr­te. Noch nie war er in ei­ner sol­chen Ver­fas­sung heim­ge­kom­men.

      »Sa­xon!« rief er mit be­leg­ter Stim­me. »Sa­xon!«

      Sie reck­te sich und gähn­te.

      »Was ist?« frag­te sie.

      »Willst du nicht Licht ma­chen? Mei­ne Fin­ger sind wie lau­ter Dau­men.«

      Sie tat, wie er sag­te, ohne ihn je­doch an­zu­se­hen, aber ihre Hän­de zit­ter­ten so hef­tig, dass der Lam­pen­zy­lin­der klir­rend ge­gen die Kup­pel schlug und das Streich­holz aus­ging.

      »Ich bin nicht be­trun­ken«, sag­te er in der Dun­kel­heit, und sei­ne hei­se­re Stim­me zit­ter­te. »Ich habe nur zwei oder drei Ohr­fei­gen ge­kriegt.«

      Sie ver­such­te wie­der, die Lam­pe an­zu­zün­den, und dies­mal glück­te es. Als sie sich um­dreh­te, um ihn an­zu­se­hen, schrie sie laut auf vor Angst. Ob­wohl sie sei­ne Stim­me ge­hört hat­te und wuss­te, dass es Bil­ly war, er­kann­te sie ihn doch im ers­ten Au­gen­blick nicht. Dies Ge­sicht hat­te sie noch nie ge­se­hen. Ge­schwol­len, zer­schla­gen war es, als hät­te je­der Zug die Ähn­lich­keit mit dem Ge­sicht ver­lo­ren, das sie so gut kann­te. Das eine Auge war voll­kom­men ge­schlos­sen, das an­de­re guck­te aus ei­nem schma­len Spalt in dem blut­un­ter­lau­fe­nen Fleisch her­vor. Es sah aus, als wäre die Haut am einen Ohr fast ab­ge­ris­sen. Das gan­ze Ge­sicht war eine blu­ti­ge, ge­schwol­le­ne Mas­se, und sein rech­ter Kinn­ba­cken war dop­pelt so dick wie der lin­ke. Kein Wun­der, dass er be­legt spricht, dach­te sie, als sie die furcht­bar zer­schla­ge­nen und ge­schwol­le­nen Lip­pen be­trach­te­te, die im­mer noch blu­te­ten. Sie wur­de ganz krank bei dem An­blick, und eine Woge von Zärt­lich­keit stieg in ihr auf und trieb sie zu ihm hin. Sie sehn­te sich da­nach, ihn in die Arme zu schlie­ßen, ihn zu strei­cheln und zu lieb­ko­sen; aber ihr ge­sun­der Ver­stand ver­bot es ihr.

      »Mein ar­mer, ar­mer Jun­ge«, rief sie. »Sag mir nur, was ich tun soll. Ich ver­ste­he nichts von die­sen Din­gen.«

      »Wenn du mir nur hel­fen willst, mich aus­zu­zie­hen«, sag­te er de­mü­tig und mit hei­se­rer Stim­me. »Ich bin so steif.«

      »Und dann war­mes Was­ser – das wird dir gut tun«, sag­te sie und be­gann vor­sich­tig, sei­nen Rock­är­mel über eine ge­schwol­le­ne, hilflo­se Hand zu zie­hen.

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