Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Ja, aber auch jetzt leben eine Menge Menschen auf dem Lande«, sagte sie.
»Aber deshalb kommen sie doch in die Stadt und nehmen uns anderen die Arbeit«, lautete seine Antwort.
Ein Lichtschimmer fiel in ihr Dasein, als Billy Arbeit als Kutscher bei der großen Brücke bekam, die bei Niles gebaut wurde. Ehe er zuschlug, hatte er sich vergewissert, dass bei dem Unternehmen nur Gewerkschaftler beschäftigt waren. Und Gewerkschaftler waren sie auch zwei Tage lang, bis die Zementarbeiter die Arbeit niederlegten. Die Unternehmer, die offenbar hierauf vorbereitet waren, stellten für die Zementarbeit Italiener ein, die nicht in den Gewerkschaften waren, worauf Zimmerleute, Eisenarbeiter und Kutscher sofort die Arbeit niederlegten, und Billy, der kein Geld für die Eisenbahn hatte, den Rest des Tages dazu verwenden musste, nach Hause zu spazieren.
»Ich konnte nicht als Streikbrecher arbeiten«, schloss er seinen Bericht.
»Nein«, sagte Saxon, »du konntest nicht als Streikbrecher arbeiten.«
Aber sie musste doch denken, wie es sein konnte, dass ein Mann gern arbeiten wollte, und dass es Arbeit für ihn gab, und dass er dann nicht arbeiten konnte, weil die Gewerkschaften es nicht erlaubten. Warum gab es Gewerkschaften? Und wenn sie notwendig waren, warum waren dann nicht alle Arbeiter in ihnen? Dann gab es keine Streikbrecher mehr, und Billy hatte jeden Tag Arbeit. Und sie dachte nach, wie sie sich den Sack Mehl verschaffen sollte, denn sie konnte sich längst nicht mehr den Luxus leisten, Brot zu kaufen. Und ebenso ging es vielen anderen Frauen in der Nachbarschaft, sodass der kleine wallisische Bäcker seinen Laden geschlossen hatte und mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern fortgezogen war. Wo sie hinsah, waren Not und Elend die Folge dieses Streits zwischen Arbeitern und Arbeitgebern.
Eines Nachmittags klopfte ein Fremder bei ihr an, und am selben Abend kam Billy mit Neuigkeiten etwas zweifelhafter Art nach Hause. Ihm war ein Angebot gemacht worden. Er brauchte nur zuzuschlagen und konnte als Vorarbeiter mit hundert Dollar monatlich im Stall antreten.
Die Aussicht auf eine solche Summe wirkte beinahe lähmend auf Saxon, die gerade bei einem aus Salzkartoffeln, gewärmten Bohnen und einer kleinen, trockenen, rohen Zwiebel bestehenden Abendbrot saß. Es gab weder Brot noch Kaffee oder Butter. Die Zwiebel hatte Billy aus der Tasche gezogen – er hatte sie auf der Straße gefunden. Hundert Dollar monatlich! Sie befeuchtete sich die Lippen und versuchte, ihre Selbstbeherrschung zu bewahren.
»Warum haben sie es dir angeboten?« fragte sie.
»Das ist ganz einfach. Aus vielen Gründen. Der Bursche, den der Chef King und Prince bewegen lässt, ist ein Schwachkopf, und King lahmt. Außerdem haben sie eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, dass ich es bin, der eine ganze Menge von ihren Streikbrechern arbeitsunfähig gemacht hat. Macklin ist seit vielen, vielen Jahren als Vorarbeiter bei ihnen – ich war noch ein kleiner Kerl in kurzen Hosen, als er schon Vorarbeiter war. Und jetzt ist er krank und erledigt. Sie brauchen einen anderen für seine Stellung. Und ich bin ja auch seit vielen Jahren da. Und – was das wichtigste ist – ich kann die Sache übernehmen. Du weißt, ich kenne Pferde von Grund auf.«
»Denk nur, Billy!« sagte sie kaum hörbar. »Hundert Dollar monatlich!«
»Und die anderen im Stich lassen«, sagte er.
Es war keine Frage. Es war auch keine Erklärung. Saxon konnte es verstehen, wie sie wollte. Sie sahen sich an. Sie wartete, dass er etwas sagen sollte, aber er sah sie nur weiter an. Es kam ihr vor, als sei sie an einem Wendepunkt ihres Lebens angelangt, und sie gab sich Mühe, ihr Gleichgewicht zu bewahren. Billy half ihr nicht im geringsten. Wie seine Meinung auch sein mochte, er zeigte es ihr nicht, und sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Seine Augen verrieten nichts. Er sah sie nur an und wartete.
»Du – du kannst es nicht tun, Billy«, sagte sie schließlich. »Du kannst die anderen nicht im Stich lassen.«
Er streckte ihr die Hand hin, und ein strahlend glücklicher Ausdruck lag über seinem Gesicht.
»Her die Hand!« rief er, und ihre Hände trafen sich in einem festen Druck. »Du bist die treueste, beste kleine Frau, die je ein Mann gehabt hat. Wären alle anderen wie du, so könnten wir jeden Streik gewinnen.«
»Was hättest du getan, wenn du nicht verheiratet gewesen wärest, Billy?«
»Ich hätte sie erst hängen sehen mögen!«
»Dann soll es nichts daran ändern, dass du verheiratet bist. Ich muss alles mit dir teilen. Ich wäre eine schlechte Frau, wenn ich das nicht täte.«
Dann erinnerte sie sich des Gastes, den sie am Nachmittag gehabt hatte, und sie wusste, dass der Augenblick günstig war, ihm davon zu berichten.
»Heute Nachmittag war ein Mann hier, Billy. Er suchte ein Zimmer. Ich sagte, ich wollte mit dir reden. Er sagte, er wolle sechs Dollar für das Schlafzimmer nach dem Hof hinaus bezahlen. Dann könnten wir einen halben Monat auf die Miete abzahlen und einen Sack Mehl kaufen, denn unser Mehl ist ganz ausgegangen.«
Saxon kannte Billys Abneigung dagegen, ein Zimmer zu vermieten, und sie sah ihn besorgt an.
»Das ist wohl einer von den Streikbrechern von der Eisenbahn?«
»Nein, er ist Heizer auf dem Güterzug nach San José. Harmon, sagt er, heißt er, James Harmon. Er ist eben erst hergezogen. Er schläft den größten Teil des Tages, und deshalb möchte er gern in einem ruhigen Haus ohne Kinder wohnen.«
Zuletzt gab Billy nach, aber mit vielen Bedenken, und erst, als Saxon ihm erklärt hatte, wie wenig Arbeit es ihr machen würde. Aber selbst dann protestierte er noch und fügte hinzu, als sei es ihm erst jetzt eingefallen: »Aber ich will nicht, dass du einem fremden Mann das Bett machst. Das ist nicht richtig. Ich sollte für dich sorgen.«
»Das könntest du auch«, antwortete sie schnell, »wenn du die Stellung als Vorarbeiter annimmst. Aber das kannst du doch nicht. Und wenn ich alles mit dir teilen soll, dann ist es doch nur recht und billig, dass du mich tun lässt, was ich kann.«
James Harmon machte noch weniger Mühe, als Saxon erwartet СКАЧАТЬ