Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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»Aber was tat Blanchard denn?« kam Saxon wieder auf ihre Frage zurück.
»Er führte die Prozession an und lenkte mein Gespann. Alle Gespanne waren aus meinem Stall. Er hatte eine ganze Schar von diesen Universitätsidioten gesammelt – Lümmel, die aus der Tasche ihres Vaters leben. Sie kamen mit großen Kremsern in die Ställe gefahren und zogen die Wagen heraus, und die halbe Polizei von Oakland half ihnen. Ja, das war eine Vorstellung! Es regnete direkt Pflastersteine, und du hättest hören sollen, wie die Knüppel auf unsere Häupter schlugen – ratatata, ratatata! Acht von unseren Leuten wurden festgenommen und dazu zehn Kutscher aus San Franzisko, die uns zu Hilfe gekommen waren. Das sind die reinen Teufel, diese San Franziskoer Kutscher. Es sah aus, als sei die halbe Arbeiterbevölkerung von Oakland uns zu Hilfe gekommen, und ein ganzes Heer von ihnen muss in den Gefängnissen sitzen. Unsere Rechtsanwälte müssen sich ihrer annehmen.
Aber darauf kannst du dich verlassen, es ist das letztemal, dass Roy Blanchard und seinesgleichen sich in unsere Sachen eingemischt haben. Blanchard fuhr im ersten Wagen, und er wurde einmal vom Bock heruntergeworfen, aber er hielt doch stand.«
»Er muss ein mutiger Mann sein«, warf Saxon ein.
»Mutig?« rief Billy hitzig. »Mit der Polizei und dem Heer und der Flotte hinter sich? Schließlich nimmst du auch noch seine Partei! Mutig? Nimmt unsern Frauen und Kindern das Brot aus dem Munde!«
Am Morgen las Saxon in der Zeitung von dem fruchtlosen Versuch, den Fuhrleutestreik zu beenden. Roy Blanchard wurde als Held und Vorbild aller reichen Bürger begrüßt, und Saxon konnte, und wenn es ihr Leben gekostet hätte, eine gewisse Bewunderung für seinen Mut nicht unterdrücken, ihr schien etwas Großes an der Art, wie er Front gegen den heulenden Pöbelhaufen gemacht hatte. Es wurde der Ausspruch eines Brigadegenerals angeführt, der bedauerte, dass das Militär nicht hinzugerufen worden war, um den Pöbel an der Kehle zu packen und Gehorsam gegen Gesetz und Ordnung hineinzuschütteln.
Am Abend gingen Saxon und Billy in die Stadt. Als er bei seiner Heimkehr nichts zu essen vorgefunden, hatte er Saxon unter den einen Arm und seinen Überzieher unter den anderen genommen. Den Überzieher hatte er versetzt, und er und Saxon hatten in trauriger, düsterer Stimmung in einem japanischen Restaurant gegessen, das auf irgendeine wunderbare Weise eine einigermaßen genügende Mahlzeit für zehn Cent servierte. Nach dem Essen wollten sie in ein Kino gehen, was fünf Cent für jeden kostete.
Vor der Zentralbank wurde Billy von zwei streikenden Kutschern angesprochen, die ihn mitnahmen. Saxon wartete an der Ecke, und als er nach dreiviertel Stunden wiederkam, wusste sie, dass er getrunken hatte.
Ein Stückchen weiterhin, vor dem Forum-Café, blieb er plötzlich stehen. An der Bordschwelle stand ein Privatautomobil, und ein junger Mann half zwei sehr elegant gekleideten Damen hinein. Auf dem Führersitz saß ein Chauffeur. Billy legte dem jungen Mann die Hand auf den Arm. Er war ebenso breitschulterig wie Billy und eine Kleinigkeit größer. Er hatte blaue Augen, kräftige Züge, und Saxon fand, dass er ein schöner Mann war.
»Darf ich ein paar Worte mit Ihnen sprechen, Kamerad?« sagte Billy mit leiser, schleppender Stimme.
Der junge Mann warf einen hastigen Blick auf Billy und Saxon und fragte ungeduldig:
»Was gibt es?«
»Sie sind Blanchard«, begann Billy. »Ich sah Sie gestern. Sie fuhren an der Spitze des Zuges.«
»Ja, hab ich das nicht gut gemacht?« fragte Blanchard heiter mit einem hastigen Blick auf Saxon.
»Gewiss. Aber deshalb will ich nicht mit Ihnen reden.«
»Wer sind Sie?« fragte der andere, der jetzt plötzlich misstrauisch geworden war.
»Einer von den streikenden Kutschern. Die Sache ist nämlich, dass Sie mein Gespann fuhren, ja, das ist alles. Nein, lassen Sie Ihr Schießeisen stecken!« – Blanchard hatte die Hand halb in die Tasche gesteckt. – »Ich will hier keinen Krach machen. Aber ich will Ihnen nur etwas sagen.«
»Dann beeilen Sie sich.«
Blanchard hob den Fuß, um ins Auto zu steigen.
»Jawohl«, fuhr Billy fort, ohne im geringsten seine aufreizende Langsamkeit fallen zu lassen. »Ich will Ihnen nur sagen, dass ich Sie finden werde. Nicht, solange der Streik dauert. Aber später einmal, und dann werde ich Ihnen eine solche Tracht Prügel geben, wie Sie sie noch nie im Leben bekommen haben.«
Blanchard sah Billy forschend und mit Interesse an, und ein bewundernder Schimmer trat in seine Augen. »Sie sind ein starker Bursche«, sagte er. »Aber glauben Sie auch, dass Sie das können?«
»Gewiss kann ich es. Ich werde es Ihnen schon zeigen.«
»Nun ja, Kamerad. Kommen Sie zu mir, wenn der Streik beendet ist – dann werden wir ja sehen, wer der Stärkere ist.«
»Vergessen Sie es nicht«, sagte Billy. »Ich werd es Ihnen zeigen.«
Roy Blanchard nickte beiden freundlich lächelnd zu, lüftete den Hut vor Saxon und stieg ins Auto.
*
Von jetzt an schien es Saxon, als sei ihr Dasein ganz ohne Sinn und Zusammenhang. Sie lebte wie in einem bösen Traum. Alles war möglich, selbst das Unwahrscheinlichste. Es gab keinen Halt in der Strömung der Gesetzlosigkeit, die sie zu einer Katastrophe trieb – sie wusste selbst nicht, zu welcher. Hätte sie sich auf Billy verlassen können, so würde sie nichts gefürchtet haben. Aber er war ihr entrissen in dem Wahnsinn, der alle anderen gepackt hatte. So vollkommen war die Veränderung, die mit ihm vorgegangen war, dass er fast wie ein zudringlicher Fremder in seinem eigenen Hause wirkte. Es war ein anderer Mann, dessen Blick ihr aus seinen Augen entgegenleuchtete – ein anderer Mann СКАЧАТЬ