Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Es war keine ansprechende Seite seines Wesens, die Saxon in diesen Tagen sah. Es war fast, als sei es ein fremder Mann, mit dem sie zusammenleben musste, und so sehr sie sich auch anstrengte, begann ihr doch fast vor ihm zu schaudern. Früher war er immer bemüht gewesen, Streit und Schlägereien zu vermeiden. Jetzt genoss er das, war entzückt, wenn er mit dabei sein konnte, und suchte selbst jeden Anlass, den er finden konnte. Alles das kam deutlich in seinem Gesicht zum Ausdruck. Er war nicht mehr der frohe, lächelnde Junge. Er lächelte selten. Sein Gesicht war das eines Mannes. Die Lippen, die Augen, die Linien um den Mund waren unbarmherzig, wie seine Gedanken unbarmherzig waren.
Er war selten unfreundlich zu Saxon, andererseits war er aber auch selten wirklich freundlich. Seine Haltung ihr gegenüber wurde negativ. Er interessierte sich nicht für sie. Trotz dem Kampf, den sie gemeinsam, Schulter an Schulter, für die Prinzipien der Gewerkschaften kämpften, nahm sie nur einen geringen Raum in seinen Gedanken ein. Wenn er freundlich zu ihr war, konnte sie sehen, dass es rein mechanisch geschah, wie sie sich auch völlig klar darüber war, dass er rein gewohnheitsmäßig zärtlich zu ihr sprach oder sie liebkoste. Die unmittelbare Wärme, die seine Worte und Liebkosungen erfüllt hatte, war jetzt verschwunden. Hin und wieder, wenn er nicht betrunken war, konnte er für Augenblicke der alte Billy sein; aber selbst diese flüchtigen Augenblicke wurden immer seltener. Meistens ging er in seinen eigenen düsteren Gedanken umher. Die schweren Zeiten und der schwere Druck des Kampfes, der zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ausgefochten wurde, stellte ihn auf eine harte Probe. Das war besonders auffallend, wenn er schlief; denn dann wurde er von wilden, gesetzlosen Träumen gequält, er stöhnte und murmelte, ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen, drehte und wand sich unter starken Muskelanspannungen, während sein Gesicht von bösen Leidenschaften verzerrt war und seine Kehle unter furchtbaren Flüchen arbeitete, die in einen merkwürdig scheuernden Laut endeten. Saxon, die neben ihm lag, ängstigte sich vor diesem fremden Mann, den sie nicht kannte, und sie erinnerte sich dessen, was Mary ihr von Bert erzählt hatte. Auch er hatte geflucht und die Fäuste geballt und nachts wieder die Kämpfe des Tages ausgefochten. Aber eines sah Saxon ganz deutlich. Es war nicht Billys Schuld, dass er sich zu diesem anderen, wenig ansprechenden Billy entwickelte. Wäre kein Streik, kein Zank und Streit um die Arbeit gewesen, so würde es nur den alten Billy gegeben haben, den sie so voll und ganz geliebt hatte. Dies Schreckliche, das auf dem Grunde seines Wesens schlummerte, würde weitergeschlummert haben. Wenn aber der Streik andauerte, so fürchtete sie, und das mit gutem Grunde, dass dieses zweite unheimliche Ich Billys stark werden und abschreckendere Formen annehmen würde. Und das, wusste sie, war gleichbedeutend mit dem Untergang ihres Liebeslebens. Einen solchen Billy konnte sie nicht lieben, und ein solcher Billy war seinem Wesen zufolge weder imstande, Liebe zu gewinnen noch zu geben. Und bei dem Gedanken, dass Kinder kommen konnten, wurde sie von einer furchtbaren Angst gepackt. Das wäre zu schrecklich gewesen.
Auch Billy hatte seine Probleme – Fragen, die er nicht beantworten konnte.
»Warum wollen die Bauhandwerker nicht streiken?« lautete eine der Fragen, die er erbittert in die Dunkelheit hinausschleuderte, die die Wege der Menschen und des Lebens verhüllte. »Aber nein, O’Brien will nicht mitstreiken, und er beherrscht die Bauhandwerker vollkommen. Und der Teufel holt den Zusammenschluss der Arbeiter! Du meine Güte – es ist eine Ewigkeit her, dass ich weder eine ordentliche Zigarre noch eine Tasse anständigen Kaffee bekommen habe. Ich habe vergessen, was gutes Essen heißt. Ich ließ mich gestern wiegen. Fünfzehn Pfund abgenommen, seit der Streik begann. Wenn es noch lange dauert, kann ich bald als Mittelgewicht kämpfen. Und das ist alles, was ich davon habe, dass ich die ganzen Jahre meine Gewerkschaftsbeiträge bezahlt habe. Ich kann kein ordentliches Essen kriegen, und meine Frau muss einem fremden Mann das Bett machen. Das macht mich toll. Eines Tages laufe ich rüber und schmeiße den Zimmerherrn raus.«
»Aber es ist doch nicht seine Schuld, Billy«, wandte Saxon ein.
»Wer sagt, dass es seine Schuld sei?« fragte Billy gereizt. »Aber deshalb macht es mich doch toll. Welchen Zweck haben die Gewerkschaften, wenn man nicht zusammenhält? Ich möchte am liebsten die ganze Geschichte an den Nagel hängen und zu den Arbeitgebern übergehen. Aber den Triumph sollen sie doch nicht erleben, die verfluchten Schurken! Wenn sie glauben, sie könnten uns in die Knie zwingen, so lass sie nur ihr Glück versuchen – mehr kann ich nicht sagen. Aber begreifen kann ich es doch nicht. Die ganze Welt ist verrückt geworden. Es ist kein Sinn mehr darin. Was nützt es, eine Gewerkschaft zu unterstützen, die keinen Streik gewinnen kann? Was nützt es, Streikbrechern die Köpfe zu zerschlagen, wenn immer wieder neue kommen?«
Ein solcher Ausbruch Billys war indessen sehr selten, und es war das erstemal, dass Saxon ihn hörte. Er war immer mürrisch, eigensinnig und zähe, und der Whisky trug dazu bei, die Würmer der Selbstsicherheit in seinem Gehirn zu wimmelndem Leben zu erwecken.
Eines Abends kam Billy erst nach zwölf Uhr heim. Saxons Angst stieg, weil sie ein Gerücht gehört hatte, dass es eine Prügelei zwischen Polizei und Streikenden gegeben hätte. Als Billy kam, sah sie gleich, dass das Gerücht die Wahrheit gesprochen hatte. Die Rockärmel waren ihm halb abgerissen, die Krawatte war verschwunden und alle Hemdknöpfe auf der Brust waren abgerissen. Als er den Hut abnahm, sah Saxon zu ihrem Schrecken, dass er eine Beule von der Größe eines Apfels am Kopfe hatte.
»Weißt du, wer das getan hat? Der verfluchte Deutsche Hermanmann, und zwar mit einem Knüppel. Aber ich will ihn lehren und so, dass er es nicht wieder vergisst. Und auch einen anderen Burschen habe ich mir gemerkt und werde ihn mir kaufen, wenn der Streik vorbei ist und wir ein bisschen zur Ruhe gekommen sind. Er heißt Blanchard, Roy Blanchard.«
»Doch nicht von der Firma Blanchard, Perkins & Co.?« fragte Saxon, die Billys Wunde auswusch und wie gewöhnlich alles, was in ihrer Macht stand, tat, um ihn zu beruhigen.
»Eben – nur dass er der Sohn des Alten ist! Was tut er, der nie etwas anderes getan hat, als mit dem Geld des Alten um sich zu schmeißen? Spielt СКАЧАТЬ