Название: Gesammelte Werke
Автор: Джек Лондон
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813475
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Und als er die Treppe hinunterging, dachte sie, wie es wohl kam, dass es einen so guten, freundlichen Mann in einer Welt gab, die sonst so schlecht war.
Der kleine Donahue warf eine Abendzeitung zu ihr herein, und sie sah, dass das Blatt Billy eine halbe Spalte geopfert hatte. Es war nicht gerade schmeichelhaft. Es wurde erwähnt, dass er sich dem Gericht mit Augen, die Zeichen früherer Prügeleien trugen, gestellt hätte. Er wurde als Bandit, als Raufbold, professioneller Boxer beschrieben, den zu ihren Mitgliedern zu zählen eine Schande für die Gewerkschaften sei. Der Überfall, dessen er sich schuldig gemacht, wäre widerwärtig, roh und ohne den geringsten Anlass unternommen, und wenn alle streikenden Fuhrleute so wie er wären, dann würde es das einzig Vernünftige für Oakland sein, die Gewerkschaft zu sprengen und alle Mitglieder zur Stadt hinauszujagen. Und endlich beklagte die Zeitung sich darüber, dass das Urteil zu milde sei. Er hätte mindestens sechs Monate haben müssen. Es wurde ein Ausspruch des Richters angeführt, der bedauerte, nicht imstande gewesen zu sein, ihn zu sechs Monaten zu verurteilen, die Sache sei aber, dass die Gefängnisse schon überfüllt wären von den vielen, die sich bei den verschiedenen Streiks Gewalttätigkeiten hätten zuschulden kommen lassen.
Als Saxon sich am Abend zu Bett legte, fühlte sie zum ersten Mal, was Einsamkeit hieß. Es war, als schnurrte ihr alles durch den Kopf, und ihr Schlaf wurde beständig von Versuchen unterbrochen, Billy zu fassen, der, wie sie meinte, neben ihr lag. Schließlich zündete sie die Lampe an, lag da und starrte mit offenen Augen die Decke an, während sie immer wieder in allen Einzelheiten das Unglück überdachte, das sie mit so lähmender Wucht getroffen hatte. Sie konnte verzeihen und konnte es doch nicht. Der gegen ihre Liebe gerichtete Schlag war zu heftig und brutal gewesen. Ihr Stolz war zu sehr misshandelt, als dass sie in ihren Gedanken ganz zu dem anderen Billy hätte zurückkehren können – den sie geliebt hatte. Sie weinte, wie sie allein in dem großen Bett dalag und mit sich kämpfte, um Billys unfassbare Grausamkeit zu vergessen, ja, sogar mit stummer Zärtlichkeit ihre Wange auf den misshandelten Arm legte. Aber immer wieder flammte die Kränkung in ihr auf, ein ewiger heftiger Protest gegen Billy und alles, was Billy getan. Ihre Kehle brannte wie Feuer, in ihrer Brust war ein dumpfer Schmerz, der nie aufhörte, und sie wurde von dem Gefühl bedrückt, dass alles aus war. Warum? Warum? Aber auf dieses Lebensrätsel erhielt sie keine Antwort.
Am Morgen kam Sarah zu Besuch – der zweite Besuch seit ihrer Verheiratung; und es war nicht schwer zu erraten, was die Schwägerin wollte. Saxon brauchte sich nicht anzustrengen, dass ihr Stolz sich aufbäumte. Sie wollte Billy nicht im geringsten verteidigen. Es gab nichts zu verteidigen und nichts zu erklären. Alles war, wie es sein sollte, und jedenfalls ging es keinen etwas an. Das reizte Sarah nur noch mehr.
»Ich warnte dich ja. Ich habe immer gewusst, dass er nichts wert war, ein Zuchthauskandidat, ein Bandit, ein Raufbold. Das Herz sank mir in die Schuhe, als ich hörte, dass du mit einem Berufsboxer gingst. Das sagte ich dir schon damals. Aber nein, du wolltest nicht auf mich hören, du mit deinem Feingefühl und deinen vielen Schuhen – mehr als eine anständige Frau haben sollte. Du warst natürlich klüger als ich. Und da sagte ich zu Tom: ›Tom‹, sagte ich, ›jetzt ist Saxon geliefert.‹ Das waren meine Worte. Wer Pech anrührt, besudelt sich. Wenn du doch nur Charley Long geheiratet hättest! Dann hätte die Familie nicht diese Schande erleben müssen. Das ist nur der Anfang. Denk an das, was ich dir sage, das ist nur der Anfang. Wo es enden soll, das mögen die Götter wissen. Er wird noch gehängt werden wegen Mord, der Bandit, mit dem du verheiratet bist. Ja, warte nur, du wirst ja sehen. Wie man sich bettet, so liegt man, und wenn man einen Zuchthauskandidaten –«
»Ach was«, antwortete Saxon überlegen. »In dieser Zeit scheinen alle einen Vorgeschmack vom Zuchthaus zu bekommen. Ist nicht selbst Tom bei einer sozialistischen Straßenversammlung verhaftet worden? Alle Menschen kommen jetzt ins Gefängnis.«
Sie sah gleich, dass der Pfeil getroffen hatte.
»Aber Tom wurde freigesprochen«, erwiderte Sarah.
»Deshalb hat er aber doch die Nacht gesessen.«
Dagegen war nichts zu sagen, und Sarah ging zu ihrer Lieblingstaktik über und machte einen Flankenangriff.
»Es ist übrigens hübsch, wie es mit dir geendet hat, bei deiner schönen und guten Erziehung – dass du dich mit einem Zimmerherrn einlässt.«
»Wer sagt das?« fragte Saxon in flammendem Zorn, den sie jedoch gleich wieder bezwang.
»Ach, das kann doch ein Blinder zwischen den Zeilen lesen. Ein Zimmerherr, eine junge Frau, die ihre Selbstachtung verloren und einen Boxer geheiratet hat. Weshalb sollten sie sich sonst prügeln?«
»Genau wie jeder andere Familienstreit, nicht wahr?« sagte Saxon mit ruhigem Lächeln.
Sarah wurde so wütend, dass sie im ersten Augenblick kein Wort hervorbringen konnte.
»Und das will ich dir nur sagen«, fuhr Saxon fort. »Eine Frau muss stolz sein, wenn Männer sich um sie schlagen. Und ich bin stolz darauf, hörst du? Ich bin stolz darauf, das kannst du gern all deinen Nachbarn, allen Menschen erzählen. Ich bin keine Kuh, Männer lieben mich, Männer schlagen sich meinetwegen, Männer gehen meinetwegen ins Gefängnis. Und jetzt kannst du gehen, Sarah, und zwar sofort, und den Leuten erzählen, was du zwischen den Zeilen gelesen hast. Erzähl ihnen, dass Billy ein Zuchthauskandidat ist, und dass ich eine schlechte Frau bin, hinter der alle Männer her sind. Ruf es von den Dächern herunter, und möchtest du Freude daran haben. Und nun geh, und setze nie wieder deinen Fuß in mein Haus. Du bist eine zu achtbare Frau, um hierherzukommen. Dein guter Ruf könnte darunter leiden. Und denk an deine Kinder. Aber jetzt geh! Geh!«
Erst als die verblüffte und entsetzte Sarah zur Tür hinaus war, warf Saxon sich heftig weinend aufs Bett. Sie hatte sich bisher nur über Billys Brutalität und Ungerechtigkeit geschämt. Jetzt aber wusste sie, wie andere die Sache ansahen. Das war Saxon bisher nicht eingefallen. Sie war überzeugt, dass es auch Billy nicht eingefallen war. Sie kannte seine Haltung von Anfang an. Er war immer dagegen gewesen, einen Zimmerherrn zu СКАЧАТЬ