Название: DIE GRENZE
Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958353060
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»Es macht mir nichts aus.«
»Wir tun hier, was wir können. Entweder kommen wir mit dem zurecht, was wir haben, oder wir verzichten darauf. Meistens verzichten wir darauf. Aber wir machen weiter.« Warum?, fragte sie sich in diesem Augenblick. Wie kommen wir auf die Idee, irgendetwas von dem, was wir tun, könnte die Art und Weise ändern, wie die Dinge sind? Sie schob die Frage rasch beiseite. Sie sah auch keinen Sinn darin, zu erwähnen, dass in einigen Nächten die wahre Hölle ausbrach auf dieser ruinierten und zerstörten Erde. »Dave, bring ihn in die Kantine. Sie sollen ihm etwas zu essen geben. Dann organisierst du für ihn eine Unterkunft.«
»Aber sicher«, sagte Dave mit versteinertem Gesicht. »Eine weitere wunderbare Ergänzung für unsere kleine Familie.«
»Wie viele Menschen leben hier?«, fragte Ethan.
»Einhundertundzwölf, als wir zuletzt gezählt haben«, antwortete Olivia. »Aber das kann sich von Tag zu Tag ändern.«
Ethans Blick wanderte zu dem gelben Block auf dem Schreibtisch. Er sah, dass einige Zahlen hingeschrieben, weggekratzt und von einer nervösen Hand wieder hingekritzelt worden waren.
»Das sind nicht die Bewohner«, sagte Olivia, die Ethans Interesse bemerkt hatte. »Das ist, womit wir auskommen müssen. Wir sind seit fast zwei Jahren hier. Unsere Vorräte gehen zur Neige.«
»Nahrung und Wasser?«, fragte Ethan.
»Wir haben Konserven und Wasser in Flaschen, beide Bestände sind ziemlich niedrig. Deshalb mussten wir anfangen, die Pferde zu essen. Wir trauen dem Regenwasser nicht. So ist die Lage.«
Übel, dachte Ethan. Er konnte das Ende der Dinge tief in ihren Augen sehen. Als ob sie das gespürt hatte, blickte sie zur Seite und sah wieder Dave an. »Nimm ihn mit und sorge dafür, dass er etwas zu essen bekommt. Ethan, wir sehen uns später. Okay?«
Er nickte. Dave und Roger führten ihn aus dem Raum und schlossen die Tür.
John Douglas blieb zurück, während Kathy Mattson wieder auf ihrem Stuhl Platz nahm und Gary Roosa sein Klemmbrett und sein gelbes Notizbuch mit all den Zahlen betrachtete, die den Untergang bedeuteten. Olivia setzte sich, aber sie wusste, dass es einen Grund gab, weshalb der Doktor geblieben war. Also fragte sie: »Was ist?«
»Interessanter junger Mann«, sagte JayDee.
»Es fällt schwer, daran zu denken, was er durchgemacht haben muss. Aber andere haben es auch geschafft. Wir haben vor ein paar Tagen schon einmal einige Überlebende gefunden, nicht wahr?«
»So ist es. Es ist schwer, da draußen zu überleben, aber nicht unmöglich.« Der Doktor runzelte die Stirn. »Es ist nur so, dass … ich wünschte, ich hätte ein anständiges Labor. Ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit, Ethan wirklich gründlich durchzuchecken.«
»Warum?« Eine Spur Angst ließ ihren Mund starr werden. »Weil du denkst, dass er vielleicht kein …«
»Ich denke«, unterbrach JayDee, »dass er ein Mensch ist, dass er sauber ist. Aber ich denke auch – und das bleibt in diesem Raum, bitte – dass er einige Verletzungen erlitten hat, die … nun, ich weiß nicht, wie er herumlaufen kann mit all den großflächigen Prellungen, die er unter seiner Kleidung verbirgt. Und er müsste auch, zumindest meiner Meinung nach, einige größere innere Verletzungen haben. Ich glaube, er ist in eine Art Druckwelle geraten. Es ist nur … sehr seltsam, dass er so …«
»Lebendig ist?«, fragte Olivia.
»Vielleicht ist es das«, gab JayDee zu. »Von außen sieht es so aus, als hätte er eine massive Brustverletzung. Das allein würde ausreichen, um …« Er zuckte mit den Schultern. »Aber ich kann es nicht genau sagen, weil ich ihn nicht richtig untersuchen kann.«
»Dann mache das, was du tun kannst«, sagte Olivia mit festem Blick. »Beobachte ihn. Wenn sich herausstellt, dass er eine andere Art von Lebensform ist … gut genug gebaut, um die Salzlösung zu überstehen … dann sollten wir das besser schnell wissen. Also behalte ihn genau im Blick, ja?«
»Auf jeden Fall.« JayDee ging zur Tür.
»Und deine Waffe sollte besser immer geladen sein«, erinnerte sie ihn, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die schwindenden Vorräte und die Ideen für weitere Rationierungen richtete, welche Kathy und Gary – die beide in der vorherigen Welt Buchhalter gewesen waren – vorgestellt hatten.
»Ja«, erwiderte JayDee mit schwerer Stimme und ging hinaus in das kränklich-gelbe Sonnenlicht.
Kapitel 3
Dave und JayDee sahen zu, wie der Junge an einem Tisch in dem Raum, der als Kantine diente, eine kleine Schüssel mit Pferdefleisch verzehrte. Die Mahlzeiten fanden in der Regel gestaffelt statt, um die drei Köche nicht zu überfordern, die ihr Bestes gaben und versuchten, aus dem etwas zu machen, was sie hatten. Alles musste draußen über Holzfeuern gegart und dann hereingebracht werden. Hinter den doppelt verschlossenen Türen zum Lager waren immer weniger Konserven und die Wasserflaschen waren fast gänzlich aufgebraucht. Das Nachmittagslicht fiel durch zwei Fenster, die mit Klebeband verstärkt waren. Ein paar Öllampen und mit Kerzen bestückte Laternen standen auf den Tischen. Der Raum wirkte trostlos, aber trotzig hatte jemand über eine ganze Wand in leuchtendem Rot gemalt: Wir werden überleben. Die Farbe war wild entschlossen aufgetragen worden und in roten Rinnsalen auf den Linoleumboden getropft.
Der Junge aß, als gäbe es kein Morgen. Er hatte einen Pappbecher mit drei Schlucken Wasser erhalten und gesagt bekommen, das sei alles, was er haben könne. Also ging er es langsam an. Der Pferdefleischeintopf jedoch war schnell ausgelöffelt.
»Atme einmal tief ein«, sagte John Douglas.
Ethan, der gerade dabei war, die Schüssel auszulecken, hielt inne und tat, worum der Doktor gebeten hatte.
»Spürst du gar keine Schmerzen in der Lunge?«
»Es fühlt sich ein bisschen angespannt an, wenn ich atme. Genau hier schmerzt es ein wenig«, antwortete Ethan und berührte seine Brust in der Mitte. Dann widmete er sich wieder dem Rest seiner Mahlzeit und versuchte, sich jedes Stück Fleisch einzuverleiben, das seine Finger und seine Zunge finden konnten.
»Der Nacken tut auch weh, nehme ich an.«
»Ein wenig.«
»Ich bin überrascht, dass du nicht schlimmere Schmerzen hast.« Der Doktor rieb sich das Kinn. Im Gegensatz zu den meisten anderen Männern versuchte er, sich so oft wie möglich zu rasieren und verwendete Deospray. In der Welt, die einmal gewesen war, hatte er schon als junger und später auch als älterer Mann Wert auf seine Erscheinung und sein Aussehen gelegt. Es war schwierig geworden, das beizubehalten. Aber er blieb jemand, der Ordnung und Reinlichkeit brauchte, und es verband ihn mit dem Mann, der er einst gewesen war. Es hielt ihn wahrscheinlich auch geistig gesund und stützte seinen Lebenswillen. »Eigentlich«, sagte er, »dürftest du nach einem solchen Trauma kaum laufen können, geschweige denn СКАЧАТЬ