Название: DIE GRENZE
Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783958353060
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»Jemand Neues?«, fragte eine Frauenstimme hinter Gary, der genau wie John Douglas eine Pistole in einem Holster an der Hüfte trug. »Lasst mich einen Blick auf ihn werfen.«
Gary ging beiseite. JayDee ließ Ethan zuerst die Wohnung betreten. Hinter einem Schreibtisch saß eine Frau und hinter ihr an der Wand hing ein großes, expressionistisches Gemälde, auf dem wilde Pferde über ein Feld galoppierten. Die Glasschiebetür, die auf den Balkon führte, wurde offenbar vor allem von kunstvoll verteiltem Klebeband gehalten. Der Balkon wies auf die fernen Berge, die vor kurzem hinter Ethan explodiert waren. Auf dem Boden lag ein karmesinroter Teppich, es gab zwei Stühle, einen Couchtisch und ein braunes Sofa. Alles sah aus wie Zeug aus dem Trödelladen, aber zumindest machte es den Raum gemütlich. Mehr oder weniger. An einer anderen Wand war ein Gestell mit drei Gewehren angebracht, von denen eines ein Zielfernrohr besaß. Ein paar Öllampen waren aufgestellt. Ihre Dochte glommen nur. Eine zweite Frau saß auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch. Auch sie hatte ein Klemmbrett vor sich, in das ein Block gelbes Papier gespannt war. Auf dem Papier standen lange Zahlenreihen. Offenbar fand eine Art Treffen statt, bei dem Zahlen zusammengetragen wurden, und als Ethan sich dem Schreibtisch näherte, hatte er das deutliche Gefühl, dass die Zahlen nichts Gutes bedeuteten.
Beide Frauen standen auf, als wäre er den Respekt wert. Er dachte, vielleicht war er das auch, schließlich hatte er es bis hierhin geschafft, ohne von Gorgonen-Monstern oder Cypher-Soldaten getötet zu werden. Die Frau hinter dem Schreibtisch war die ältere der beiden. Sie trug eine blassblaue Bluse und eine graue Hose, um ihren Hals hing eine Kette aus türkisfarbenen Steinen mit einem silbernen Kruzifix in der Mitte. Sie sagte: »Was haben wir hier?« Ihre dunkelbraunen Augen verengten sich und richteten sich rasch auf JayDee.
»Er ist ein Mensch«, sagte der Doktor und beantwortete ihre unausgesprochene Frage. Aber in seiner Stimme lag noch etwas anderes. Soweit ich das beurteilen kann, war, was Ethan heraushörte. »Es gibt nur ein Problem. Er weiß nicht, wie er …«
»Ich heiße Ethan Gaines«, sagte der Junge, bevor JayDee den Satz beenden konnte.
»… hierhergekommen ist«, fuhr der Doktor fort. Gary hatte die Wohnungstür geschlossen, nachdem auch Dave und Roger hereingekommen waren. Die Geräusche der im Freien Arbeitenden drangen gedämpft herein. »Ethan hat keine Erinnerung daran, woher er kommt oder wo seine Eltern sind. Er ist … sagen wir so … ein Geheimnis.«
»Hannah hat ihn durch ihr Fernglas gesehen«, sagte Dave. Seine Stimme war weniger rau, aber immer noch voller Ecken und Kanten. Er setzte seine Baseballmütze ab. Braune Haare kamen zum Vorschein, die an mehreren Stellen zu Berge standen und graue Strähnen aufwiesen, vor allem an den Schläfen. »Ich hatte mich entschieden, ihm zu folgen. Hatte keine Zeit, es mit dir oder irgendjemand anderem zu besprechen.«
»Mutig oder verrückt, was von beiden ist es?«, fragte die Frau hinter dem Schreibtisch. Sie klang verärgert, als schätzte sie sein Leben mehr als einen wilden Ausritt auf ein Schlachtfeld. Ihr Blick wanderte wieder zu dem Jungen. »Ethan«, sagte sie. »Ich bin Olivia Quintero. Ich nehme an, ich bin hier die Anführerin. Zumindest sagen die anderen das. Ich schätze, ich sollte dich begrüßen. Also, willkommen in Panther Ridge.«
Ethan nickte. Er dachte bei sich, dass es sicher unzählige Orte gab, an denen es schlimmer war als hier. Zum Beispiel überall außerhalb dieser Mauern. Er betrachtete Olivia Quintero, die ein beruhigendes Selbstvertrauen und starke Willenskraft ausstrahlte. Er vermutete, dass sie deshalb hier die Anführerin war. Sie war eine großgewachsene Frau, sehr schlank, und wahrscheinlich hatte sie der Mangel noch schlanker gemacht. Aber ihre Körperspannung verriet, dass sie hart im Nehmen war. Ihr Gesicht war ruhig und gelassen, mit einer hohen Stirn und kurzen weißen Haaren. Ethan schätzte, dass sie vielleicht Mitte fünfzig war. Ihre Haut war durch ihr hispanisches Erbe leicht dunkel, über ihre Stirn zogen sich lange Linien, und von ihren Augenwinkeln gingen tiefe Falten aus. Aber im Übrigen hatte sie die Straßen und Reisen ihres Lebens gut überstanden. Sie sah so aus, wie sie vermutlich auch ausgesehen hatte, bevor all das geschehen war: Wie eine Schulleiterin, aber eine, die in ihren jungen Jahren selbst einiges angestellt und erlebt hatte und dich möglicherweise vom Haken ließ, wenn du ehrlich warst und dich anständig erklären konntest. Wer weiß, vielleicht war sie die Direktorin der Ethan-Gaines-Highschool gewesen? Oder eine Geschäftsfrau. Eine Frau, die vielleicht aus einer armen Familie stammte und ein Vermögen mit dem Verkauf von Immobilien verdient hatte, mit der Art von Häusern, die früher wie kleine Schlösser ausgesehen hatten, bevor es einen Bedarf an Festungen gab. Woher er das über die kleinen Schlösser wusste, blieb ihm unklar. Er hatte keine bewusste Erinnerung daran, also ließ er den Gedanken fallen, denn es war kein Tageslicht in Sicht, das seine Nacht durchbrechen würde.
Er spürte, wie sie ihn ebenfalls aufmerksam musterte. Sie sah ihn als einen schlammverschmierten Jungen von etwa vierzehn oder fünfzehn Jahren mit widerspenstigem braunen Haar, das ihm über die Stirn und fast in die Augen hing, Augen mit der hellblauen Farbe des frühen Morgenhimmels auf der Ranch, die sie und ihr verstorbener Ehemann Vincent etwa zwanzig Meilen östlich von hier bewohnt hatten. Damals, als die Welt noch nicht wahnsinnig geworden war. Ihr fielen Ethans scharf geschnittene Nase und das prägnante Kinn auf, dazu der ebenso scharfe, fast stechende Ausdruck in seinen Augen. Er schien ihr ein intelligenter Junge zu sein, der unter einem sehr glücklichen Stern geboren war. Denn er hatte überlebt, trotz allem, was er dort draußen durchgemacht haben musste. Oder … tal vez no tan afortunado – vielleicht gehörte er auch zu den Unglücklichen, denn es mochte so sein, dass die Glücklichen alle frühzeitig gestorben waren, zusammen mit ihren Lieben und ihren Erinnerungen an die Erde, wie sie einst gewesen war.
Allzu viel darüber nachzudenken war der dunkle Weg in die Hölle, und bei Gott, nur eines war sicher: Alle Überlebenden hier hatten in Hülle und Fülle gelitten, und es stand ihnen noch mehr Leid bevor. Die Selbstmorde nahmen zu. Es gab keine Möglichkeit, jemanden aufzuhalten, der diese Welt verlassen wollte, bei so vielen Waffen um sie herum …
Der Verlust der Hoffnung war das Schlimmste, das wusste Olivia. Also durfte niemand erfahren, wie nahe sie davor war, eine Waffe zu nehmen, sie mitten in der Nacht an ihren Kopf zu halten und ihrem Mann zu folgen, der ganz sicher an einem besseren Ort war.
Aber Panther Ridge brauchte einen Anführer, jemanden, der weitermachte, die Dinge organisierte und Morgen ist ein neuer Tag sagte, jemanden, der niemals Angst und Hoffnungslosigkeit zeigte. Und sie war dieser jemand, obwohl sie sich tief in ihrer Seele fragte, wie lange sie es noch sein konnte und ob das Ganze überhaupt Sinn ergab.
»Habt ihr schon einmal jemanden getötet?«, fragte Ethan sie plötzlich.
»Wie bitte?«, antwortete sie, etwas überrascht von der Frage.
»In dem Raum, in dem ich gewesen bin, habt ihr da schon einmal jemanden getötet?«, fuhr Ethan fort. »Ich habe an den Wänden Kratzspuren und Einschusslöcher gesehen. Und etwas, das aussah wie Blutflecken. Als wären dort Menschen hineingebracht und getötet worden.«
Dave trat näher und stellte sich zwischen Ethan und Olivia. »Ja, wir haben da drin einige Kreaturen getötet. Vielleicht waren sie einmal Menschen gewesen, aber ganz sicher waren sie keine mehr, als wir sie getötet haben. Wir mussten es tun. Dann haben wir das Blut so gut wir konnten weggeschrubbt. Weißt du nicht, was los ist?«
»Ich weiß von den Gorgonen und den Cypher. Ich weiß, dass sie Krieg führen. Die Welt auseinanderreißen. An mehr kann ich mich nicht erinnern.«
»Und du weißt nicht, woher du das weißt?«, fragte Olivia. »Gar keine Erinnerung?«
»Nichts«, СКАЧАТЬ