Название: Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien
Автор: Alexander von Ungern-Sternberg
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
isbn: 9788027237890
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Sophie unterbrach den Diskurs, indem sie ihren Bräutigam zu einem Spaziergange aufforderte, Ottfried gesellte sich mit dem Pastor zum Baron, und Eduard eilte, von der vertrauten Zofe gerufen, hinauf in Magdalenens Zimmer, wo die Geliebte ihn bereits einige Zeit erwartet hatte. Sie kam ihm mit einem bezaubernden Lächeln entgegen, in ihrer Hand schwebte ein Papier, welches sie auf einen der Tische niederlegte und den Jüngling zu sich aufs Sofa zog. »Schelten Sie nicht, teurer Eduard,« lispelte sie, »wenn ich jetzt eile, meine schwärmenden Träume in Wirklichkeit zu verwandeln; die Zeit ist reif für unsere Pläne, es könnte leicht ein günstiger Augenblick versäumt werden; entschließen Sie sich, mein Freund, dieses Papier hier dem General Erlfeld, der sich jetzt gerade in der Residenz befindet, zu überbringen; erforschen Sie dessen Inhalt nicht, ersparen Sie mir ein Erröten, wenn Sie erführen, wie kindisch besorgt um Ihr Wohl die zaghafte Seele Ihrer Magdalena ist. Versprechen Sie mir, die Bogen nicht zu entfalten, bei unsrer Liebe, bei diesem Kruzifix versprechen Sie mir das.« – »Magdalena,« erwiderte Eduard, »Sie wissen ja, daß Ihr Wunsch ein Befehl ist, wozu also noch ein Gelöbnis, ich reise, und wann darf ich wiederkommen?« Das Fräulein sank mit einem Kuß an die Wange des Jünglings, sie schien ganz Zärtlichkeit und Rührung, und eine Pause verging, ehe sie sich fassen konnte. »Wir müssen uns trennen, auf wenige Tage, Freund meiner Seele!« hauchte sie in schmachtenden Tönen, »das erste Wort, welches Sie mit meinem Verwandten, dem General Erlfeld, sprechen werden, wird Sie überzeugen, daß ich ein paar schmerzliche Tage ihre Gegenwart entbehren muß, doch verspreche ich Ihnen, Sie hier zu erwarten.« Eduard erfaßte ihre Hand, und seine in weiche Stimmung sich ergießende Seele gab ihm die süßesten, schmeichelndsten Worte des Danks und der Zärtlichkeit ein; Magdalena erwiderte seine Liebkosungen, doch war in ihrem Wesen heute mehr, wie jemals, die Befangenheit zu spüren, die störend auf den Geliebten zurückwirkte; er blickte manchmal wie fragend ins große blaue Auge, wie zu einem rätselhaften Stern hinauf. Als die Abschiedstunde schlug, zog er, von wunderlichen Träumen getrieben, die zarte schöne Gestalt mit sich ans offene Fenster, vor dem die ganze Landschaft sich im Mondenglanz verklärend ausbreitete. »Mädchen meiner Liebe,« rief er mit Ernst und doch mit schmerzlichem Lächeln, »wisse, daß, wenn Du mich täuschtest, mein Leben ein verlorenes wäre; nur einmal vermag es der Mensch, mit voller, jugendlicher Kraft und Zuversicht den Glauben zu erfassen, irrt ihn da ein Trugbild, so sinkt er auf ewig in Ohnmacht dahin!« – »Eduard!« rief Magdalena, und sah den Jüngling mit befremdetem, fast zürnendem Blicke an; »es ist nichts,« rief dieser, und warf sich, wie in Reue vergehend, an ihre Brust, dann stürzte er fort.
Beim Herausgehen traf er in den unrechten Korridor, als er ihn hinabeilte, sah er bei ungewissem Lichte eine Gestalt ihm entgegen kommen, er hielt Stand und ließ sie an sich heran, denn er meinte, es sei Ottfried; doch als die wandelnde Figur gerade den Streifen des Mondlichts durchschnitt, sah er eine fremde seltsame Kleidung, die keinem Bewohner der heutigen Welt anzugehören schien. Eduard kannte keine Furcht; er trat beherzt näher, da glitt die Gestalt rasch an der Mauer hin, und dem Bestürzten war es, als blickten aus der Mantelumhüllung die Züge des Herzogs ihn an. Als er sich von seinem Befremden ermannte, war der nächtliche Wandler schon in der Tiefe des Ganges verschwunden.
Von den Furien eines fürchterlichen Argwohns erfaßt, konnte der arme Jüngling nicht lange in der dumpfen Stille seines Zimmers ausdauern; Ottfrieds Winke, die Erzählungen Augusts vom Gespenste, die plötzliche Abreise der Fürstin, Magdalenens seltsames Betragen, Alles schien auf eine finstere, entsetzliche Katastrophe hinzuarbeiten; der Unglückliche entschloß sich, die gegenwärtige Stunde zur Entscheidung zu rufen. Mit einem Gefühl, das ihm das Herz zusammenschnürte, stieg er leise den wohlbekannten Gang hinauf ins Schloß, und nach wenigen Augenblicken stand er vor der geheimen Tapetentür, durch die er stets in den Tempel seines Glücks eingeschritten war. Noch einen Moment zögerte er, sie zu öffnen, da glaubte er deutlich eine fremde Stimme im Gemach zu vernehmen, von einem Tritt seines Fußes flog die Wand zurück, und – der Herzog ward sichtbar, der sich aus den Armen des Fräuleins loswand. –
Der Sommer war dahingegangen, der Herbst streute seine falben Blätter in Garten und Flur, da hielt ein zierlicher Reisewagen vor dem Schlosse des Freiherrn, und Massiello zeigte sich darin, der gekommen war, den aus einer schweren Krankheit kaum genesenen Eduard zurück in die Residenz, zu seinen Freunden zu bringen. Man traf alle Anstalten, die blasse, zusammengesunkene Gestalt des sonst so blühenden jungen Mannes mit aller ersinnlichen Schonung und Sorgfalt zu hüten. August wollte sich von seinem Freunde durchaus nicht trennen, und bat sich darum einen Sitz im Wagen aus, den der Musiker auch mit Vergnügen ihm einräumte; der alte Baron und Ottfried vergossen Tränen, als sie den liebgewonnenen, unglücklichen Jüngling von ihren Fluren scheiden sahen, die nunmehr gänzlich verwaiset blieben, da einige Zeit vorher der Journalist und seine junge Frau sie auch verlassen hatten, um in die Schweiz zu ziehen. Fräulein Magdalena und ihre Tante waren aus der Gegend verschwunden, man wußte nicht wohin.
Massiellos Plan mit seinem leidenden Freunde war, diesen der Residenz und allen jenen Plätzen, die alte schmerzhafte Erinnerungen wecken könnten, vorbeizuführen, und die Waldeinsamkeit aufzusuchen, wohin der Abt sich zurückgezogen hatte. Die Verwirrung in der Residenz, der Umsturz bestehender Verhältnisse, ja sogar der Wechsel der Regierung, indem es nunmehr bestimmt ausgemacht war, daß Fürst Lothar den Thron verließ, hatten den Musiker und seinen Freund von der Ausführung ihres Reiseplans bis jetzt zurückgehalten, dafür sollte er jedoch nun, da sich die Aussicht zeigte, Eduarden zum Reisegesellschafter zu haben, die ernstlichsten Anstalten zum Aufbruch getroffen werden.
Es war Mittag, als das bestimmte Wäldchen erreicht wurde. Massiello gab an, in welcher Richtung man es durchschneiden müsse. – Der Tag war ungewöhnlich heiß, erst als man tiefer in Schatten hineingeriet, wehte eine angenehme Kühlung, vermischt mit dem würzigen Dufte des Waldharzes, den Fahrenden entgegen; hier und da fielen einzelne Sonnenstrahlen durch die grüne Nacht, und spielten im Smaragdlichte auf dem Boden, Vögel flogen mit lachendem Gezwitscher über den Weg, die Rosse zogen den leichten Wagen wie im Spiel die Krümmungen des harten Waldweges fort. Jetzt hielt der Kutscher, und die Freunde stiegen aus, um auf einem Fußwege tiefer ins Dickicht zu dringen. Man vernahm rollende Passagen auf dem Fortepiano, und zugleich ward die Einsiedlerhütte bemerkbar, deren Türe offen stand. Oben an der Hütte war ein purpurglänzender Papagei in seinem Goldringe aufgehängt, unten spielten im Sonnenstrahl zwei weiße Kaninchen. Der Abt saß in einem braunen herabfließenden Gewande, mit dem Rücken gegen den Eingang, am Instrumente, und spielte eine Sonate von Beethoven. Als er den Ankommenden entgegentrat, bemerkten die Freunde, daß er sich hatte einen Bart wachsen lassen, der seinem Gesichte nicht übel stand. »Carissimo padre!« rief Massiello, und schloß sich in die Arme des Erfreuten, indem er einige flüchtige Küsse auf den neuangeschossenen Bart drückte, »wie geht's? welches Befinden?« er trat gleich darauf ans Klavier, und spielte die fehlenden Bögen der Sonate vollends ab, indes der Abt Eduard und seinen jungen Freund herzlich begrüßte. »Gewiß,« sagte er zu dem erstern, »wird dieser kühle Waldschatten sich wie eine liebe Vergessenheit auf Ihren Busen legen, und dem empörten Blute Milde lehren – und dann tun Reisen, Posthäuser, italienische Villen und neue Liebesbekanntschaften das Übrige.« Eduard äußerte, daß er, seinem Schwure getreu, Dienste suchen wolle, und daß der Militärstand stets für ihn etwas Anziehendes gehabt habe. August jubelte über diesen Ausspruch und meinte, in dem Falle wolle auch er ein Bajonett an seine Flinte schrauben lassen. Man machte einen kleinen Spaziergang in den Wald hinein, indes der Abt Einrichtungen treffen ließ, um seinen Gästen eine anständige Mahlzeit und ein gutes Nachtlager anbieten zu können. Eduard, der den andern etwas vorausgeeilt war, betrat nicht sobald die Landstraße, als er einen Wagen heranrollen sah, in dem ein Offizier und eine junge Dame saßen; sie waren so eifrig im Gespräch begriffen, daß sie den einsamen Wanderer nicht bemerkten, er aber erkannte ihre Physiognomien wohl: es war Robert und die Gräfin Eva. Massiello lief ihnen nach, indem er schrie und mit dem Tuch winkte, doch schon war der Wagen um die Ecke gebogen und verschwunden. »Da eilen Sie nun hin!« rief der Atemlose, »ihr Bestreben ist, uns in der Stadt aufzusuchen, um Abschied zu nehmen, und jetzt hören die zerstreuten Leute auf kein СКАЧАТЬ