Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg
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Читать онлайн книгу Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien - Alexander von Ungern-Sternberg страница 16

СКАЧАТЬ mit Mühe entrissen habe, und Undank ist stets mein Lohn gewesen. So gefährlich, mein Freund, sind die glänzenden Eigenschaften, die unser Auge bestechen und das Herz zugleich einer schmerzlichen Enttäuschung entgegen führen. Hier lesen Sie einen Zettel, in dem er beiläufig auch sein Urteil über Sie ausgesprochen hat.«

      Eduard empfing das Papier und steckte es zerstreut zu sich; er war durch all das Gehörte und Gesehene so befangen gemacht, daß ihm kaum Achtsamkeit genug übrig blieb, um die Baronesse und das Fräulein, die eben eintraten, zu begrüßen. Der Fürst ging auf die Eintretenden zu und beugte sich über Magdalenens Hand, diese lispelte aber: »Keinen Kuß, Prinz, Sie wissen, daß ich solches nicht liebe, ein Händedruck genügt mir, wovon Sie schon heute in –« »Sie schauen in meine Seele, wunderbares Mädchen,« sagte der Fürst leise, »brauche ich noch zu antworten?« – Das Fräulein schüttelte wie zürnend das Haupt, dann weilten aber ihre großen blauen Augen fragend auf dem Jüngling, der, immer noch heftige Röte im Gesicht, stumm vor sich hinsah. Der Fürst faßte ihn an der Hand und stellte ihn nochmals den beiden Damen vor; es wurden einige gleichgültige Worte gewechselt, und Eduard fühlte sich wieder leicht, als er, die Treppe herabsteigend, die Gasse betrat. Sein Busen war zu voll, er mußte die Einsamkeit suchen, um mit der Welt zu grollen. Vor allen war ihm der Fürst ordentlich recht verhaßt. Kann man, rief er bei sich, wohl den Glauben und die Erkenntnis wie eine Schlafmütze über die Ohren ziehen, wenn einem der durch Jugendsünden nackt gewordene Scheitel zu frieren anfängt? Fratze über Fratze! Und was soll der Vorwurf rücksichtlich Emiliens – hat sie über mich geklagt oder hat es der Vater getan? Wie schwächlich und elend, wie kleinbürgerlich und alttugendhaft; will man mich durch Ruthen an die Schulbank zurückzwängen? Freiheit und Selbstständigkeit sind die atemholenden Lungen des geistigen Lebens, soll ich mit Schwindsüchtigen umgehen, um selbst schwindsüchtig zu werden?

      Aus diesen Gedanken schreckte ihn plötzlich ein Gelächter, das neben ihm erscholl; er hörte, daß über seinen Regenschirm gespottet wurde, und eine Stimme rief: »Geben Sie Acht, wenn diese tropfende Glockenhaube sich hebt, so schaut gewiß das sehr ehrwürdige Antlitz des Vikar von Wakefield uns entgegen.« Eduard glaubte die Stimme zu erkennen, hob seinen allerdings etwas baufälligen Schirm, und erblickte an dem halbgeöffneten Fensterchen die Gräfin Eva mit Jokonden. Über die beiden Mädchen sah Massiellos lächelndes Antlitz hervor. »O, ein guter Freund!« riefen jetzt die drei Stimmen, und Eduard mußte sich selbst fragen, wie er denn an das einsame Fischerhäuschen gekommen sei. Träumerisch, wie er den ganzen Weg gemacht, kehrte er auch jetzt ein, und wurde von den Dreien mit herzlichem Jubel empfangen. Jokonde war schöner wie jemals, das Gefühl ihrer verlassenen Lage warf über ihre kindische Heiterkeit einen leichten Schleier von Melancholie, der die Seele ersetzte, und sie unendlich liebenswürdig kleidete. Beide Freundinnen hatten auf Anstiften Evas sich streng bereitete Fastenspeisen zurichten lassen; für die Ungläubigen oder Schwergläubigen stand ein zweites Tischchen bereit mit leckern Speisen von allerlei Art, und Massiello hatte schon Platz daran genommen und bereits einige Flaschen entsiegelt. Wegen Eduard entstand der Streit, zu welchem Tisch er gehöre. Die Mädchen wollten ihn durchaus auf ihrer Seite und auf Seite der Religion haben, Massiello zeigte dagegen nur auf die Flaschen und öffnete mit kluger Weltlockung die Schüssel mit einer dampfenden Pastete. Jokonde stand auf, und präsentierte in unendlich anmutiger Haltung als Herodias den Kopf ihres ungewöhnlich großen Fastenhechts, Gräfin Eva versicherte aber vollen Ernstes, daß hier durchaus nicht zu spaßen sei, und sie wolle Eduarden nimmermehr freundlich ansehen, wenn er zu der Pastete überliefe. Dieses entschied und der Jüngling wurde von den mutwilligen Mädchen im Triumph zu der Fischtafel gebracht. In dem Augenblicke ging die Türe leise auf und ein volles rotes Gesicht ward hineingesteckt. »Aha, ha! ha! schrieen alle, Signore Abbato, carissimo padre – bona seria, bona seria!« – Der Abt war jetzt mit einer geschwinden Bewegung im Gemach, und seine Lippen ruhten zu gleicher Zeit auf beiden zarten Händchen der Mädchen. Drei schimmernde Astrallampen wurden hereingebracht, und die kleine Gesellschaft trieb sich in glänzender Helle unter Küssen und Lachen bunt durcheinander. Den Abt gaben beide Mädchen sogleich für die Sache der Religion verloren, er erhielt einen Stuhl neben Massiello, und Eva versicherte ihm, daß er zu ihrem Vereine eben so wenig gehöre, wie ein gebratener Kapaunflügel in ein Bouquet weißer Rosen. – Massiello hatte den Kapaunflügel gefaßt und ihn drohend erhoben, ein Teil des Tischtuches floß über seine Gestalt wie ein Mantel nieder, indem er den Stuhl bestiegen hatte und mit donnernder Stimme seine Fastenpredigt anhub: »O ihr Gottlosen, ist's nicht genug, daß eure Passionszeit dauert, so lange ihr jung und hübsch seid, wollt ihr nicht zuweilen im Alter noch Passionen haben, die Niemand erwidern kann? Wohl nehmt ihr euer Kreuz auf euch und schleppt es, aber nur, wenn es modern gefaßt ist, à quatre couleurs, und wenn es schwer von Gold ist. O Himmel – noch heutzutage laßt ihr euch steinigen, aber nur mit ächten, nicht mit böhmischen Steinen. Vigilien und Nachtwachen zu halten, ist euch was Leichtes, nämlich wenn die Gesellschaft gut, der Tanz lebhaft, das Soupé auserlesen, und der Punsch nur einigermaßen erträglich ist. Noch heute kleidet ihr die Nackenden, nämlich wenn diese schön gewachsen sind, und wer anklopfet, dem taut ihr auf, wenn es nur nicht der Ehemann ist!«

      Der Abt lachte laut und schallend, Jokonde aber ergriff die Rose, die dem gekochten Hechtkopf im Munde steckte und warf sie über beide Tische herüber in Massiellos blitzende Augen, indes Eva ihr Haupt andächtig über die gefalteten Hände hinabneigte, und unter den überstürzenden schwarzen Locken hervorseufzte: »Pax nobiscum Domine.« Der Abt trug eine ganze Schüssel von Zuckerwerk zum Pianoforte, um unter dem Spielen zu naschen und unter dem Naschen zu spielen, indem er behauptete, die kränkliche Süßigkeit der Töne könne nur durch die gesunde der Kuchen aufgehoben werden. Eduards Seele trieb und blühte in einem fieberischen Ungestüm, er glaubte die Schätze der Jugend und Lust nicht teuer genug von der gegenwärtigen Minute kaufen zu müssen; die beiden Mädchen nahmen ihn in ihrer Mitte auf, und um ihn, über ihn schlangen sich die Blumenketten ihrer Scherze und Küsse, flogen die glänzenden Feuerbälle des Muthwillens, stöberten die kalten, spitzen Flocken der Neckerei, und auf seinen offenen Busen fielen und brannten die langen glühenden Balsamtropfen der Sehnsucht. Er fühlte sich durch und durch krank, doch wie ein fallendes Herbstblatt, nur um desto glänzender gefärbt. Jokonde sagte ihm tausend hübsche Dinge über seine Augen, und er ihr seltsam verworrene Ansichten über Weiber und Leben, die sie belachte, weil sie sie nicht verstand. Der Abt spielte die Ouvertüre aus dem Don Juan, zwischendurch tönten die Klagen Elvirens, die Drohungen Don Antonios, – die ganze antike Schmerzensfülle der Anna, über alle herüber warf ein jäh auffahrender Glanz seine Strahlenkronen, Don Juan tändelte, Leporello machte seine Possen; dann drohten einzelne Laute und zuckten wie mattlaufende Blitze am Horizont nieder, der Donner rollte ihnen nach und es erklang die Stimme des ersten Mahners aus der Tiefe; wilde gellend atheistische Töne flatterten ihm entgegen und fielen zerquetscht an der marmornen Brust nieder, ein roter breiter Glanz schloß Himmel und Hölle plötzlich. Eduard und Jokonde verständigten sich über die Göttlichkeit des Gedichts durch einen Kuß. Massiello war beschäftigt, einem jungen Mädchen, das erschienen war und sich stumm in eine Ecke drückte, einige Rede abzugewinnen. Die Gräfin Eva sprang auf und rief: »Ah, da ist meine Aimée; hier, meine Herrn, stelle ich Ihnen meine Nichte vor, nicht wahr, ein nicht ganz übles Geschöpf?« Sie fuhr dem Mädchen, das immer stärker errötete, unters Kinn und hob den Lockenkopf; der Abt und Eduard sagten einige Artigkeiten, Massiello rang nach einem Kuß hinter dem Rücken der Gräfin, und versicherte, die vollen weichen Lippen, die frischen Zähne seien unendlich reizend, vor allen aber dieser wilde finstere Unwillen, der aus den Augen spräche, der rote Zorn, der die gewölbte Wange färbe. Man entschloß sich, eine vollständige Musik aufzuführen, die Gräfin ließ; sich ihre Harfe geben, Massiello stimmte, Notenblätter wurden hin- und hergeschleppt, der Abt zankte und die Dienerinnen hatten vollauf zu tun, die Reste der Mahlzeit hinwegzuschaffen, und statt deren Blumen und Früchte auf die Tische zu setzen. Unser Freund zog Jokonden sanft bittend nach sich, und die Gefällige entschloß sich, ihm zu einem Bildchen zu sitzen, das er schon lange angefangen, und das das reizende Mädchen als Cleopatra darstellte, mit der Schlange an der Brust. Die Idee war vom Herzog ausgegangen, doch hatte dieser sich weiter nicht um die Ausführung bekümmert, und jetzt wäre ihm der ganze Gedanke wahrscheinlich verwerflich vorgekommen. Ein Kabinett wurde ausgewählt, die Lampe zurechtgeschoben, Jokonde hatte mit Hülfe von ein paar Tüchern eine graziöse СКАЧАТЬ