Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ noch eine Fla­sche Schnaps zum Trost in der Ta­sche hat­te! Aber wie, wenn mich nun auch der Schnaps ver­ließ?

      »Also kom­men Sie end­lich!«, sag­te der Wacht­meis­ter und zog am Kett­chen.

      Ich folg­te ihm wort­los. Der Gen­darm setz­te sich auf sein Rad und ra­del­te, für einen Rad­ler lang­sam, für einen Fuß­gän­ger reich­lich schnell, los. Ich trab­te ne­ben­her. Im Ge­fäng­nis des großen Nach­bar­dor­fes, in dem­sel­ben Ort, an dem ich mit der Bahn am Abend vor­her ein­ge­trof­fen war, lie­fer­te er mich ein.

      25

      Ich habe mein Bett un­ter das klei­ne Fens­ter ge­rückt und mich dann an den ei­ser­nen Git­ter­stä­ben hoch­ge­zo­gen. Ich sehe in ein fried­lich be­sonn­tes Land mit Wie­sen, Äckern, wei­den­dem Vieh und Wald­strei­fen am Ho­ri­zont. Di­rekt un­ter mir liegt ein mit Lat­ten ein­ge­frie­de­ter Ge­mü­se­gar­ten, ein al­ter Mann geht einen Weg ent­lang und pflückt Grü­nes für Zie­gen und Kar­ni­ckel in einen Sack. Er kann ge­hen, wo­hin er will – und ich, ich bin jetzt ge­fan­gen! Ges­tern ge­hör­te mir das noch al­les, ich konn­te aus mei­nem Le­ben ma­chen, was ich woll­te, heu­te hal­ten an­de­re mein Le­ben in ih­rer Hand, und ich muss war­ten, wie sie über mich be­schlie­ßen.

      Ich las­se mich auf mein Bett fal­len. Mir ist sehr schlecht, mein Kopf schmerzt – die Wir­kung der paar Schlu­cke eben ist schon wie­der ver­gan­gen. Ich habe Durst – aber wann wer­de ich die­sen Durst wie­der stil­len kön­nen? ›Heu­te schon‹, sage ich mir be­ru­hi­gend, ›be­stimmt heu­te schon! Heu­te noch las­sen sie dich wie­der frei. Sie ha­ben dir bloß einen Schreck ein­ja­gen wol­len, so­was macht man, man steckt Be­trun­ke­ne für eine Nacht in eine Zel­le, da­mit sie ih­ren Rausch aus­schla­fen und sich er­nüch­tern, dann lässt man sie wie­der frei. So ma­chen sie’s nun auch mit dir.‹

      Ich will nicht mit ih­nen grol­len, schließ­lich han­deln sie ganz rich­tig. Ich habe mich wirk­lich zu sehr ge­hen­las­sen in dem Land­g­ast­hof, die­ser Denk­zet­tel, die­ser Schreck­schuss ist mir ganz gut. Aber gleich wird der Schlüs­sel im Schloss klir­ren, der net­te Wacht­meis­ter aus der Nacht kommt her­ein und fragt la­chend: »Na, gut ge­schla­fen, Herr Som­mer? Dann ma­chen Sie, dass Sie hier weg­kom­men – und sün­di­gen Sie hin­fort nicht mehr!«

      Und ich gehe in die Frei­heit, in je­nen fri­schen, grü­nen, son­ni­gen Mor­gen hin­aus, an dem ein al­ter Mann an al­len Stra­ßen­rän­dern, wo er nur mag, Grün­fut­ter in einen Sack sam­melt. Ich bin wie­der frei. Wäre es wirk­lich ein erns­ter Fall ge­we­sen, hät­te mir dann der Wacht­meis­ter den Schnaps mit in die Zel­le ge­ge­ben?

      So be­ru­hi­ge ich mich, und wenn sich ein Ge­dan­ke an jene nächt­li­che Sze­ne mit Mag­da bei mir ein­schlei­chen will, so wei­se ich ihn ener­gisch zu­rück. Mag­da ist mei­ne Frau, trotz al­ler Dif­fe­ren­zen in letz­ter Zeit, wir ha­ben so lan­ge zu­sam­men­ge­hal­ten, sie wird mir ver­zei­hen, sie hat mir schon ver­zie­hen. Sie ver­steht, dass ich krank war. Aber die­ser Schreck­schuss hier hat mich er­nüch­tert, nie wie­der wer­de ich trin­ken, kei­nen Trop­fen mehr.

      Ich sprin­ge auf und gehe in der Zel­le hin und her. Nein, ich will jetzt ehr­lich sein, ich will mir nicht wie­der et­was vor­lü­gen: Ich kann, wenn ich nach­her ent­las­sen wer­de, nicht gleich auf einen Schlag mit Trin­ken auf­hö­ren; schon jetzt quält mich der Durst schänd­lich. Es ist wie ein rei­ßen­des Ver­lan­gen in mei­nem Kör­per, eine Gier, die einen tö­ten zu wol­len scheint, wenn sie nicht be­frie­digt wird. Mei­ne Glie­der zit­tern, ein Schweiß­aus­bruch folgt auf den an­de­ren, der Ma­gen ist in Aufruhr.

      Plötz­lich fällt mir ein, dass ich bei mei­nem Auf­bruch aus dem Land­g­ast­hof wohl eine gan­ze Fla­sche Kirsch be­zahlt habe, dass sie aber, nur zur Hälf­te leer ge­trun­ken, auf dem Tisch ste­hen blieb. Ich hät­te den Wacht­meis­ter bit­ten sol­len, sie noch leer trin­ken zu dür­fen. Er hät­te es mir er­laubt, dann hät­te ich mehr Al­ko­hol im Lei­be ge­habt, dann hät­te ich jetzt nicht die­se schreck­li­chen Be­schwer­den!

      Also, ich will von jetzt an ehr­lich sein: Ich kann dem Al­ko­hol nicht so­fort ganz ab­schwö­ren, aber ich wer­de von nun an sehr mä­ßig trin­ken, viel­leicht nur eine hal­be Fla­sche pro Tag oder gar nur ein Drit­tel. Mit ei­nem Drit­tel wür­de ich schon aus­kom­men. Jetzt wür­de mich schon ein ein­zi­ger klei­ner Schnaps glück­lich ma­chen, ein win­zi­ges Stäng­chen, kaum ein Mund­voll Schnaps, in die­sem Zu­stand, in dem ich jetzt bin.

      Wenn ich jetzt gleich ent­las­sen wer­de, wer­de ich mir hier im Ort so ein Stäng­chen leis­ten, ein ein­zi­ges nur, und dann wer­de ich zu Fuß nach Hau­se ge­hen und nichts mehr trin­ken. Ich habe kein Geld mehr bei mir, aber ich habe mei­nen bläu­li­chen Früh­jahrs­man­tel an, den wer­de ich dem Wirt zum Pfand dalas­sen. Er wird mir dar­auf eine Fla­sche Korn ge­ben, viel­leicht so­gar zwei, dann bin ich wie­der für drei, vier Tage aus­ge­rüs­tet. Für drei Tage je­den­falls be­stimmt! Und in drei Ta­gen habe ich Mag­da rum, ich wer­de sehr lie­be­voll und freund­lich mit ihr sein, dann be­kom­me ich wie­der Geld von ihr …

      Ei­nen Au­gen­blick schlie­ße ich die Au­gen: Ich habe eben an die fünf­tau­send Mark ge­dacht, die ich ges­tern um die­se Zeit von der Bank ab­hob. Es muss ein schwe­rer Schlag für das Ge­schäft ge­we­sen sein, es wird viel­leicht doch nicht ganz ein­fach sein, Mag­da zu ver­söh­nen … Aber, be­ru­hi­ge ich mich rasch, ich wer­de eine Hy­po­thek auf un­se­re Vil­la ein­tra­gen las­sen, sie ist bis­her schul­den­frei; fünf­tau­send Mark be­kom­me ich auf die Vil­la be­stimmt. Dann ist Mag­da ver­söhnt. Und na­tür­lich wer­de ich Po­la­kow­ski nicht un­ge­straft sei­nen Raub ge­nie­ßen las­sen. Ich wer­de heu­te noch zu ihm hin­ge­hen, mei­ne Sa­chen und das Sil­ber und mei­ne Gold­sa­chen muss er min­des­tens wie­der her­aus­rücken, dann will ich ihm zwei­tau­send Mark von dem Geld las­sen. Und geht er dar­auf nicht ein, wer­de ich ihn an­zei­gen, dann wan­dert der gute, sanf­te, heuch­le­ri­sche Po­la­kow­ski statt mei­ner ins Ge­fäng­nis.

      So ge­hen mei­ne Ge­dan­ken, im Gan­zen sind sie – trotz ge­le­gent­li­cher be­klom­me­ner Er­wä­gun­gen – op­ti­mis­tisch. Ich wer­de schon durch­kom­men, schließ­lich bin ich ein an­ge­se­he­ner Bür­ger; man wird sich hü­ten, mich hart an­zu­fas­sen!

      Da­zwi­schen star­re ich halb ge­dan­ken­los die In­schrif­ten in der Zel­le an. Man­che sind mit Blei­stift an die Wän­de ge­schrie­ben, an­de­re mit ei­nem Na­gel in den Kalk ge­kratzt. Meist steht oben­an ein Name, und dar­un­ter dann zwei Da­ten, das der Ein­lie­fe­rung und das der Ent­las­sung. Es be­ru­higt mich sehr, dass all die­se Da­ten so dicht bei­ein­an­der­lie­gen, der Mann, der nach den In­schrif­ten am längs­ten hier in der Zel­le ge­ses­sen hat, war zehn Tage hier. Auch ein Be­weis wie­der, dass man nichts Schlim­mes mit mir vor­hat. Zehn Tage – nun, für mich kom­men auch zehn Tage nicht in­fra­ge, ich hiel­te sie nie aus bei mei­nem wil­den Al­ko­hol­hun­ger! Aber ich, ich wer­de ja auch in ein paar Mi­nu­ten ent­las­sen!

      Und dann, wie ist es mit dem Früh­stück? Auch Ge­fan­ge­ne müs­sen ein Früh­stück be­kom­men, ver­mut­lich Was­ser und tro­cken Brot, aber im­mer­hin ein Früh­stück. Es ist jetzt min­des­tens halb zehn Uhr, nach dem Son­nen­stand zu ur­tei­len, und mir hat man noch kein Früh­stück ge­bracht! СКАЧАТЬ