Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Читать онлайн книгу Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans Fallada страница 216

Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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      Er führ­te mich einen Gang ent­lang, durch ein Ei­sen­git­ter hin­durch, eine Trep­pe hin­auf, durch eine ei­ser­ne Tür. Ich sah einen lan­gen Gang, düs­ter, mit vie­len ei­sen­be­schla­ge­nen Tü­ren, mit Rie­geln und Sch­lös­sern, und wie­der eine Trep­pe hin­auf, wie­der eine Ei­sen­tür – im­mer muss­te der Mann auf­schlie­ßen und zu­schlie­ßen und tat es so selbst­ver­ständ­lich … Mir aber leg­te es sich auf die Brust: Alle die­se Tü­ren, die jetzt zwi­schen mir und der Au­ßen­welt la­gen, sie brach­ten es mir so recht deut­lich zu Be­wusst­sein, wie sehr ich ge­fan­gen war, wie schwer es wie­der sein wür­de, in die Frei­heit zu kom­men. Vom ers­ten Au­gen­blick an spür­te ich die Wahr­heit des Sat­zes, den ich spä­ter so oft im Ge­fäng­nis hör­te: »Du kommst so leicht hin­ein und so schwer hin­aus.«

      Mein Füh­rer war vor ei­ner ei­ser­nen Tür ste­hen ge­blie­ben, die eine wei­ße »11« trug. Hier hin­ter also soll­te ich hau­sen. Er schloss auf, und hin­ter der Tür zeig­te sich eine zwei­te Tür. Auch sie wur­de auf­ge­schlos­sen.

      »Ge­hen Sie rein«, sag­te mein Beglei­ter un­ge­dul­dig, und ich trat ein. Von ei­nem schma­len Bett er­hob sich eine ge­wal­ti­ge Ge­stalt, ein großer Mann er­heb­li­chen Um­fangs, mit ei­ner blon­den Glat­ze und ei­ner Bril­le.

      »Ein biss­chen Ge­sell­schaft?«, frag­te er. »Na, das ist schön. Wo­her kommst du denn?«

      Ich war so ver­blüfft, dass ich in der Zel­le einen Ge­fähr­ten ha­ben soll­te, dass ich es erst viel spä­ter merk­te: Der Schlie­ßer war ge­gan­gen und ich end­gül­tig und un­wi­der­ruf­lich ein­ge­schlos­sen.

      »Setz dich man, da auf den Sche­mel«, sag­te der Di­cke. »Ich hau mich noch ein biss­chen aufs Bett. Es ist zwar ver­bo­ten, aber der Fer­mi sagt nichts. Fer­mi ist der, der dich eben rauf­ge­bracht hat.«

      Ich setz­te mich auf den Sche­mel und starr­te den auf dem Bett lie­gen­den Mann an. Er trug Zi­vil wie ich, einen einst­mals wohl sehr ele­gan­ten An­zug von ei­nem gu­ten Schnei­der, der jetzt aber recht zer­drückt und auch fle­ckig war.

      »Sind Sie auch ein Ge­fan­ge­ner?«, frag­te ich schließ­lich.

      »Das will ich mei­nen!« lach­te der Di­cke. »Denkst du, ich sit­ze hier zur Er­ho­lung in die­sem Bun­ker? Üb­ri­gens kannst du ru­hig ›du‹ zu mir sa­gen, wir nen­nen uns hier alle ›du‹. – Ja«, fuhr er fort und reck­te sich stöh­nend, »ich sit­ze hier schon elf Wo­chen im Bau, aber denkst du, ich habe schon eine An­kla­ge? Nicht die Boh­ne! Die Brü­der las­sen sich Zeit, ih­ret­we­gen kannst du hier ver­fau­len und ver­schim­meln, des­we­gen ge­hen die nicht einen Schritt schnel­ler. Was hast du denn aus­ge­fres­sen?«

      »Der Staats­an­walt hat mich we­gen Mord­ver­such an mei­ner Frau ver­haf­tet«, ant­wor­te­te ich mit be­schei­de­nem Stolz. Und setz­te schnell hin­zu: »Aber das stimmt nicht. Da­von ist kein Wort wahr.«

      Wie­der lach­te der Di­cke. »Na­tür­lich ist es nicht wahr«, lach­te er. »Hier drin sit­zen über­haupt nur Un­schul­di­ge – wenn du die Leu­te fragst.«

      »Bei mir ist es aber wirk­lich wahr«, ver­si­cher­te ich. »Ich habe mei­ne Frau nie er­mor­den wol­len, wir ha­ben uns nur ein biss­chen ge­strit­ten.«

      »Na ja«, sag­te der Di­cke. »Mit der Zeit wirst du dir schon die Brust frei­quas­seln; je­der, der das Sit­zen nicht ge­wohnt ist, fängt mit der Zeit an zu quas­seln. Pass dann nur auf, mit wem du re­dest, die meis­ten wol­len sich lieb Kind beim In­spek­tor ma­chen, hin­ter­brin­gen ihm al­les – und schon bist du drin.« Er sah mich aus sei­nen klei­nen Au­gen zwi­schen Fett­wüls­ten hin­durch treu­her­zig an und mein­te: »Bei mir aber kannst du of­fen re­den, ich bin eine See­le von ei­nem Men­schen, ich bin stie­kum.«

      »Was sind Sie?«

      »Stie­kum, das sagt man hier für Dicht­hal­ten. Ich quat­sche nicht, ver­stehst du?«

      »Ich habe aber wirk­lich nichts zu ge­ste­hen«, ver­si­cher­te ich wie­der.

      »Na, das wer­den wir ja noch er­le­ben«, sag­te der Di­cke ge­müt­lich. »Vi­el­leicht hast du Schwein, und der Un­ter­su­chungs­rich­ter ist dei­ner Mei­nung und er­lässt kei­nen Haft­be­fehl ge­gen dich.«

      »Ich bin doch schon vom Staats­an­walt selbst ver­haf­tet.«

      »Das hat gar nichts zu sa­gen«, be­lehr­te mich der Di­cke. »Erst kommst du mor­gen oder über­mor­gen vor den Un­ter­su­chungs­rich­ter. Der ver­nimmt dich, und wenn er dei­ner An­sicht ist, bist du wie­der frei …«

      »Und das stimmt wirk­lich?«, frag­te ich auf­ge­regt. »Ich kann noch frei­kom­men?«

      »Na­tür­lich kannst du das, aber oft er­eig­net sich das nicht ge­ra­de. Na, wir wer­den es ja er­le­ben.« Und er dehn­te sich wie­der be­hag­lich.

      Mich be­rausch­te die Aus­sicht auf die viel­leicht nahe Frei­heit, ich stand auf und lief ge­dan­ken­voll in der Zel­le hin und her. Wenn Mag­da güns­tig für mich aus­sag­te, wür­de ich frei­kom­men. Und sie wür­de güns­tig für mich aus­sa­gen, ich fühl­te das. Und selbst wenn sie noch zor­nig auf mich war, nie konn­te sie sa­gen, dass ich sie hät­te er­mor­den wol­len. Das hat­te ich nie ge­wollt. Dun­kel kam mir in Erin­ne­rung, dass ich et­was ge­sagt hat­te wie: »Heu­te Nacht kom­me ich und er­mor­de dich«, aber das war doch nur be­trun­ke­nes Ge­re­de ge­we­sen, das galt nicht.

      »Höre mal«, sag­te der Di­cke, »ren­ne mal nicht so in der Zel­le hin und her, da­mit machst du mich ner­vös! Setz dich mal ru­hig dort auf den Sche­mel, nimm aber erst das Kis­sen run­ter, es ist näm­lich mein Pri­vat­kis­sen. Auf dei­ne Fal­le kannst du dich noch nicht le­gen, dei­nen Stroh­sack bringt dir der Olle erst heu­te Abend. Gott, wie mich die­ser Stall an­kotzt!« Da­mit gähn­te der Di­cke herz­haft, ließ einen Fürch­ter­li­chen fah­ren – ich fuhr er­schro­cken zu­sam­men –, stöhn­te: »Das hat aber gut­ge­tan!«, und war auch gleich ein­ge­schla­fen.

      Ich aber will nicht län­ger in sol­cher Brei­te die ers­ten Tage mei­ner Un­ter­su­chungs­haft er­zäh­len. Sie wa­ren so qual­voll, dass ich ei­nes Nachts lei­se auf­stand, an den Schrank des Di­cken ging und aus sei­nem Ra­sier­ap­pa­rat die Klin­ge nahm: Ich woll­te mir den Hals durch­schnei­den. Nur brach­te ich nach­her doch den Mut dazu nicht auf. Ich hat­te pro­be­wei­se erst einen Schnitt am Hand­ge­lenk ge­tan, der nur we­nig blu­te­te, mich aber be­ru­hig­te. Der Wil­le zum Le­ben sieg­te, und ich tat die Klin­ge noch in der glei­chen Nacht in den Ap­pa­rat zu­rück.

      Im Gan­zen aber ging mei­ne Ent­wöh­nung vom Al­ko­hol leich­ter, als ich er­war­tet hat­te. Ich war eben doch noch kein rich­ti­ger Trin­ker ge­we­sen, hat­te erst kur­ze Zeit mich dem Schnaps aus­ge­lie­fert und nie wei­ße Mäu­se lau­fen se­hen. Viel half mir bei die­ser Ent­wöh­nung, dass ich mich schon den drit­ten oder vier­ten Tag frei­wil­lig zur Ar­beit mel­de­te. Ich hielt das ta­ten­lo­se, grü­beln­de Her­um­sit­zen in der Zel­le und vor al­lem die Ge­sell­schaft des Di­cken, der üb­ri­gens Düs­ter­mann СКАЧАТЬ