Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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Die Wirtin rief, sie musste viele Male rufen, ehe Antwort von oben kam, Elinor hatte einen festen Schlaf. »Sollst runterkommen, Elinor!«, rief die Wirtin. »Mach ein bisschen schnell, du!«
»So«, sagte ich mit der Miene eines Untersuchungsrichters, »und nun eine Frage: Haben Sie Schwarzwälder Zwetschgenwasser?«
»Das nicht«, sagte die Wirtin, und als sie meine zornige Miene sah, »aber ich habe ein Kirschwasser, das noch besser ist.«
»Besser als Zwetschgenwasser ist nichts«, erwiderte ich, »aber bringen Sie immerhin Ihren Kirsch.«
Sie brachte ihn; Flasche und Glas zitterten in ihrer Hand.
»So«, sagte ich und trank. Meine Stimmung hellte sich auf; dies war wirklich beinahe noch besser. »So, und nun setzen Sie sich dorthin und sagen Sie mir, wer außer Ihnen noch hier im Haus ist.«
»Nur die Elinor, wirklich, außer mir nur die Elinor!«
»Sie lügen!«, rief ich wütend. »Lassen Sie sich nicht einfallen, mich noch einmal anzulügen, oder es passiert was.« Und wieder griff ich in meine Tasche.
Die Wirtin kreischte wieder leise.
»Ich habe«, fuhr ich unerbittlich fort, »das letzte Mal hier noch ein Mädchen gesehen, mit Zottelhaaren und einer roten Nase …«
»Ach, die Marie meinen Sie«, rief die Wirtin erleichtert. »Aber, Herr, warum regen Sie sich so auf und ängstigen mich so? Ich will Sie doch nicht anlügen! Die Marie hilft hier nur aus, die wohnt im Dorf bei ihren Eltern …«
»So«, sagte ich zufrieden, »dann will ich Ihnen diesmal noch verzeihen, wenn es so ist.« Ich trank. »Und Ihr Kirsch ist wirklich auch nicht schlecht, gut ist er sogar …«
»Nicht wahr, nicht wahr?«, sagte die Wirtin eifrig. »Ich tue ja alles, um Sie zufriedenzustellen. Mitten in der Nacht hole ich das Mädchen aus dem Bett. Nun müssen Sie aber auch nett sein und nicht mehr mit dem Schießeisen drohen. Am besten legen Sie es erst mal weg, so ein Ding kann so leicht losgehen, und das wollen Sie doch nicht; Sie sind doch ein guter, anständiger Herr …«
Ehe ich noch gegen diese neue Beleidigung hatte protestieren können, denn ich war entschlossen, nicht gut, sondern furchteinflößend und böse zu sein und meine Macht über die Menschen zu zeigen, ehe ich also wieder zornig geworden war, tönte Elinors fester Schritt auf der Treppe; und da trat sie in den Lichtschein, völlig angezogen, nur das dunkle Haar hatte sie nicht frisiert, sondern trug es locker nach hinten gekämmt. So sah sie noch schöner aus.
»Elinor!«, rief ich. »Meine Königin!«
Nur einen Augenblick stutzte sie, als sie mich da so in dem unordentlichen Lokal mit der Wirtin sitzen sah, und dann tat dieses erstaunliche Mädchen genau das Richtige, als hätte sie alles, was vorher geschehen, gewusst: Sie lief auf mich zu, umarmte mich, gab mir einen Kuss rechts und einen Kuss links auf die Backe und rief vergnügt: »Ach, das Papachen! Das gute, immer betrunkene Papachen! Jetzt wollen wir aber fidel sein, was, Mutter Schulzen? Nun gibt’s Sekt!«
»Sekt?«, rief ich begeistert. »Natürlich gibt’s Sekt, soviel ihr wollt. Ich habe Geld wie Heu. – Elinor, du bist die Beste, du weißt, dass ich dich liebe. Du bist meine Königin, und jetzt werden wir auf Reisen gehen. Elinor, gib mir noch einen Kuss, aber mitten auf den Mund!«
Sie tat es, ich fühlte ihre Brust an der meinen, ich war selig, endlich hatte mir doch der Alkohol die volle Seligkeit geschenkt! Ich sah nur Elinor, ich fühlte nur Elinor, ich dachte und redete nur Elinor. Ich merkte gar nicht, dass die Wirtin trotz meiner strengen Todesdrohungen längst die Gaststube verlassen hatte.
23
Ich weiß nicht, wie lange Zeit ich so in Elinors Armen verbrachte. Ich hatte ihr großes weißes Gesicht mit den geschwungenen Augenbrauen ganz nahe vor mir, es lehnte sich über mich – und die ganze Welt versank mir. Ihre jetzt nicht mehr farblosen, sondern grünstrahlenden Augen sahen mich an, und ich fühlte ein Zittern in mir bis in das Innerste meiner Knochen; das Herz bewegte sich in mir wie ein Pappelblatt im Sommerwind.
»Oh, Elinor, verzeih, verzeih! Nie habe ich so geliebt! Nie habe ich gewusst, dass es so etwas auf der Welt gibt, du machst mich schwach und stark; berührt mich dein Atem, so ist mir, als wehte ein Sturm durch mich; die dürren Blätter der Vergangenheit weht er alle fort. Ich bin neu geworden durch dich – komm, lass uns von hier fliehen, lass uns aus dem Alten fliehen! Wir wollen in den Süden gehen, wo immer die Sonne scheint, wo der Himmel ewig blau ist – weiße Schlösser an Rebenhängen! Dorthin wollen wir! Komm mit! Ich habe eine kleine Tasche draußen stehen, aber genug ist in ihr, komm mit, wie du bist, wir wollen fliehen, jetzt, noch in dieser Minute, mir ahnt Schreckliches, wenn wir noch länger hierbleiben! Sie würden dich nicht bei mir dulden. Komm, lass uns gehen, mein weißes, strenges Gesicht, ma reine d’alcool! Stoß mit mir an, du sollst leben! Dir einen Gruß aus meinem tiefsten Herzen!« Ich sah sie strahlend an. Und tief beunruhigt: »Warum gehen wir noch nicht?«
Sie fuhr mit der Hand durch meine Haare, beruhigend, liebkosend. Sie saß auf meinem Schoß, einen Arm hatte sie um meine Schulter geschlungen, ihre Zärtlichkeit deckte mir die Welt zu. Sie sagte leise: »Gleich fahren wir, altes Papachen, gleich. Um sechs geht ein Zug von der Station, so lange musst du dich noch gedulden, altes Papachen! Wir sitzen doch gut hier! Oder sitzen wir nicht gut hier?«
Ich schmiegte mich fester an sie, ich legte den Kopf gegen ihre Brust, ich fühlte mich geborgen an ihr, in ihr, wie ein Kind bei seiner Mutter. »Sehr gut sitzen wir hier. Aber um sechs fahren wir – weit, weit von hier fort. Dies alles wollen wir nie wiedersehen – im Süden werden wir lieben … wir werden uns immer lieben …«
Sie sah mir in die Augen, so nahe, ein einziges Auge schien es zu sein, das mir verschwamm, als hätte ich in die helle Sonne gestarrt. Sie flüsterte nahe an meinem Ohr: »Ja, ich werde mit dir reisen, altes Papachen. Aber du wirst dann nicht immer trinken, wie? Männer, die immer betrunken sind, hasse ich. Sie ekeln mich.«
»Nie mehr werde ich trinken, wenn ich dich erst habe, keinen Tropfen mehr! Du bist besser als Wein und Schnaps; ein Feuer bist du in mir, du machst die Welt tanzen! Dein Wohl, meine Königin!«
»Dein Wohl, mein altes Papachen! Ja, wir werden nun reisen, aber werden wir auch Geld genug haben für solch СКАЧАТЬ