Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ zwei­en ohne Ar­beit. Ist das al­les Geld, das du hast?«

      Ei­nen Au­gen­blick war ich et­was er­nüch­tert. Ich fuhr mit der Hand über die Stirn und sah voll Ab­nei­gung auf den Hau­fen schmut­zi­ger Lap­pen, den Eli­nor in der Hand hielt. »Ei­ner hat mir Geld ge­stoh­len, Eli­nor«, sag­te ich dann mür­risch. »Fünf­mal, zehn­mal mehr Geld, als du in der Hand hast, hat der Lump mir ge­stoh­len. Und alle mei­ne Sa­chen in ei­nem rinds­le­der­nen Kof­fer und un­ser Sil­ber, al­les ist weg! Was wird Mag­da sa­gen!« Ich be­sann mich lang­sam un­ter ih­rem Blick. »Aber das ist gleich, Eli­nor, ste­cke das Geld fort, ich mag es nicht mehr se­hen. Ich kann mehr ho­len von der Bank, ich kann ho­len, so­viel du willst: Zehn­tau­sen­de! Ich kom­me mit ei­nem Scheck, sie sa­gen zu mir: ›Herr Som­mer …‹«

      »Also Som­mer heißt du?«

      »Ja, Som­mer hei­ße ich, Er­win Som­mer, wenn du mit mir reist, hast du im­mer Som­mer!«

      Ich lach­te, aber sie blieb ernst, sie sag­te: »Siehst du, al­tes Pa­pa­chen, sie ha­ben dir schon dein Geld und dei­ne Sa­chen ge­stoh­len, du kannst nicht um­ge­hen da­mit in die­sem Zu­stand. Ich wer­de es dir ver­wah­ren, ganz si­cher ist es bei mir auf­ge­ho­ben. Hier ste­cke ich dir Geld in dei­ne Ta­sche, das alte Pa­pa­chen soll nicht ganz ohne Geld sein. Es sind drei­und­zwan­zig Mark, wenn die dir weg­kom­men, ist es nicht wei­ter schlimm …« Sie re­de­te im­mer ein­dring­li­cher, es war lä­cher­lich, wie wich­tig sie die­ses al­ber­ne Geld nahm. »Und, Pa­pa­chen, nicht wahr, du schwörst es mir, du wirst nie je­man­dem sa­gen, dass ich dir dein Geld ver­wahrt habe? Zu kei­nem Men­schen? Was auch pas­siert?«

      »Nie wer­de ich es ei­nem sa­gen, Eli­nor«, ant­wor­te­te ich. »Ich schwö­re es dir. Aber das al­les ist un­nö­tig, um sechs Uhr wer­den wir rei­sen …«

      »Also du hast es mir ge­schwo­ren, al­tes Pa­pa­chen, du ver­gisst es nicht? Zu nie­man­dem nie ein Wort, was auch pas­siert!«

      »Nie ein Wort, Eli­nor!«

      »Du mein gu­tes Pa­pa­chen!«, rief sie und drück­te mich fest in ihre Arme. »So – und nun sollst du zur Be­loh­nung aus mei­nem Mun­de trin­ken dür­fen!«

      Sie nahm einen Mund­voll von dem Kirsch, dann leg­te sie die Lip­pen fest auf die mei­nen, ich schloss die Au­gen, und aus ih­rem Mun­de floss der Kirsch scharf und warm und le­ben­dig in mei­nen Mund – es war das Sü­ßes­te, das ich je er­leb­te. Ich ver­ging da­vor.

      24

      Ich er­wa­che, ich sehe um mich. Nein, ich bin nicht er­wacht, noch träu­me ich. Was ich eben sah, war ein weiß­ge­kalk­ter Raum mit ei­nem Ei­sen­git­ter an sei­ner einen Sei­te – das ist noch et­was aus mei­nem Traum. Ich lie­ge da, mit ge­schlos­se­nen Au­gen, ich ver­su­che, mich zu er­in­nern … Da ge­sch­ah noch et­was in der Nacht. Dann be­sinnt sich mei­ne lin­ke Hand. Ganz un­will­kür­lich tas­tet sie auf dem Fuß­bo­den ent­lang, und nun trifft sie auf die küh­le Glät­te von Glas. Sie hebt die Fla­sche zum Mun­de, und nun trin­ke ich wie­der, mit ge­schlos­se­nen Au­gen trin­ke ich noch ein­mal Schwarz­wäl­der Zwetsch­gen­was­ser, wie­der bin ich bei Eli­nor. Ich bin bei Eli­nor! Das Le­ben geht wei­ter, ich schwin­ge mich noch hö­her … Ich habe nur eine Zeit ge­schla­fen, und nun bin ich wie­der bei Eli­nor.

      Zwei, drei Schlu­cke, und nun ist die Fla­sche leer. Ich sau­ge an ihr: Kein Trop­fen kommt mehr. Mit ei­nem tie­fen Seuf­zer stel­le ich sie nie­der und öff­ne wie­der die Au­gen. Ich sehe eine weiß­ge­kalk­te, recht schmut­zi­ge Zel­le, die Wän­de von vie­len In­schrif­ten und schwei­ni­schen Zeich­nun­gen zer­kratzt. An der einen Wand sitzt sehr hoch, dort, wo sie schon schräg wird, ein klei­nes ver­git­ter­tes Fens­ter. Dies Fens­ter steht of­fen, ich sehe durch die Öff­nung einen blass­blau­en, von mat­ter Son­ne er­füll­ten Him­mel. Auf der vier­ten Sei­te hat die­se Zel­le ein fes­tes Git­ter aus Ei­sen­stan­gen. Genau wie die Git­ter an den Tier­kä­fi­gen in den zoo­lo­gi­schen Gär­ten. Au­ßer­halb des Git­ters steht ein Ofen, dann ist da noch eine Tür, die ge­schlos­sen ist. Ich bin ge­fan­gen! Ich sehe auf mein La­ger. Ich lie­ge in Klei­dern auf ei­nem jäm­mer­li­chen Ei­sen­bett, auf ei­nem Stroh­sack mit zer­ris­se­ner De­cke. Mei­ne Zel­le ent­hält sonst noch einen Tisch, einen Sche­mel und einen fürch­ter­lich stin­ken­den Kü­bel. Ja, und dann ent­hält sie die Fla­sche, die ich so­eben ge­leert habe …

      Ich sprin­ge von mei­nem La­ger auf, ich hebe die Fla­sche ge­gen das Licht: Wirk­lich, es ist kein Trop­fen mehr drin! Ich stel­le sie end­gül­tig fort, hin­ter den Kü­bel, und wäh­rend ich dies tue, kommt ein Stück der Er­leb­nis­se die­ser Nacht zu­rück, blitz­ar­tig er­leuch­tet …

      Ich sehe die un­or­dent­li­che, düs­ter be­leuch­te­te Gast­stu­be, ich sehe mich, Er­win Som­mer, In­ha­ber ei­nes Lan­des­pro­duk­ten­ge­schäf­tes, an­ge­se­he­ner Bür­ger von ein­und­vier­zig Jah­ren, ich sehe mich, wie ich mit dem Gen­darmen hand­ge­mein bin, wie ich mich mit Hän­den und Kral­len mei­ner Ver­haf­tung wi­der­set­ze – wir wäl­zen uns am Bo­den, und die be­hä­bi­ge Wir­tin mit dem wei­ßen Schei­tel, die sich so vor mei­ner Schuss­waf­fe ge­ängs­tigt hat, die jetzt aber weiß, dass ich mit ei­ner Schuss­waf­fe nur ge­prahlt habe, sie ver­setzt mir wäh­rend die­ses Kamp­fes hin­ter­lis­ti­ge Trit­te und Püf­fe, sie kneift mich und fährt plötz­lich mit al­len fünf Fin­gern in mein Ge­sicht, al­les, wäh­rend ich mit dem Gen­darmen um mei­ne Frei­heit kämp­fe.

      Und im sel­ben Au­gen­blick wäh­rend die­ses Kamp­fes sehe ich Eli­nor, die mit ei­nem un­er­gründ­li­chen Lä­cheln auf uns bei­de Kämp­fen­de schaut, aber nicht einen Fin­ger rührt, um dem einen oder an­de­ren Kämp­fen­den zu hel­fen. Kein Wort auch spricht sie.

      Und doch hät­te ich mich viel­leicht frei­ge­kämpft, denn in mir tob­te ein Ent­set­zen, dass ich, ein ge­sit­te­ter Bür­ger, wie ir­gend­ein be­lie­bi­ger Be­trü­ger in ein rich­ti­ges Ge­fäng­nis ab­ge­führt wer­den soll­te, ich, ein an­ge­se­he­ner Mann, vor dem vie­le Leu­te zu­erst den Hut zo­gen, ins Kitt­chen – ja, die­se Verzweif­lung gab mir sol­che Kräf­te, dass ich mich wohl doch noch von dem Wacht­meis­ter frei­ge­kämpft hät­te – wenn nicht Eli­nor ge­we­sen wäre.

      In ir­gend­ei­nem Mo­ment un­se­res Kamp­fes, wohl ge­ra­de in dem Au­gen­blick, da sich der Sieg mir zu­neig­te, stand sie plötz­lich bei uns mit ei­ner Fla­sche von mei­nem Schwarz­wäl­der Zwetsch­gen­was­ser; sie sag­te sanft lä­chelnd und strahl­te mich da­bei mit ih­ren hel­len Au­gen freund­lich an: »Sei­en Sie doch fried­lich, al­tes Pa­pa­chen! Der Wacht­meis­ter er­laubt Ih­nen auch, sich eine Fla­sche Schnaps mit­zu­neh­men. Es ist ja nur für eine Nacht, al­tes Pa­pa­chen, bis Sie Ihren Rausch aus­ge­schla­fen ha­ben …«

      Da­mit war mein Kampf­mut ge­lähmt, und sie wur­den leicht Herr über mich. Wie­der ver­führ­ten mich der Al­ko­hol und Eli­nor (das war wohl das glei­che Gift: Al­ko­hol und Eli­nor); so oft schon hat­ten sie mich ge­täuscht und in die be­schä­mends­ten Nie­der­la­gen hin­ein­ge­führt, aber ich war noch im­mer nicht klug ge­wor­den. Für eine Fla­sche Schnaps ver­kauf­te ich mei­ne Aus­sicht auf Frei­heit. Und da stand sie nun, dort hin­ten, bei dem stin­ken­den Kü­bel: СКАЧАТЬ