Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke
Автор: Hans Fallada
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813598
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Bei dem geringsten Anzeichen von Durst schon konnte ich einen Schluck nehmen. Zu Hause im Badezimmer war das einfach genug, aber auf dem Kontor, das Magda mit mir teilte, gab es manchmal Schwierigkeiten. Dann saß ich viele Minuten und grübelte über einen Vorwand, sie hinauszuschicken. Einmal, als mir gar nichts einfiel, ging ich sogar so weit, dass ich heimlich in ihrer Gegenwart – der Schreibtisch deckte mich gegen Sicht – die Flasche entkorkt auf den Boden stellte, dann den Radiergummi zu Boden fallen ließ und ihn mir umständlich suchte, zuletzt auf allen Vieren, wobei ich unter der Wölbung des Schreibtisches, sehr vergnügt über meine List, beträchtlichen Kognak in mich hineingluckern ließ.
Ich wechselte meine Ansicht, wieweit Magda mich durchschaute, fast stündlich. Meist war ich fest davon überzeugt, dass sie gar nichts ahnte, zu anderen Stunden, namentlich, wenn ich missmutig und gereizt war, wusste ich es beinahe, dass sie mich ganz und gar durchschaute. Dann grübelte ich wieder. Manchmal ging ich lange Zeit im Kontor nachdenkend auf und ab, immer an Magdas Platz vorüber; dann war ich böse, wie ich es nannte, nicht auf etwas speziell, nicht einmal auf Magda, sondern ich war einfach böse, wie eben ein Mensch schlecht und böse sein kann, von Urgrund her, so ist er einmal, so böse war ich, und ich suchte einen Grund, mit ihr Streit anzufangen.
In diesem Streit wollte ich die Gewissheit aus ihr herauslocken, ob sie gar nichts oder alles wusste, und wusste sie alles, so wollte ich auch den letzten Schein von Anstand fallen lassen. Gerade in ihrer Gegenwart, in der Anwesenheit meiner nüchternen, sauberen, tüchtigen Frau wollte ich mich toll und vollsaufen, ich wollte die Füße auf den Schreibtisch legen und wüste, schweinische Lieder singen und zotige Redensarten gebrauchen – welche Wollust, sie mit in den Dreck zu ziehen, ihr zu zeigen: Den hast du einmal geliebt, und unter deiner Liebe ist er so geworden … Nun gerade! Seht her!
Ich ging immer schneller auf und ab, ich genierte mich nicht mehr, ich warf ihr böse, herausfordernde Blicke zu, aber dann, direkt vor meinem Ausbruch, stand sie stets auf und verließ das Kontor. Ich aber starrte ihr nach, ich starrte wütend die braun gemaserte Tür an, ich ballte die Fäuste, ich knirschte mit den Zähnen: »Feige ausgerissen, aber das hast du aus mir gemacht, du – Tüchtige!« Schließlich setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch, trank kräftig und wurde müde und sanft.
Übrigens, wenn ich eben gesagt habe, ich hätte meine Arbeit nur soso gemacht, aus alter Gewohnheit, so ist nicht einmal das ganz richtig: Man soll sein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen. Der Alkohol machte es, dass ich in dieser Zeit viel von meiner vornehmen Chefzurückhaltung verlor, ich konnte mit der Landkundschaft viel besser schwätzen, wir klopften einander auf die Schulter, erzählten uns Witzchen, wobei wir uns achtsam umsahen, ob Magda auch nicht in der Nähe war, und dabei gelang mir mancher ungewöhnlich vorteilhafte Abschluss.
Was ich früher nie getan hatte, wofür ich mich zu fein gehalten hatte und meine Firma zu ansehnlich, das tat ich jetzt gerne: Ich ging mit den Landwirten in eine kleine Kneipe, und dort, über einem zerschnitzelten Lindenholztisch, auf dem unsere Stangen kreisrunde nasse Ränder hinterließen, erzählten wir uns vielerlei, tranken noch mehr, und ich kaufte von den oft stark Angetrunkenen zu vorteilhaftesten Preisen. Wenn ich dann, wieder auf dem Büro angelangt, dem Hinzpeter diese Abschlüsse zur Verbuchung angab, sah ich wohl die Blicke, die der trockene Zahlenmensch mit meiner Frau tauschte, aber ich lachte nur darüber.
Jedoch eines Morgens, nach einem solchen Abschluss, bei dem ich den Inspektor eines größeren Gutes regelrecht eingeseift und ihm einen ganzen Waggon Erbsen zu der Hälfte des regulären Marktpreises abgeschwatzt hatte, also am Morgen nach diesem vorteilhaften Einkauf hörte ich aufgeregtes Reden auf dem Hof des Geschäftes, und als ich ans Fenster ging, sah ich dort den jetzt sehr ernüchterten Inspektor, der wild auf meine Frau und Hinzpeter einredete. Ich sah durch die Scheibe eine ganze Weile zufrieden den aufgebrachten Mann an und dachte bei mir: ›Ja, rede du jetzt nur und sei so nüchtern, wie du magst. Deine Unterschrift auf dem Abschluss von gestern Abend kannst du doch nicht wegreden!‹
Jetzt sprach Magda, und der Inspektor nickte und schüttelte den Kopf und trat mit dem Fuß auf, und plötzlich sah er zu mir herüber und entdeckte mich wohl hinter dem Glas, und wirklich und wahrhaftig, der Mann hob den Arm und schüttelte die Faust gegen mich, vor den Augen meiner Frau und Hinzpeters, und nun schrie er sogar ein Schimpfwort gegen mich, und das lautete nicht anders wie: »Oller Leutebetrüger!« Ich wartete, ich wartete darauf, dass Magda den Frechling vom Hof weisen würde, aber sie redete nur auf ihn ein, und nach einer Weile ließ der Inspektor die Faust wieder sinken, und sie verhandelten weiter.
Mich ekelte vor der Schlappheit meines Weibes, und nach einer Weile, als sie immer noch verhandelten, setzte ich mich an meinen Schreibtisch nieder, öffnete das bewusste Fach und stärkte mich. Wieder nach einer Zeit, während ich da so gesessen und an nichts gedacht hatte, ging die Tür auf, und Magda kam blass herein, eine Mappe in der Hand. Sie legte die Mappe auf den Tisch und fing an, mit den Papieren zu rascheln, sonst war es ganz still bei uns im Kontor, und der Alkohol ging sachte in mir herum und machte mich friedlich und zufrieden.
Plötzlich aber ließ Magda die Papiere fallen, sie warf den Kopf auf den Tisch und weinte wild drauflos. Ich war sehr hilflos, wusste gar nicht, was ich tun sollte, war auch in dem jetzigen angenehmen Zustand viel zu bequem, etwas zu tun. So sagte ich nur etwas matt: »Aber was ist denn nur los? Beruhige dich bloß, Magda, es wird ja alles halb so wild sein!«
Sie aber warf den Kopf hoch und starrte mich mit ihren tränenüberströmten Augen an und rief: »Es ist doppelt schlimm! Es ist zehnfach schlimm! Nicht genug, dass du alle Tage stark betrunken bist, bringst du auch noch unsere Firma in Verruf. Überall erzählen sich schon die Leute, dass wir unsolide geworden seien und auf Betrug ausgehen …«
»Halt, stopp, Magda«, sagte ich langsam, und plötzlich war es mir ganz recht, dass es endlich zu einer Aussprache zwischen uns kam, und ich war fest entschlossen, ihr nichts zu ersparen … »Halt, stopp, Magda«, sagte ich. »Nicht so viel auf einmal! Was das angeht, dass ich alle Tage stockbetrunken sein soll, so möchte ich dich wohl fragen, ob du mich je einmal hast torkeln sehen oder lallen hören? Ich nehme dann und wann ein Gläschen, das gebe ich ohne Weiteres zu, aber ich vertrage es auch. Es macht mich klarer. Den Alkohol soll meiden, wer ihn nicht verträgt, das bin aber nicht ich.«
»Sieh«, sagte ich langsam und schloss wieder das bewusste Schreibtischfach auf, »hier haben wir eine Flasche Kognak, die war heute früh um СКАЧАТЬ