Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ mehr den­ken! Ich stöh­ne, ich bei­ße die Kie­fer zu­sam­men, ich knir­sche mit den Zäh­nen. Ich stöh­ne: »Es kann nicht wahr sein! Es ist nicht wahr! Das bin ich nicht ge­we­sen! Ich habe al­les nur ge­träumt! Ich muss al­les ver­ges­sen, auf der Stel­le muss ich al­les ver­ges­sen! Es darf nichts wahr sein!«

      Das schüt­telt mich wie ein Krampf, und dann kom­men die Trä­nen, Trä­nen über all das, was ich so mut­wil­lig ver­lor. End­lo­se, bit­te­re, ban­ge, schließ­lich doch lö­sen­de Trä­nen.

      Und als ich mich aus­ge­weint habe, ist im­mer noch die Son­ne vor mei­nen Fens­tern, we­hen die fri­schen duf­ti­gen Vor­hän­ge im leich­ten Win­de. Im­mer noch ist das Le­ben da, jung und lä­chelnd, du kannst es in je­der Stun­de noch ein­mal be­gin­nen, es kommt nur auf dich an.

      Ne­ben mei­nem Bett steht ein Tisch­chen mit ei­nem Früh­stück­sta­blett, der Kaf­fee ist sorg­sam mit ei­ner Hau­be ver­deckt, und nun be­gin­ne ich, zu früh­stücken. Die ers­ten Bis­sen der Sem­mel kaue ich noch zäh und trä­ge im Mun­de, aber der Kaf­fee ist ex­tra stark zu­be­rei­tet; all­mäh­lich kommt der Ap­pe­tit wie­der, und ich ge­nie­ße mit dank­ba­rer Freu­de all das, was mir Mag­das Sorg­sam­keit an Ex­tra­bis­sen auf das Ta­blett ge­stellt hat: schar­fe An­cho­vis, eine schö­ne fet­te Le­ber­wurst und wun­der­ba­ren Che­s­ter­kä­se.

      Sel­ten habe ich mit sol­chem Ge­nuss ge­ges­sen, ich füh­le mich wie ein Ge­ne­sen­der. Dank­bar be­grü­ße ich die säu­ber­li­chen Din­ge der be­kann­ten Um­welt, grü­ße sie wie alte ver­trau­te Freun­de, die man lan­ge ent­behrt hat­te.

      Nun fin­de ich auch auf dem Nacht­tisch einen Zet­tel von Mag­da. Sie teilt mir mit, dass sie nur auf we­ni­ge Stun­den ins Ge­schäft ge­gan­gen sei, sie bit­tet mich, bis zu ih­rer Rück­kunft im Bett oder doch im Hau­se zu blei­ben; das Bad sei für mich ge­heizt.

      Eine hal­be Stun­de spä­ter ver­las­se ich das Haus. Zwar macht mir das Ge­hen mit mei­nen wun­den Fü­ßen arge Schmer­zen, aber ich bin nicht ge­son­nen, wei­ter ta­ten­los zu ver­har­ren. Ich habe mich ge­säu­bert von oben bis un­ten, ich zog fri­sche Wä­sche an, mei­nen bes­ten An­zug – und nun will ich mei­nen al­ten Platz in der Welt wie­der ein­neh­men. Wenn ich auch nicht so tat­kräf­tig wie Mag­da bin, möch­te ich doch wie­der die Brem­se am ei­lig vor­ge­trie­be­nen Wa­gen sein: die Fahrt re­gelnd und si­chernd!

      Ich zö­ge­re nicht, ich schie­le nicht von Tor­we­gen her nach Schat­ten; ich tre­te ohne Wei­te­res ein. Ich grü­ße die An­ge­stell­ten in mei­nen bei­den vor­de­ren Bü­ros freund­lich und tre­te in mein Chef­bü­ro ein. Mag­da springt von mei­nem Schreib­tisch­ses­sel auf; frü­her hat sie dort nie ge­ses­sen, auch wenn ich nicht an­we­send war; sie hat­te einen Platz an ei­nem Ne­ben­tisch. Ein we­nig schmerzt es mich, dass sie mich so ganz schon von der Lis­te der Mit­tä­ti­gen aus­ge­stri­chen hat; sie wird auch sehr rot.

      »Er­win, du?«, ruft sie. »Ich dach­te …« Und sie schaut erst mich, dann Herrn Hinz­pe­ter an.

      »Gu­ten Mor­gen, gu­ten Mor­gen, Herr Hinz­pe­ter«, sage ich freund­lich und las­se mir nichts an­mer­ken. »Ja, du dach­test … Aber ich fand, dass es mir heu­te früh doch schon recht er­träg­lich ging, bis auf die Füße … die Füße na­tür­lich … Aber las­sen wir das. Nun er­zäh­le mir, was ihr fest­ge­stellt und was ihr viel­leicht so­gar schon be­schlos­sen habt. Wer­den wir den Ver­lust der Ge­fäng­nis­lie­fe­run­gen ver­schmer­zen kön­nen?«

      Ich hat­te mich in den Ses­sel an mei­nen Schreib­tisch ge­setzt. Ich sah sie freund­lich an, ganz der Chef, der be­reit war, die Vor­schlä­ge sei­ner An­ge­stell­ten wohl­wol­lend an­zu­hö­ren, ehe er sei­ne Ent­schei­dung traf. Ich hat­te – kaum eine Stun­de war es her – in ei­nem Krampf ge­schri­en, dass ich ver­ges­sen woll­te, dass ich ver­ges­sen muss­te … Und nun saß ich hier, ich, ich konn­te nicht ver­ges­sen, schon Mag­das Bläs­se, schon mei­ne in den en­gen Schu­hen schmer­zen­den Füße er­in­ner­ten mich stets, aber sie mach­te ich ver­ges­sen. Kei­ne fünf Mi­nu­ten, und es muss­te Mag­da wie ein bö­ser Traum vor­kom­men, dass sie mich vor noch nicht zwölf Stun­den am Kü­chen­tisch hat­te sit­zen se­hen, drei Fla­schen vor mir, die ver­schmutz­ten Füße in ei­ner Schüs­sel, der Flie­sen­bo­den über­schwemmt – nichts wie ein bö­ser Traum! Ver­ges­sen! Ver­ges­sen!! (Auch dies, es war mir klar, war Scham­lo­sig­keit; wort­los ging ich über das Ge­sche­he­ne fort, wisch­te es aus, dul­de­te kei­ne An­spie­lung, kei­nen nach­denk­lich for­schen­den Blick … Scham­los auch das!)

      Im Üb­ri­gen zeig­te es sich, dass ich nicht um­sonst auf Mag­das Tat­kraft ge­rech­net hat­te. Schon am frü­hen Mor­gen hat­te sie be­reits einen Be­such bei ih­rem Freund, dem Obe­rin­spek­tor, ge­macht, um fest­zu­stel­len, ob nicht viel­leicht doch noch et­was zu ret­ten war. Und sie­he, die­ser bra­ve Mann hat­te ihr wirk­lich einen Tipp ge­ge­ben, einen sehr wert­vol­len Tipp.

      Ein Teil der Ge­fan­ge­nen wur­de im An­fang der Straf­zeit in Ein­zel­zel­len mit Wer­g­zup­fen be­schäf­tigt. Al­tes, ver­brauch­tes oder zer­ris­se­nes Tau­werk wur­de wie­der in sei­ne Grund­be­stand­tei­le zer­legt, zer­rupft. Aus dem ge­won­ne­nen Werg konn­ten wie­der neue Sei­le ge­macht wer­den. Der Be­darf an sol­chem Tau­werk war im­mer recht groß, und ge­ra­de im Au­gen­blick wa­ren die Vor­rä­te der Ge­fäng­nis­ver­wal­tung dar­in ziem­lich am Ende. Der Obe­rin­spek­tor hat­te Mag­da vor­ge­schla­gen, nach Ham­burg zu fah­ren und dort al­tes Seil­werk auf­zu­kau­fen, zwei oder auch drei Wag­g­ons. Sei­nen An­ga­ben nach war da­bei ein recht gu­tes Ge­schäft zu ma­chen, wenn man nur die rech­ten Quel­len kann­te, und er hat­te es so­gar nicht an Hin­wei­sen auf die­se gu­ten Quel­len feh­len las­sen.

      Wie ge­sagt, ich hör­te mir das al­les wohl­wol­lend an. Es war na­tür­lich nur ein klei­nes Ge­le­gen­heits­ge­schäft, das auch bei güns­tigs­tem Ein­kauf nicht an­nä­hernd eine drei­jäh­ri­ge Le­bens­mit­tel­lie­fe­rung für an­nä­hernd fünf­zehn­hun­dert Men­schen er­set­zen konn­te, aber es war mit­zu­neh­men, wenn es ei­gent­lich auch nicht in den Rah­men mei­nes Ge­schäf­tes pass­te.

      »Und wer, dach­test du, soll fah­ren, Mag­da?«, frag­te ich. »Du selbst etwa …?«

      »Nein, so gern ich möch­te«, ant­wor­te­te sie zö­gernd. »Ich glau­be, ich kann im Au­gen­blick schlecht fort. Gera­de jetzt …« Sie brach ab und sah mich et­was hilf­los und doch mit Be­deu­tung an.

      Dies war ei­ner je­ner Bli­cke, die ich un­ter kei­nen Um­stän­den dul­den woll­te.

      »Du hast ganz recht, Mag­da«, ant­wor­te­te ich dar­um, »du bist hier im Au­gen­blick wirk­lich schlecht ab­kömm­lich. Und dann ist da dein Haus­halt. Else ist doch noch sehr jung …« (Gute, trös­ten­de Else …!) »Es ist schon das Bes­te, ich fah­re selbst. Ich füh­le mich wie­der ganz frisch, und mit mei­nen Fü­ßen, das wer­de ich mir schon so ein­rich­ten … Ich kann ja Ta­xen neh­men …«

      Has­tig un­ter­brach mich Mag­da: »Du kannst kei­nes­falls fah­ren, Er­win. Du weißt, du bist noch nicht ganz in Ord­nung.« Sie sah mich fest an, nicht böse, son­dern eher trau­rig-lie­be­voll, aber un­aus­weich­lich СКАЧАТЬ