Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada
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Название: Hans Fallada – Gesammelte Werke

Автор: Hans Fallada

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962813598

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СКАЧАТЬ las er schon wie­der.

      Das an­de­re Mal war Quan­gel auf den Sche­mel ge­stie­gen und be­müh­te sich, auf den Hof hin­aus­zu­schau­en, von dem das gleich­mä­ßi­ge Schar­ren vie­ler Füße er­tön­te.

      »Jetzt lie­ber nicht, Herr Quan­gel!«, sag­te der Dr. Reich­hardt. »Jetzt ist Frei­stun­de. Man­che Be­am­te mer­ken sich ge­nau die Fens­ter, wo ei­ner raus­schaut. Dann fliegt der in die Dun­kel­zel­le bei Was­ser und Brot. Abends kön­nen Sie meist aus dem Fens­ter se­hen.«

      Dann kam das Mit­ta­ges­sen. Quan­gel, der den lie­der­lich zu­sam­men­ge­koch­ten Fraß des Ge­sta­po­bun­kers ge­wohnt war, sah mit Stau­nen, dass es hier zwei große Näp­fe mit Sup­pe gab und zwei Tel­ler mit Fleisch, Kar­tof­feln und grü­nen Boh­nen. Aber mit noch grö­ße­rem Er­stau­nen sah er, wie sein Zel­len­ge­nos­se sich in das Wasch­be­cken ein we­nig Was­ser tat, sich sorg­fäl­tig die Hän­de wusch und sie dann ab­trock­ne­te. Dr. Reich­hardt füll­te neu­es Was­ser ins Be­cken und sag­te sehr höf­lich: »Bit­te sehr, Herr Quan­gel!«, und Quan­gel wusch sich ge­hor­sam auch die Hän­de, ob­wohl er doch nichts Schmut­zi­ges an­ge­fasst hat­te.

      Dann aßen sie fast schwei­gend das für Quan­gel un­ge­wohnt gute Mit­ta­ges­sen.

      Es dau­er­te drei Tage, bis der Werk­meis­ter be­griff, dass die­ses Es­sen nicht die üb­li­che vom Volks­ge­richt den Un­ter­su­chungs­häft­lin­gen ge­spen­de­te Kost war, son­dern Herrn Dr. Reich­hardts pri­va­tes Es­sen, an dem er sei­nen Zel­len­ge­nos­sen ohne al­les Auf­he­ben teil­neh­men ließ. Wie er auch be­reit war, Quan­gel von al­lem ab­zu­ge­ben, von sei­nen Rauch­wa­ren, der Sei­fe, sei­nen Bü­chern; der an­de­re muss­te nur wol­len.

      Und es dau­er­te noch ei­ni­ge Tage län­ger, bis Otto Quan­gel sein plötz­lich an­ge­sichts all sol­cher Freund­lich­kei­ten ge­gen Dr. Reich­hardt auf­ge­kom­me­nes Miss­trau­en über­wand. Wer sol­che un­ge­heu­er­li­chen Ver­güns­ti­gun­gen ge­noss, muss­te ein Spit­zel des Volks­ge­richts sein, die­ser Ge­dan­ke hat­te sich in Otto Quan­gel fest­ge­setzt. Wer sol­che Ge­fäl­lig­kei­ten er­wies, der muss­te vom an­de­ren was wol­len. Nimm dich in acht, Quan­gel!

      Aber was konn­te der Mann von ihm wol­len? In Quan­gels Fall lag al­les klar, auch vor dem Un­ter­su­chungs­rich­ter des Volks­ge­richts hat­te er nüch­tern und ohne viel Wor­te die Aus­sa­gen wie­der­holt, die er schon vor den Kom­missa­ren Esche­rich und Laub ge­macht hat­te. Er hat­te al­les er­zählt, wie es wirk­lich ge­we­sen war, und wenn die Ak­ten noch im­mer nicht zur An­kla­ge­er­he­bung und Fest­set­zung des Ver­hand­lungs­ter­mins wei­ter­ge­ge­ben wa­ren, so lag das nur dar­an, dass Frau Anna mit ei­ner Hart­nä­ckig­keit son­der­glei­chen dar­auf be­stand, sie habe ei­gent­lich al­les ge­tan und ihr Mann sei nur ein Werk­zeug in ih­rer Hand ge­we­sen. Aber das al­les gab kei­ner­lei Grund ab, kost­ba­re Zi­ga­ret­ten und sät­ti­gen­des, sau­be­res Es­sen an Quan­gel zu ver­schen­ken. Der Fall lag klar, es gab an ihm nichts zu be­spit­zeln.

      Rich­tig über­wand Quan­gel sein Miss­trau­en ge­gen Dr. Reich­hardt erst in ei­ner Nacht, da sein Zel­len­ka­me­rad, der über­le­ge­ne, fei­ne Herr, ihm flüs­ternd ge­stand, dass auch er noch oft eine grau­en­haf­te Angst vor dem Tode habe, sei es nun Fall­beil oder Strick; der Ge­dan­ke dar­an be­schäf­ti­ge ihn oft stun­den­lang. Dr. Reich­hardt ge­stand nun auch ein, dass er oft nur me­cha­nisch die Sei­ten sei­nes Bu­ches um­wen­de­te: vor den Au­gen stand ihm nicht die schwar­ze Druck­schrift, son­dern ein grau ze­men­tier­ter Ge­fäng­nis­hof, ein Gal­gen mit ei­nem sach­te im Win­de bau­meln­den Strick, der aus ei­nem ge­sun­den, kräf­ti­gen Man­ne in drei bis fünf Mi­nu­ten ein wi­der­li­ches, ver­reck­tes Stück Ka­da­ver mach­te.

      Aber noch grau­en­haf­ter als die­ses Ende, dem Dr. Reich­hardt (sei­ner fes­ten An­nah­me nach) mit je­dem Tag sei­nes Le­bens un­auf­halt­sam nä­her­ge­bracht wur­de, noch grau­en­haf­ter war ihm der Ge­dan­ke an sei­ne Fa­mi­lie. Quan­gel er­fuhr, dass Reich­hardt von sei­ner Frau drei Kin­der hat­te, zwei Jun­gen, ein Mä­del, das äl­tes­te elf, das jüngs­te erst vier Jah­re alt. Und Reich­hardt hat­te oft Angst, grau­en­haf­te, pa­ni­sche Angst, dass die Ver­fol­ger sich nicht mit der Er­mor­dung des Va­ters be­gnü­gen, son­dern dass sie ihre Ra­che auch auf die un­schul­di­ge Frau und die Kin­der aus­deh­nen, sie in ein KZ ver­schlep­pen und lang­sam zu Tode mar­tern wür­den.

      An­ge­sichts die­ser Sor­gen wur­de nicht nur Quan­gels Miss­trau­en weg­ge­fegt, son­dern er kam sich auch wie ein ver­gleichs­wei­se be­güns­tig­ter Mann vor. Er hat­te nur um Anna zu sor­gen, und wenn ihre Aus­sa­gen auch wi­der­sin­nig und tö­richt wa­ren, so sah er doch aus ih­nen, dass Anna Mut und Kraft zu­rück­ge­won­nen hat­te. Ei­nes Ta­ges wür­den sie bei­de ge­mein­sam ster­ben müs­sen, aber das Ster­ben wur­de leich­ter ge­macht da­durch, dass es ge­mein­schaft­lich ge­sch­ah, dass sie nie­man­den auf der Erde zu­rück­lie­ßen, um den sie sich in ih­rer To­des­stun­de noch ängs­ti­gen muss­ten. Die Qua­len, die Dr. Reich­hardt um sei­ne Frau und sei­ne drei Kin­der lei­den muss­te, wa­ren un­ver­gleich­lich grö­ßer. Sie wür­den ihn bis in die letz­te Se­kun­de sei­nes Ster­bens be­glei­ten, das be­griff der alte Werk­meis­ter wohl.

      Was Dr. Reich­hardt ei­gent­lich ver­bro­chen ha­ben soll­te, dass ihm der Tod so ge­wiss schi­en, er­fuhr Quan­gel nie ganz ge­nau. Es schi­en ihm, als habe sein Zel­len­ge­fähr­te sich nicht so sehr ak­tiv ge­gen die Hit­ler­dik­ta­tur ver­gan­gen, sich nicht ver­schwo­ren, kei­ne Pla­ka­te ge­klebt, kei­ne At­ten­ta­te vor­be­rei­tet, als viel­mehr nur so ge­lebt, wie es sei­ner Über­zeu­gung ent­sprach. Er hat­te sich al­len na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Lo­ckun­gen ent­zo­gen, er hat­te nie mit Wort oder Tat oder Geld zu ih­ren Samm­lun­gen et­was bei­ge­steu­ert, aber er hat­te oft sei­ne war­nen­de Stim­me er­ho­ben. Er hat­te klar ge­sagt, für wie un­heil­voll er den Weg hielt, den das deut­sche Volk un­ter die­ser Füh­rung ging, kurz, er hat­te all das, was Quan­gel in we­ni­gen Sät­zen un­be­hol­fen auf Post­kar­ten ge­schrie­ben hat­te, zu je­dem ge­äu­ßert, im In­lan­de wie im Aus­lan­de. Denn bis in die letz­ten Kriegs­jah­re hin­ein hat­ten den Dr. Reich­hardt sei­ne Kon­zer­te noch ins Aus­land ge­führt.

      Es brauch­te sehr viel Zeit, bis der Tisch­ler Quan­gel sich ein ei­ni­ger­ma­ßen kla­res Bild von der Art der Ar­beit mach­te, die Dr. Reich­hardt drau­ßen in der Welt ge­leis­tet hat­te – und ganz klar wur­de die­ses Bild nie, und ganz als Ar­beit sah er in sei­nem tiefs­ten In­nern die Tä­tig­keit Reich­hardts nie an.

      Als er zu­erst ge­hört hat­te, dass Reich­hardt Mu­si­ker war, hat­te er an die Mu­si­kan­ten ge­dacht, die in den klei­nen Kaf­fee­häu­sern zum Tanz auf­spie­len, und er hat­te mit­lei­dig und ver­ächt­lich über sol­che Ar­beit für einen star­ken Mann mit ge­sun­den Glie­dern ge­lä­chelt. Das war ge­nau wie das Le­sen et­was Über­flüs­si­ges, auf das nur fei­ne Leu­te ge­rie­ten, die kei­ne ver­nünf­ti­ge Ar­beit hat­ten.

      Reich­hardt muss­te es dem al­ten Mann weit­läu­fig und im­mer wie­der er­klä­ren, was ein Or­che­s­ter war und was ein Di­ri­gent tat. Quan­gel woll­te das im­mer wie­der hö­ren.

      »Und СКАЧАТЬ