Alle guten Geister…. Anna Schieber
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Название: Alle guten Geister…

Автор: Anna Schieber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066112202

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СКАЧАТЬ als er eines Tages lange ausgewesen war, fand er, als er heim kam, die Wände seines Hauses eingeschlagen. Das hatte sein Feind getan. Der hatte ihm einen rechten Schabernack antun wollen. Nun konnte das Licht herein. Es strömte durch das ganze Haus und drang in alle Ecken. Ganz voll von Licht war das Haus. Aber nun war es auch zerstört. „Das schadet nichts,“ sagte der einfältige Mensch vergnügt, „wollen schon ein neues kriegen.“ Von dem neuen Haus ist nichts gesagt. Da wird er ja wohl das Licht hereingelassen haben.

      **

       *

      Es war ein großes, weißes Haus mit unzähligen Fenstern. Es stand abseits von dem Lärm der Gassen. Ein großer, schattiger Garten war rings darum her; die alten, hohen Bäume reichten mit ihren obersten Zweigen bis an das Dach. Aber es ging ein hoher, eiserner Zaun um den Garten; an der Eingangspforte war ein Wächter und er ließ nur hinein und heraus, wen er des Ein- und Ausgangs für berechtigt hielt. Die Fenster waren vergittert. Es waren Gefangene des Geistes, die in dem hohen Hause wohnten, Leute, die in irgend einer Art im Dunkel tappten. Sie konnten sich oder andere stoßen, wenn man sie draußen in der Weite gehen ließ. Darum hielt man sie hier verwahrt. Es war wohl der eine und der andere darunter, der nur für eine Zeitlang hier Zuflucht suchen mußte, der, so hoffte man, bald wieder hinaus konnte in das freie Licht. Aber es waren ihrer mehr, hinter denen sich das eiserne Gittertor für immer geschlossen hatte. Was man so menschlich „immer“ heißt, die Spanne Zeit, von der ein alter Dichter sagte, daß sie „dahinfahre wie ein Rauch“. Es ist nicht so weit her mit dem „immer“ eines Menschenlebens. Aber es kann doch lang währen, für den, der wartet, bis eine Zeit um die andere verstreicht, in Not der Gegenwart und Angst vor dem Künftigen.

      Es war wohl viel Angst und Not in den Gemächern des Hauses. Wache, helle Pein, die sich ihrer bewußt war, und die zu Zeiten ihr Elend in lauten, starken Tönen hinausschrie, als ob es die Tür des Himmels aufstoßen müßte; dumpfe, unklare Angst, unter der sich der Geist wand, der aufwachen wollte und nicht konnte. Lächelndes, blödes Elend, das seiner selbst vergessen hatte und mit der Not spielte, wie das Kind, das in der Wolfsgrube saß unter jungen Wölfen und sie mit dem Löffel aufs Maul schlug im Spiel: „Geh weg, oder ich geb’ dir eins.“

      Man kann nicht sagen, daß eins oder das andere das größte Elend von allen sei. Man darf wohl die Augen aufheben und sagen: „Sondern erlöse uns von dem Übel.“ Es ist gut, es ist wohl gewiß gut, daß das „für immer“ eines Menschenlebens nicht gar so lang währt, wenn man das betrachtet.

      Da war eine Frau, eine von denen, die keine Aussicht hatten, wieder mit hellen Augen durch die Welt zu gehen. Sie war noch jung; es sollte noch ein langes Leben vor ihr liegen, wer konnte das wissen? Als sie hereingebracht worden war, hatte sie immer in die dunkelsten Ecken gesehen, ratlose Angst im Gesicht, und hatte geweint und gewimmert. „Nein, es ist nicht tot. Laßt es mich noch einmal versuchen, nur noch einmal. Ich kann nichts dafür. Nein, ich kann nichts dafür. Kann auch ein Weib ihres Kindes vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes?“ Ihre Reden und ihre Gedanken gingen durcheinander. Die Krankheit hatte sich in das Gewand der Schuld verkleidet. Die saß nun neben ihr und sah sie starr an und sagte: „Das war wohl so: du warst in der Backstube, als das kleine Kind so allein in dem großen Bett lag. Das war dir wohl wichtiger, daß das Geschäft blühe? Du hattest es wohl so eilig mit dem Reichwerden? Da schrie das Kind, und kam ins Ausgleiten, das arme kleine Ding. Und kam unter das große Deckbett. Da erstickte es. Das war zu spät, daß du es aufhobst und all’ die Mühe daran wandest, ob es nicht wieder erwache. Du hättest bei ihm bleiben sollen. Was? Das litt der Mann nicht? Das Gepimpel mit dem Kleinen, sagte er? Ist er die Mutter oder du?

      Es war auch noch nicht getauft, nicht wahr? Es war doch schon acht Wochen alt? Ihr hattet keine Zeit, weil Ostern so nahe war und Konfirmation und sonst noch allerlei Festliches; da blühte das Geschäft. Das ging ja vor, natürlich, man konnte es später taufen. Dazu ist es nun viel zu spät. Man kann nicht wissen, kein Mensch weiß, was aus dem kleinen Seelchen geworden ist. Und du bist schuldig. Doch, das bist du.“

      So redete die Krankheit, die in dem Gewand der Schuld mit der jungen Frau hier hereingekommen war. Da schloß sie die Augen, um sie nicht zu sehen. Aber das nützte nichts. Sie drang auch durch die Lider. Sie war überall und immer wach. Es war ein dunkles, dunkles Haus, in dem die Frau saß. Da schickte sie ihre irren hilflosen Gedanken aus, um etwas Licht hereinzubringen. Aber sie verstanden es nicht. Einer kam und sagte: „Irgendwo ist Gott, du mußt beten.“ Der wußte, daß ein Licht sei. Aber er konnte es nicht hereintragen. Da fing die Frau an: „Wenn wir in großer Angst und Pein, und wissen nicht wo aus und ein, und finden weder Hilf noch Rat“; da gingen alle ihre Gedanken rundum und wußten immer nur bis zu dieser Stelle zu sagen. Das währte eine lange Zeit. Da fand sie eines Morgens die Wärterin, wie sie ein kleines Bündel aus Tüchern sorgfältig zusammenwickelte und es an die Brust drückte. „Schlaf, Kindlein, schlaf,“ sang sie leise. Das tat sie nun immer. Sie ließ das Bündel nicht mehr aus den Armen, niemand durfte es berühren. Seitdem weinte sie nicht mehr. Sie sang und lächelte, und trug das Bündel umher. Wenn sie nicht hie und da mit großen, suchenden Augen, wie in sich selbst hineinschauend gestanden wäre, so hätte man nun denken können, sie habe es aufgegeben, nach Licht auszugehen. Aber auch das kam nur noch selten vor.

      Da, nach Jahren, kam einer mit einer blanken Axt, der hatte den Auftrag, ihr die Wände ihres dunklen Hauses einzuschlagen. Er zerstörte es nicht ganz und gar auf einen Hieb. Er stieß ein Loch hinein, da flog viel Staub und Lehm und Mörtel davon, und etwas Helle kam zu dem Bewohner herein. Dann wartete er ein paar Tage. Er war kein Feind, er handelte, wie schon gesagt, im Auftrag, und nun sollte er seinen letzten, stärksten Hieb noch sparen. Vielleicht wäre das Licht sonst gar zu blendend gewesen, wer kann das wissen? Also wartete der Tod noch. Es kam eine Krankheit an die junge Frau, eine von denen, die man eine Erlösung nennt, weil sie rasch und sicher die Körperkraft aufzehren, und ein sanftes Ende der Pein bringen. Sie hatte ein paar Tage im Fieber gelegen und fast nichts geredet. Nun schlug sie die Augen auf; es war mitten in der Nacht. Oder, es ging schon etwas gegen den Morgen hin. Das Fenster stand offen. Draußen in den Bäumen wehte ein sachter Wind, sie rauschten leise. Die Welt lag in tiefem Schlaf, es war ganz still ringsum. Die Kranke hob den Kopf ein wenig und wandte die Augen nach dem Fenster. Da stand der Morgenstern hoch am Himmel über den Baumkronen. Die waren in tiefem Schatten, oben aber leuchtete in der fast durchsichtigen Glocke des Sommernachthimmels der Stern in wunderbarem Glanz. Den hatte sie lang nicht gesehen. Sie hatte in den trüben Nächten ihrer Krankheitsjahre keine Augen für die Schönheiten der Welt gehabt; sie hatte immer ins Dunkel gesehen.

      Sie strich sich über die Stirn. Da war so etwas Freies. War da nicht ein Band gewesen? Wo mochte das hingekommen sein? Wer war sie, und wo?

      Da sah sie das Gitter am Fenster; hinten in der Stube brannte ein kleines Nachtlicht, nur eines Funkens groß. Aus dem anstoßenden Gemach, dessen Tür offen stand, verkündeten kräftige Atemzüge, daß dort jemand schlief, das war die Wärterin. Auf dem Stuhl am Bett lag ein Paket, aus Tüchern zusammengebunden, mit einem Band umwickelt. Da kamen ihr die Gedanken wieder, schreckhaft und schwer. Aber doch anders, als seit langem. Sie griff nicht nach dem Bündel. Die Furcht, die ihr ans Herz kroch, war die Furcht vor etwas Gewesenem. Ob es vorbei war? Ob das abziehende Schatten waren, die wie wogende Nebel durch ihren Kopf zogen? Abziehende und nicht kreisende, die nur einen Augenblick frei ließen, um dann wieder desto fester einzuziehen? Wie war das nur? Sie war so müde, sie konnte kaum eine Hand rühren. Aber als sie so hinaussah in die stille Sommernacht, und das milde Licht des Sterns auf ihr Lager fiel, da versuchte ihr Geist, sich zu regen. Man weiß nicht, was sie erlebte, bis der Morgen kam. Der Arzt sagte, als er die Veränderung sah, das sei von dem Fieber. Aber, sagte er draußen, das helfe nun nichts, denn die Lebenskraft sei am Erlöschen. Das sei hie und da, daß solch ein heller Schein komme vor dem Ende. Denn sie lag mit einem stillen, sanften Gesicht da, und in den Augen war geistiges Leben, kein irres Flackerlicht mehr. Und sie hatte vorhin gefragt, wie das denn sei, sie habe doch zwei kleine Buben, und, nach einigem Zögern, und einen Mann? Die lebten ja doch noch? Und klagte, mit einem Lächeln, das wie um Entschuldigung bittend СКАЧАТЬ