Alle guten Geister…. Anna Schieber
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Название: Alle guten Geister…

Автор: Anna Schieber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066112202

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СКАЧАТЬ auch das war ohne Trauer ausgesprochen. Es fehlten zwei gute, starke Ringe an der Kette, die das Kind mit dem Leben verband. Aber es war darum nicht in steuerlosem Nachen auf der See, es war nur um so fester an das vorige Glied angebunden.

      Die zwei Alten standen unter der Gartentür, als die Kinder herankamen, denn der Rektor war inzwischen aus der Schule heimgekommen, und nun mußte er mitanhören, daß das Kind anfange, auszureißen und daß er wohl ein wenig Schuld daran sei. Das Keckliche, Ungebundene, sagte die Großmutter, das habe es von ihm. Und er ließ das über sich ergehen mit seinem guten, stillen Lächeln. Da kam die Erwartete um die Ecke und zog den kleinen Buben mit sich. „Großvater,“ sagte sie, „du mußt ihm auch noch Musik machen, noch schönere, als der Orgelmann. Er hat keinen Großvater und niemand.“

      „Was?“ sagte der Rektor, „niemand? Bist du nicht ein kleiner Ehrensperger? Gehörst du nicht dem Bäcker drüben am Marktplatz? Was faselst du da, Gertrud?“

      Da trat seine Frau dazwischen. „Nein, laß nur, Mann,“ sagte sie, und war ganz Güte und Mütterlichkeit, „es ist doch ein armes Kind, das weiß ich. Er hat eine Mutter und doch keine. Er hat nicht umsonst solch ein freudloses Gesicht.“

      Wißt ihr, wie das ist mit der Liebe? Das ist wie mit dem Apfelbaum im Garten der Frau Holle, der stand und rief: „Pflücke mich, pflücke mich, meine Äpfel sind alle miteinander reif,“ und als das Kind kam und anstieß, da rollte ihm der schwere Segen in den Schoß.

      So schwer von Reichtum und Früchtesegen steht ein liebereiches Herz, und wartet, ob nicht irgend eine Leere sei, in die es seine Fülle gießen könne, und ist noch dankbar und froh, daß es wieder Raum gewinnt zu neuen Trieben. Sie hatten schon so vieles aus ihrem Leben hingegeben, das sich hatte von ihnen lieben lassen, die beiden alten, jungen Leute. Und da noch quellendes Leben in ihnen war, das lieben mußte, so kam das den anderen zugute.

      Ich will nicht hoffen, daß irgend jemand absprechend den Kopf schüttelt, wann von dem warmen, weiten Herzen der Frau Rektorin die Rede ist. Etwa, weil er ihr den kleinen Hochmutsanfall vom vorigen Kapitel stark ins Wachs gedrückt hat. Trug nicht der große, alte Zwetschgenbaum in meiner Großmutter Garten alljährlich außer den süßen Früchten eine Anzahl aus der Art geschlagener merkwürdiger Knorpeln, die wir „Zwetschgennarren“ nannten? Und verspeisten wir diese säuerlichen Dinger nicht mit besonderem Behagen als eine heitere Merkwürdigkeit des Alten, um uns nachher mit umso größerer Lust an die Erzeugnisse seiner besten, süßesten Säfte zu machen?

      Lächelte nicht ihr Gemahl selbst sein helles, humorvolles Lächeln zu ihren kleinen Schwächen? Und traute er ihr nicht darum doch das Beste, Reichste zu, das in dem fruchtbaren Boden eines liebreichen Herzens gedeihen kann?

      Er aber mußte es doch wohl wissen.

      So wunderte er sich denn auch gar nicht, daß sie den kleinen Georg von diesem Tag an ins Herz schloß, und ihm eine Heimat darin schuf. Das begab sich ganz von selbst, es war weiter nicht die Rede davon. Sie hätte sich das Kind nicht ins Haus geholt. Sie wäre nicht hingegangen und hätte gesagt: „So und so. Ich weiß wohl, daß Sie das Unglück haben mit der kranken Frau, Herr Ehrensperger. Schicken Sie mir die Kinder, oder wenigsten den Kleinen, den Georg. Man muß einander beistehen, das ist Christenpflicht.“ Das hätte sie nicht getan. Aber als der ernsthafte Bub’ so unter ihrer Gartentür stand an Gertruds Hand, und nicht recht Leben zeigte, da nahm sie ihn mit hinein. Natürlich. Was denn weiter?

      „Der Drehorgelmann hat wahrscheinlich Hunger gehabt, ihr Lämmer,“ sagte sie, „nicht nach alten Brotrinden, die in seiner Tasche waren, sondern nach etwas Besserem, das ihr noch nicht so versteht; da hat er denn so ein wenig gepoltert. Wenn die Leute Hunger haben, darf man ihnen nichts übel nehmen.“ Die Beiden saßen hinter dem Tisch und bissen tief in dickgestrichene Gesälzbrote und nickten einander mit blaurot verschmierten Gesichtern zu, und waren geborgen in einem Hafen, in den weder der eine noch der andere Hunger Zutritt hatte.

      Die Alten aber ließen mit Vergnügen ihre reifen Äpfel von den Zweigen fallen. „So, du möchtest gern noch mehr hören, Bub’?“ sagte der Rektor. „Das kann wohl sein.“ Und ging ans Klavier und ließ die Saiten tönen. „Ich hatt’ einen Kameraden,“ spielte er, und behielt dazu die Pfeife zwischen den Zähnen und sah sich drunterhinein nach den Kindern um. „Noch eins, Großvater,“ sagte Gertrud. Da spielte er ein altes Studentenlied: „Es hatten drei Gesellen ein fein Kollegium.“ Und es kam ihn an, daß er die Pfeife neben sich legte und dazu sang.

      „Aber Mann,“ sagte seine Frau. „Ist das auch ein Kinderlied?“ Nein, so eigentlich nicht, gab er zu, aber sie hätten doch ihr helles Vergnügen daran gehabt, und ob das nicht genug auf einmal sei?

      Sie kam mit Wasser und Schwamm und wusch ihnen die Gesichter ab. Und konnte es nicht lassen, den kleinen Buben in die Backe zu kneifen und nachher sänftigend darüber zu streichen. Es war ihr darum, ihm einen Kuß in sein ernsthaftes Gesicht hinein zu geben. Aber den hielt sie noch zurück. Sie wollte ihn nicht scheu machen. Das Kneifen tat auch heute denselben Dienst.

      Es fing etwas an, in dem Kinderherzen auseinanderzugehen. Es war, wie wenn sich ein grünes Blättlein in der Sonne auseinanderwickelt.

      Da war früher einmal, als Georg noch auf ungeschickten Füßen von einem Stuhl zum andern trippelte, eine Frau gewesen, die hatte ihn auch gewaschen und auch, — in die Backe gekniffen hatte sie ihn wohl nicht, aber ähnlich mußte es doch gewesen sein. Sie hatte später viel geweint. Es war einmal ein kleines Kindlein dagewesen, das war durch irgend einen Unfall bald wieder gestorben, und sie hatte sich ja wohl die Schuld daran zugemessen und hatte Tag und Nacht geweint. Es war oft laut dabei zugegangen. Das lag alles noch in unklaren Umrissen in dem Gedächtnis des kleinen Buben. Dann war sie eines Tages nicht mehr dagewesen. Das sei die Mutter, sagte Franz, der wußte es noch besser, der war zwei Jahre älter. Dem sagten es auch die Mägde genau. Sie sei hintersinnig geworden, sagten sie, und das sei schlimmer als tot und werde nie mehr anders. Denn sonst könnten sie eine neue Mutter bekommen und damit sei nun nichts. Der Vater sprach nie davon. Er sprach überhaupt selten etwas mit Georg, er wußte nichts mit dem stillen Kind anzufangen. Er tat ihm weder wohl noch weh. Nun war Jungfer Liese da, erst seit kurzem. Die sprach viel und hatte viel an ihm zu hantieren, zu putzen, zu flicken, zu erziehen. Sie hatte sich sozusagen mit aufgestülpten Ärmeln an ihre Aufgabe gemacht. Aber das ließ er so über sich ergehen. Seine Seele, die lag wohl noch in der Knospe, die regte sich nur so hie und da ein wenig. Aber jetzt, heute. Es war ihm so wunderlich zu Mute. Er mochte sich nicht rühren. Es war, als ob sonst alles aus wäre. Darum blieb er ruhig sitzen, bis irgendwo eine Glocke läutete und der Rektor sagte, daß das die Betglocke sei und daß er jetzt nach Haus gehen müsse. „Ja, und morgen kommst du wieder,“ sagte Gertrud, „und morgen komm’ ich wieder,“ sagte Georg, und der Rektor setzte auf dieses Versprechen einen ungeheuren Handschlag. Einen Handschlag, der an Kraft und Wärme alles übertraf, was Georg in den sechs Jahren seines Lebens in dieser Art kennen gelernt hatte und dem er seine kleine, braune Bubenhand und sein ganzes erwachende Ich ohne Widerstand auslieferte.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war einmal ein Mensch, der saß ganz im Dunkeln. Er hatte sich ein Haus gebaut und daran die Fenster vergessen; es war ein einfältiger Mensch. Da saß er nun und sann, wie er Licht in sein Haus bringen könne. Denn daß es draußen die Welt erfüllte, das sah er, wenn er unter seine Tür trat. Und er ging aus, nahm einen Sack mit, in den ließ er die Sonne scheinen, dann, als er voll von Licht war, band er ihn zu und trug ihn in sein Haus. So tat er eine lange Zeit und wunderte sich, daß es nicht hell werden wollte, wenn er den Sack aufband und ausleerte. „Es ist noch nicht genug,“ sagte er und ging aufs Neue, Licht hereinzutragen. Es war ein hartes Leben. Es war nur zu ertragen durch die stete Mühe, СКАЧАТЬ