Alle guten Geister…. Anna Schieber
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Alle guten Geister… - Anna Schieber страница 14

Название: Alle guten Geister…

Автор: Anna Schieber

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066112202

isbn:

СКАЧАТЬ ist mein Herz,“ sagte sie müde.

      „Laß einmal hören.“ Da legte er seinen runden Bubenkopf auf die Decke. Sie lächelte.

      Sie lächelte auch noch, als die Wärterin wieder hereinkam und zu dem Mann sagte: „Sehen Sie doch,“ und den Buben von ihrer Brust wegnahm und auf den Boden stellte.

      „Bst,“ sagte er, „es klopft nicht mehr. Ich habe den Kopf draufgelegt, jetzt hat es aufgehört.“

      Aber er wußte nicht, was das war.

      „Nein,“ sagte die Wärterin, „es klopft nicht mehr.“

      Da hatte nun der Mann mit der Axt, der Tod, den letzten Hieb getan. Da hatte der Bewohner nicht mehr seines Bleibens in dem Haus. Es tat ihm auch nicht mehr not.

      Er hatte heute ein freundliches Licht und eine kleine, keimende Liebe gesehen, und die Augen waren ihm davon groß und froh geworden.

      Nun waren sie ja wohl stark genug, in eine Flut von Licht und in eine große, überwallende Liebe zu schauen, die in dem neuen Haus auf ihn warten mochten.

      Aber unsere Sprache hat kein Wort, davon zu reden.

      **

       *

      Die Stadtzinkenisten hatten den Trauerchoral vom Wiblinger Kirchenturm geblasen und waren eben die Treppe hinuntergepoltert, um nun auch auf dem Weg zum Kirchhof zu blasen. Es war nächstens Zeit, ans Läuten zu gehen.

      Die beiden Freunde, der Korbmacher Hollermann und der Turmwächter Nössel, hatten still zugehört und in wandernden Gedanken der Lebenden und der Toten gedacht und daß sie wohl alle in guten Händen seien und alle einmal mütterlich nach Hause geleitet werden.

      Sie hatten es nicht beredet; sie wußten einer des andern Gedanken auch ohne das.

      Da griff der Turmwächter auf den Sims über dem einen Fenster und holte da ein Buch herunter und las, da schon auf der Straße unten der schwarze Wagen über das Pflaster rasselte, eine Stelle, die angestrichen war und bei der ein getrocknetes Kräutlein lag:

      „Denn die Welt ist vor dir wie ein Stäublein an der Wage und wie ein Tropfen des Morgentaus, der auf die Erde fällt.

      Aber du erbarmst dich über alles; denn du hast Gewalt über alles.

      Denn du liebest alles, was da ist, und hassest nichts, das du gemacht hast; denn du hast ja nichts bereitet, dazu du Haß hättest.

      Wie könnte etwas bleiben, wenn du nicht wolltest? oder wie könnte erhalten werden, das du nicht gerufen hättest?

      Du schonest aber aller; denn sie sind dein, Herr, du Liebhaber des Lebens, und dein unvergänglicher Geist ist in allen!“

      Als er das gelesen hatte, nickte er zufrieden mit dem Kopf und legte das Buch wieder an seinen Ort.

      „Da brauchen wir uns ja nicht weiter den Kopf zu zerbrechen,“ sagte er. „Da versammeln sie sich nun allmählich, da unten um die weiße Kapelle her, und liegen ganz still, ein jedes an seinem Ort. Und haben viel Qual und Unruhe hinter sich, und Sorgen, und haben viel Umwege gemacht, da man nicht wissen könnte, ob sich auch nur eins von ihnen nach Hause findet, wenn das nicht wäre, davon hier geredet ist: „Denn sie sind dein, du Liebhaber des Lebens, und dein unvergänglicher Geist ist in allen.“

      „Ja,“ sagte Hollermann und setzte die Schildkappe auf, um zu gehen, „es wird uns ja wohl zu gut gehalten werden, daß wir davon reden als einfältige Leute, die wohl wissen, daß unser Herrgott ein ganzes Stück klüger ist als wir.

      Nämlich, daß wir das nicht in unser Herz hineinbringen, das mit dem großen Unterschied drüben, der nicht auszusagen sei und nicht aufhöre; und das mit dem Gedanken, daß Gott es mit etlichen seiner Kinder in alle Ewigkeit nicht mehr zurecht bringe und ohne sie leben müsse in seiner himmlischen Herrlichkeit und Pracht. Da man ihm doch zutrauen möchte, daß er sie alle herausholen möchte aus Sumpf und Feuer und dem Tod und sie endlich einmal bei sich zu Haus sein lasse, wenn’s genug ist mit der Plage.“

      Der Flickschneider hatte die Brille eingeschoben und ging mit seinem alten Kameraden das Treppchen hinab zum Läuten. „Wir haben wohl nicht so den Verstand,“ sagte er. „Das liegt uns nur so im Gemüt. Etliche sagen, die Bosheit sei allzugroß, und etliche wieder anders; es sei, als ob drüben die Geister ineinander flössen, wie die Bäche in die Flüsse, und die Flüsse ins Meer, da man die Wasser nicht mehr unterscheidet und alles ein großes Wallen ist. Aber das ist uns nicht bekannt und das wird auch so recht sein, damit wir unseres Weges gehen wie die Kinder, und nicht gar so klug sein wollen.“

      Da ließen sie die große Frage, die sie nicht um der Frau willen allein aufgeworfen hatten, der das Läuten galt, sondern die je und je ihre Herzen bewegte in Hoffnung und demütigem Vertrauen.

      Unten bliesen die Stadtmusikanten einen Trauermarsch aus aller Kraft ihrer Lungen, und gingen die Ehrenspergersbuben hinter dem Sarg her mit neuen Kleidern und Blumensträußen, und schritt der Bäckermeister zwischen zwei Anverwandten einher, ernsthaften Gesichtes und in einem Rock, der breit und weit genug war, als ein stattlicher Witwer, und ging Jungfer Liese in der Zahl der Frauen als leidtragende Verwandte des Hauses, das Taschentuch zwischen den Händen. Es war alles, wie es sein mußte, denn das Besondere, das um die Frau her war, das hatte der Tod ausgelöscht.

      Gertrud stand in der Reihe mit den singenden Schulkindern; und als sie ihren Kameraden sah, der mit einem merkwürdig erloschenen Gesicht nach dem sinkenden Sarg blickte, da war es ihr doch, als müsse sie neben ihm stehen, als gehe das gar nicht anders an. Und sie verstieß gegen alles Herkommen, wie das rasch und lebhaft empfindende Menschen zuweilen tun, und schob sich leise, einen Schritt um den andern, zwischen den Männern des Gefolges und etlichen Cypressen und Grabkreuzen durch, bis sie dicht hinter Georg stand und ihn sachte am Ärmel zupfte. Jungfer Liese warf einen vernichtenden Blick nach ihr und vergaß einen Augenblick, zu schluchzen.

      Aber das schadete nichts. Darum hatten die zwei Kinder doch zu dieser Stunde einen Teil aneinander, und konnten das dunkle Kapitel des Lebens, das sie nicht recht verstanden und das hier seinen Schlußpunkt erhielt, schließen lassen, um sich nach Kinderart ihrem eigenen Weg zuzuwenden. Sie nahmen etwas von dem Vergangenen mit da hinein und holten es hie und da gesprächsweise heraus, wenn sie im Dämmer beisammen waren. Aber das Düstere daran, das ging nicht mit. Das zerfloß im Nebel, nur das Lichte, Freundliche blieb. Es war den Kindern doch später, als hätten sie einmal Mütter besessen. Das machte, daß sie das Wenige, das sie von diesem Schatz besaßen, miteinander zu teilen wußten, da wuchs es daran.

       Inhaltsverzeichnis

      „Mutter,“ sagte Lore, das Kind der Putzmacherin Maute, „du mußt schnell was anziehen. Da kommt die Frau Rektor Cabisius aufs Haus zu. Sie macht so kurze, rasche Schritte, wie ein Mädchen geht sie und ist doch schon eine alte Frau. Das heißt, wenigstens hat sie ganz graues Haar. Und überall hält sie den Rocksaum hoch; sieh’ mal, Mutter, da ist doch tiefer Schmutz auf der Gasse, und sie hat nie ein Tüpfelchen Schmutz an sich.“ Lore saß am Fenster und sah in den kleinen Straßenspiegel, der da angebracht war und durch den man alles beobachten konnte, was draußen vorging, ohne selbst gesehen zu werden.

      Ihre Mutter saß ihr gegenüber. Sie hatte die Haare auf Papilloten gewickelt und war mit einer Nachtjacke СКАЧАТЬ