Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ wie große Mut­lo­sig­keit und Mü­dig­keit über sie – bleich lehn­te sie sich zu­rück und starr­te vor sich hin. Men­schen, die an­ge­strengt lau­schen, et­was er­war­ten, ha­ben die­sen ste­ti­gen, ab­we­sen­den Blick. Wil­len­los in die Arme des jun­gen Man­nes ge­schmiegt, ließ sie al­les über sich er­gehn, wäh­rend Am­bro­si­us mit fie­ber­haf­ter Hast an ihr zerr­te. Er bog den blon­den Kopf zu­rück und küss­te das erns­te Ant­litz – er riss das wei­ße Kleid von den Schul­tern – warf die gan­ze schlan­ke Ge­stalt in sei­nen Ar­men hin und her mit der Bru­ta­li­tät ei­nes jun­gen, der sei­ne ers­te Lie­be zu ei­ner Dir­ne in die Schu­le ge­schickt hat. Dann plötz­lich, als wäre er er­schöpft, als mach­te die Lei­den­schaft ihn krank, ließ er die Hän­de sin­ken und saß, an das Mäd­chen ge­lehnt, ru­hig da. Rosa hat­te ih­ren Kopf auf Am­bro­si­us’ Schul­ter ge­stützt – ihr Ge­sicht war un­be­wegt – wie das ei­ner Schla­fen­den, nur – dass die Au­gen weit of­fen­stan­den und an den Wim­pern Trä­nen hin­gen. Nein, sie dach­te an nichts. Sie fühl­te nur das Fie­ber ih­res Blu­tes, hör­te nur das Po­chen ih­res Her­zens. Mecha­nisch schweif­ten ihre Bli­cke im däm­me­ri­gen Rau­me um­her. Fahl kroch das Mond­licht die Fäs­ser und Bal­len hin­an. Mäch­ti­ge Schat­ten wuch­sen an den Wän­den em­por; auf ei­ner Leis­te er­glomm in ei­ner Fla­sche ein ro­ter Fun­ke und blin­zel­te. Von der De­cke hing die Pa­ri­ser Wurst nie­der, ein run­des Un­ge­heu­er, ein Rie­sen­blut­egel, der sich dort oben an­ge­zo­gen hat­te. Un­ge­ord­net, wie im Halb­schlum­mer, be­gan­nen sich Ro­sas Ge­dan­ken um die­se Ge­gen­stän­de zu dre­hen, und un­will­kür­lich müh­te sie sich ab, die­sel­ben zu un­ter­schei­den. Dort stand die He­ring­ston­ne – da­hin­ter schim­mer­te es matt. – Oh, das wa­ren die klei­nen Fi­sche! Die­ser spit­ze Schat­ten kam von der Ecke des La­den­ti­sches – – dort lag ein Tuch – dann ging es fins­ter hin­ab, ein schwar­zer Schacht – dort war noch et­was; et­was wei­ßes – Rosa schau­te es an; der Mehl­sack war es nicht, der stand dort. Nein, sie ver­moch­te es nicht zu er­ken­nen, so­sehr sie sich auch be­müh­te. Stün­de die Ton­ne et­was mehr nach rechts – be­rech­ne­te sie –, dann wür­de sie es un­ter­schei­den kön­nen. Es hät­te ein Ge­sicht sein kön­nen – die bei­den Pünkt­chen die Au­gen –, das schwar­ze Loch der Mund. Am­bro­si­us drück­te Rosa stür­misch an sich und stör­te sie aus ih­rem Hin­brü­ten auf; das wei­ße Ding – jetzt sah sie es deut­lich – es war ein blei­ches, ver­zerr­tes Ge­sicht. Es stütz­te das Kinn auf den Rand der Ton­ne – hat­te die Au­gen weit of­fen – es lach­te. »Dort in der Ecke«, ver­moch­te Rosa nur her­vor­zu­brin­gen, dann sank sie be­täubt zu­sam­men. Nun sah es auch Am­bro­si­us. Fahl und la­chend hing das Ge­sicht noch über der Ton­ne: »Lurch«, rief Am­bro­si­us un­si­cher. »Herr von Tel­le­r­at«, ant­wor­te­te eine lei­se, freund­li­che Stim­me. Am­bro­si­us beug­te sich vor und starr­te mit bit­ter­bö­ser Mie­ne in die Ecke, aus der die Stim­me kam. »Was tun Sie da? Wo kom­men Sie her?«

      »Ja, Herr von Tel­le­r­at«, er­wi­der­te Lurch höf­lich. »Ich weiß das selbst kaum. Ich muss wohl müde ge­we­sen sein. Je­den­falls ver­lang­te mich – ganz plötz­lich – nach mei­nem Bett. Ja – und nun – so glau­be ich«, ein blei­cher Fin­ger tauch­te aus dem Dun­kel auf und leg­te sich an die blei­che Nase, »nun hab ich mein Zim­mer wohl nicht fin­den kön­nen – das ver­mu­te ich –, so bin ich denn hier her­ein­ge­ra­ten. Mög­lich ist es, dass ich ge­glaubt habe, die­ses hier sei mein Bett, ob­gleich mir so et­was wohl schon am Sams­tag – Sie wis­sen – pas­siert ist – aber am Mon­tag nie, von ei­nem Mon­tag ist mir kein sol­cher Fall er­in­ner­lich – kein ein­zi­ger. Ich kann es mir nicht recht er­klä­ren. Üb­ri­gens habe ich hier nicht übel ge­schla­fen – bis auf das eine Bein, das stark ge­drückt wor­den ist. Nun – Gott! Das ist auch na­tür­lich, es wird auch ge­wiss nicht von Be­deu­tung sein.« Zwei dün­ne Bei­ne schlän­gel­ten sich hin­ter der Ton­ne her­vor, dann Lurchs gan­ze Ge­stalt – wun­der­lich zer­knit­tert, ver­bo­gen, be­staubt. »Es ist wirk­lich selt­sam«, mein­te er mit sei­nem jung­fräu­lich schüch­ter­nen Lä­cheln.

      »Selt­sam«, stieß Am­bro­si­us her­vor. »Sie ha­ben sich un­an­stän­dig be­trun­ken und kom­men jetzt, um mich zu stö­ren, um mir auf­zu­lau­ern.«

      »O nein, Herr von Tel­le­r­at. Ich bit­te sehr, nicht so un­freund­lich mit Ihrem Kol­le­gen zu spre­chen.« Lurch pro­tes­tier­te mit mehr Si­cher­heit, als Am­bro­si­us an ihm ge­wohnt war. »Auch soll­ten Sie nicht so laut spre­chen, es könn­te Sie je­mand hö­ren, und das wäre – Fräu­lein Rosa un­an­ge­nehm, denn Sie ha­ben Fräu­lein Rosa ge­küsst, mit Er­laub­nis zu sa­gen; dar­um war ich so still, ich moch­te Sie nicht stö­ren. Wenn aber je­mand käme…«

      »Ah – hm«, ließ Am­bro­si­us ver­lau­ten. »Ja so!« Er warf einen scheu­en Blick auf sei­nen Kol­le­gen, denn er fühl­te, dass die­ser un­be­que­me Mit­wis­ser sich sei­ner Macht wohl be­wusst war. Da­rum lach­te Am­bro­si­us und gab sich das An­se­hen, als ma­che er sich aus der gan­zen Ge­schich­te nicht viel.

      »Sie ver­ges­sen ja das arme Täub­chen«, rief Lurch sen­ti­men­tal. »Da liegt es; ach, es ist ohn­mäch­tig.«

      Be­we­gungs­los lag Rosa da, die Auf­re­gung und der Schreck hat­ten ih­rem blei­chen Ge­sicht einen Aus­druck so tie­fen Schmer­zes auf­ge­prägt, dass die bei­den jun­gen Män­ner be­stürzt wur­den.

      »Was tun wir, Lurch?« frag­te Am­bro­si­us hilf­los und är­ger­lich.

      »Oh, mit ein we­nig Spi­ri­tus ist aus­ge­hol­fen – hier hab ich die Fla­sche.«

      Un­schlüs­sig nag­te Am­bro­si­us an sei­ner Un­ter­lip­pe. »Lurch«, be­gann er dann, »man wird uns im Saa­le ver­mis­sen.«

      »Ja, Herr von Tel­le­r­at, das ver­mu­te ich al­ler­dings«, er­wi­der­te Lurch sehr un­deut­lich, denn er hielt den Kor­ken der Fla­sche zwi­schen den Zäh­nen, wäh­rend er den Spi­ri­tus auf sein Ta­schen­tuch goß.

      »Das könn­te uns kom­pro­mit­tie­ren?« frag­te Am­bro­si­us wei­ter.

      »Mög­lich, Herr von Tel­le­r­at, mög­lich wäre es im­mer­hin«, war die Ant­wort.

      Am­bro­si­us fass­te sei­nen Ent­schluss, leg­te Ro­sas Kopf has­tig auf die Kis­te und eil­te zur Türe. »Nicht wahr, bes­ter Lurch«, rief er zu­rück, »Sie se­hen nach Rosa – nach – hm dem Mäd­chen? Ich keh­re in den Saal zu­rück. Mei­ne Ab­we­sen­heit wird auf­fal­len – –«

      Er ver­schwand.

      Freund­lich, mild und gut­ge­launt blick­te Lurch auf das da­lie­gen­de Mäd­chen; wun­der­lich aber war es, wie die­se Freund­lich­keit, die­se Mil­de und gute Lau­ne ihm übel stan­den und sein Ge­sicht ver­zerr­ten. Mit krum­men Kni­en und auf den Fuß­spit­zen nä­her­te er sich der Kis­te und drück­te be­hut­sam sein Ta­schen­tuch ge­gen Ro­sas Ge­sicht; da­bei stieß er zu­wei­len einen kla­gen­den Laut aus oder sprach lei­se vor sich hin in der wei­chen, lal­len­den Wei­se, in der Am­men ihre Säug­lin­ge an­zu­re­den pfle­gen. »So – so – es wird bes­ser. Le­gen wir das auf die klei­ne Stirn – die klei­ne, klei­ne Stirn –; ist’s so gut, was?« Rosa be­weg­te sich. »Oh«, mein­te Lurch ernst, СКАЧАТЬ