Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke
Автор: Eduard von Keyserling
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962814601
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»Ja, Herr von Tellerat«, erwiderte Lurch höflich. »Ich weiß das selbst kaum. Ich muss wohl müde gewesen sein. Jedenfalls verlangte mich – ganz plötzlich – nach meinem Bett. Ja – und nun – so glaube ich«, ein bleicher Finger tauchte aus dem Dunkel auf und legte sich an die bleiche Nase, »nun hab ich mein Zimmer wohl nicht finden können – das vermute ich –, so bin ich denn hier hereingeraten. Möglich ist es, dass ich geglaubt habe, dieses hier sei mein Bett, obgleich mir so etwas wohl schon am Samstag – Sie wissen – passiert ist – aber am Montag nie, von einem Montag ist mir kein solcher Fall erinnerlich – kein einziger. Ich kann es mir nicht recht erklären. Übrigens habe ich hier nicht übel geschlafen – bis auf das eine Bein, das stark gedrückt worden ist. Nun – Gott! Das ist auch natürlich, es wird auch gewiss nicht von Bedeutung sein.« Zwei dünne Beine schlängelten sich hinter der Tonne hervor, dann Lurchs ganze Gestalt – wunderlich zerknittert, verbogen, bestaubt. »Es ist wirklich seltsam«, meinte er mit seinem jungfräulich schüchternen Lächeln.
»Seltsam«, stieß Ambrosius hervor. »Sie haben sich unanständig betrunken und kommen jetzt, um mich zu stören, um mir aufzulauern.«
»O nein, Herr von Tellerat. Ich bitte sehr, nicht so unfreundlich mit Ihrem Kollegen zu sprechen.« Lurch protestierte mit mehr Sicherheit, als Ambrosius an ihm gewohnt war. »Auch sollten Sie nicht so laut sprechen, es könnte Sie jemand hören, und das wäre – Fräulein Rosa unangenehm, denn Sie haben Fräulein Rosa geküsst, mit Erlaubnis zu sagen; darum war ich so still, ich mochte Sie nicht stören. Wenn aber jemand käme…«
»Ah – hm«, ließ Ambrosius verlauten. »Ja so!« Er warf einen scheuen Blick auf seinen Kollegen, denn er fühlte, dass dieser unbequeme Mitwisser sich seiner Macht wohl bewusst war. Darum lachte Ambrosius und gab sich das Ansehen, als mache er sich aus der ganzen Geschichte nicht viel.
»Sie vergessen ja das arme Täubchen«, rief Lurch sentimental. »Da liegt es; ach, es ist ohnmächtig.«
Bewegungslos lag Rosa da, die Aufregung und der Schreck hatten ihrem bleichen Gesicht einen Ausdruck so tiefen Schmerzes aufgeprägt, dass die beiden jungen Männer bestürzt wurden.
»Was tun wir, Lurch?« fragte Ambrosius hilflos und ärgerlich.
»Oh, mit ein wenig Spiritus ist ausgeholfen – hier hab ich die Flasche.«
Unschlüssig nagte Ambrosius an seiner Unterlippe. »Lurch«, begann er dann, »man wird uns im Saale vermissen.«
»Ja, Herr von Tellerat, das vermute ich allerdings«, erwiderte Lurch sehr undeutlich, denn er hielt den Korken der Flasche zwischen den Zähnen, während er den Spiritus auf sein Taschentuch goß.
»Das könnte uns kompromittieren?« fragte Ambrosius weiter.
»Möglich, Herr von Tellerat, möglich wäre es immerhin«, war die Antwort.
Ambrosius fasste seinen Entschluss, legte Rosas Kopf hastig auf die Kiste und eilte zur Türe. »Nicht wahr, bester Lurch«, rief er zurück, »Sie sehen nach Rosa – nach – hm dem Mädchen? Ich kehre in den Saal zurück. Meine Abwesenheit wird auffallen – –«
Er verschwand.
Freundlich, mild und gutgelaunt blickte Lurch auf das daliegende Mädchen; wunderlich aber war es, wie diese Freundlichkeit, diese Milde und gute Laune ihm übel standen und sein Gesicht verzerrten. Mit krummen Knien und auf den Fußspitzen näherte er sich der Kiste und drückte behutsam sein Taschentuch gegen Rosas Gesicht; dabei stieß er zuweilen einen klagenden Laut aus oder sprach leise vor sich hin in der weichen, lallenden Weise, in der Ammen ihre Säuglinge anzureden pflegen. »So – so – es wird besser. Legen wir das auf die kleine Stirn – die kleine, kleine Stirn –; ist’s so gut, was?« Rosa bewegte sich. »Oh«, meinte Lurch ernst, СКАЧАТЬ