Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ des Fräu­lein Wut­ter. Die jun­gen Leu­te be­trie­ben ihr lus­ti­ges Ge­schäft mit atem­lo­sem Ei­fer, die rück­sichts­lo­se Hast, in der die Her­ren nach den er­hitz­ten Däm­chen grif­fen, zeig­te, wie ei­nem je­den die schnel­le, tol­le Be­we­gung das Wich­tigs­te war, und im ge­mein­sa­men Ver­gnü­gen ver­gaß ei­ner des an­de­ren Per­son. Den­noch zeig­te sich nur sel­ten ein Lä­cheln auf den jun­gen Ge­sich­tern. Die Da­men hat­ten rote Wan­gen und leuch­ten­de, ver­wun­der­te Au­gen. Ihr Blut, von Wein und Be­we­gung er­hitzt, schi­en den jun­gen Her­zen et­was Erns­te­res zu pre­di­gen, das sich in den Tanz misch­te – et­was, das die we­nigs­ten ver­stan­den.

      »Wir ha­ben Sie ge­sucht, Fräu­lein La­nin!« rief Tod­dels. »Bei Gott, wie eine Steck­na­del ha­ben wir Sie ge­sucht! Ich bit­te um Ihren Wal­zer, Sie sind das mir und sich selbst schul­dig.« Fräu­lein Sal­ly nick­te und warf sich hin­ge­bend in die lan­gen schwar­zen Arme des jun­gen Tod­dels. Rosa tanz­te mit ei­nem vier­schrö­ti­gen Se­kun­da­ner, ei­nem so­ge­nann­ten »for­schen« Tän­zer, der laut mit den Ab­sät­zen auf­klapp­te und mit zu­rück­ge­wor­fe­nem Kopf, die Au­gen halb ge­schlos­sen, durch den Saal rann­te. Als sie an der Türe des Eß­saa­l­es vor­über­tanz­ten, sah Rosa Lurch an der halb ab­ge­deck­ten Ta­fel sit­zen. Her­weg stand vor ihm und trank ihm zu; bei­de lach­ten, wo­bei Lurch den Mund weit und schmerz­voll öff­ne­te.

      »Aha! Koll­hardt hat den Lurch vor. Das wird Scherz ge­ben«, be­merk­te der Se­kun­da­ner Ge­or­ges – Ro­sas Tän­zer.

      »Was tut er ihm?« frag­te Rosa.

      »Nichts, mein Fräu­lein, Sie kön­nen un­be­sorgt sein; er säuft ihn nur ein we­nig ein«, er­wi­der­te Ge­or­ges sehr höf­lich.

      Ma­ri­an­ne Schulz saß ker­zen­ge­ra­de auf ih­rem Stuhl und war­te­te: »Wie­viel Uhr ist’s, Herr Tod­dels – bit­te«, flüs­ter­te sie. »Drei­vier­tel elf«, er­wi­der­te er hoch­mü­tig und bat Fräu­lein Klappe­kahl um ih­ren Tanz. »Gott sei Dank, erst drei­vier­tel elf!« rief Ma­ri­an­ne aus. Sie fal­te­te ihre ro­ten Händ­chen, blick­te mit den kla­ren run­den Au­gen still vor sich hin und war­te­te auf das große Glück des Abends.

      »Wie fin­den Sie die Rosa Herz heu­te abend?« frag­te Frau La­nin den Apo­the­ker.

      »Sü­perb! Sie ist so – so –«, Klappe­kahl streck­te sei­ne fünf Fin­ger em­por, um et­was sehr fei­nes an­zu­deu­ten, wo­für er das rech­te Wort nicht fand.

      »Ja, o ja!« nahm Frau La­nin wie­der sanft und freund­lich das Wort. »Sehr hübsch und mun­ter. Fin­den Sie nicht, dass sie ein we­nig –«, Frau La­nin lä­chel­te fromm, »ein we­nig un­pas­send ist? Sie hat et­was, das nicht hier­her ge­hört. Na­tür­lich nichts Schlech­tes! Aber doch et­was Ple­be­ji­sches.«

      »So?« mein­te Klappe­kahl ernst. »O ja! Es ist so et­was – so…« Wie­der ho­ben sich die fünf Fin­ger, die­ses Mal aber be­weg­ten sie sich.

      »Nichts Schlech­tes!« fuhr Frau La­nin fort. »Nein! Ich lie­be das gute Kind. Ach Gott, es hat kei­ne Mut­ter zur Sei­te ge­habt, und ohne Mut­ter, da ist es schwer! Ob­gleich – die Mut­ter der Rosa, hät­te die ge­lebt – wer weiß! Es ist viel­leicht bes­ser so, wie der lie­be Gott es ge­fügt hat.« Frau La­nin seufz­te und schau­te der vor­über­tan­zen­den Rosa zärt­lich nach. »Die gute Schank nimmt sich ih­rer an. Ich – so­viel ich konn­te – ließ dem ar­men Kin­de auch Rat und Hil­fe an­ge­dei­hen. Sie kommt oft zu Sal­ly. Zu­wei­len ißt sie bei uns. Zu Hau­se wird sie nicht viel Gu­tes be­kom­men, so gön­ne ich ihr von Her­zen einen Löf­fel Sup­pe, ein Stück Bra­ten an un­se­rem Tisch. Gott, man tut, was man kann, aber bei die­sem Va­ter! Das arme Kind! Es ist recht – recht trau­rig!« Träu­me­risch blick­te Frau La­nin auf ih­ren graus­ei­de­nen Leib nie­der.

      »Ja! De­mi­mon­de«, ver­setz­te der Apo­the­ker mit Hef­tig­keit.

      Die Rei­he der äl­te­ren Leu­te ward im­mer stil­ler und re­gungs­lo­ser, stumm sa­ßen die Müt­ter da – ver­dros­se­ne Ka­rya­ti­den des An­stands. Plötz­lich er­hob Fräu­lein Schank ihre schar­fe Stim­me: »Lie­be Mut­ter! Es ist wirk­lich ge­nug. Be­den­ken wir, mor­gen ist kein Fei­er­tag.« – Eine all­ge­mei­ne Ent­rüs­tung mach­te sich Luft. »Was un­ter­steht sich die­se Per­son in mei­nem Hau­se«, flüs­ter­te Fräu­lein Sal­ly mit fun­keln­den Au­gen. Ein großes Ge­tüm­mel ent­stand um das Kla­vier und Fräu­lein Schank. Rosa stand ru­hig am Fens­ter. Sie wuss­te es wohl, die­ser merk­wür­di­ge Abend konn­te nicht – so ohne wei­te­res – zu Ende sein, nur weil mor­gen Schul­tag war. Nein! Aber was konn­te noch ge­sche­hen? Am­bro­si­us trat ei­lig an sie her­an und sag­te lei­se: »Jetzt – dort durch jene Tür.« Rosa ver­stand ihn nicht, er aber zog die Stir­ne kraus und wie­der­hol­te hef­tig: »Dort durch jene Tür – durch den Flur.« Rosa senk­te den Kopf und ging auf den Flur hin­aus. Die Türe zur Stra­ße hin stand of­fen, und der Mond warf einen brei­ten gel­ben Streif auf die feuch­ten Stei­ne des Fuß­bo­dens. Ein kal­ter Luft­zug ström­te her­ein, und man hör­te den wei­chen Ton ei­ni­ger Trop­fen, die vom Dachran­de auf das Pflas­ter fie­len. Zit­ternd stand Rosa da und be­deck­te mit den Ar­men ihre hei­ßen Schul­tern. Was soll­te ge­sche­hen? Sie hör­te Schrit­te ne­ben sich. Am­bro­si­us war ihr ge­folgt und zog sie zur ge­gen­über­lie­gen­den Türe, die er auf­s­tieß. Sie stan­den in ei­nem fins­tern Rau­me. An dem Ge­würz- und Fisch­ge­ruch er­kann­te Rosa den La­den. Am­bro­si­us tapp­te durch das Ge­mach – schob et­was – räus­per­te sich; plötz­lich fie­len Mond­strah­len in die Nacht durch ein klei­nes Fens­ter, von dem Am­bro­si­us eben den La­den ent­fern­te, und die­ses Licht, wie es so durch die en­gen, ver­staub­ten Schei­ben drang, er­schi­en selbst grau und ver­küm­mert. Nun mach­te sich Am­bro­si­us mit der Licht­kis­te zu schaf­fen, rück­te sie aus ih­rer Ecke her­aus, be­frei­te sie vom Staub, schob sie hin und her – ge­schäf­tig und ernst – mit der pein­li­chen Lang­sam­keit trä­ger Leu­te, die mit großem Zei­t­auf­wand al­les für eine Ar­beit vor­be­rei­ten, an die sie un­gern ge­hen. »So – den­ke ich, wird es gut sein«, ver­setz­te er end­lich. Dann blick­te er zu Rosa hin­über und sag­te un­si­cher: »Kom­men Sie.« Rosa fürch­te­te sich, am liebs­ten wäre sie da­von­ge­lau­fen, und doch hät­ten die Neu­gier und der Durst nach Er­leb­nis­sen die­ses ver­we­ge­ne Mäd­chen be­wo­gen, in noch wun­der­li­che­ren Au­gen­bli­cken aus­zu­har­ren. So setz­te sie sich auch jetzt lang­sam auf die Licht­kis­te und saß – mit dem scheu er­war­tungs­vol­len Blick ei­nes Kin­des, das ge­schol­ten wer­den soll – auf­recht da. Sie be­deck­te noch im­mer ihre Schul­tern mit den Hän­den, und den Kopf ge­senkt, blick­te sie auf das gel­be, blas­se Licht her­ab, das auf dem Fuß­bo­den zit­ter­te. »Rosa – hm –«, be­gann Am­bro­si­us lei­se, müh­sam die Wor­te su­chend, als habe er ge­wusst, was er sa­gen woll­te, und müs­se sich wie­der dar­auf be­sin­nen. »Sie – viel­mehr du – weißt, dass ich dich – hm – lie­be. Ich konn­te dich heu­te nicht al­lein spre­chen. Ich mein­te, hier wür­den wir un­ge­stört bei­sam­men sein. Hier ist es zwar pri­mi­tiv – aber – hm – warum sprichst du nicht – sage?« frag­te er dann in plötz­li­cher Hilf­lo­sig­keit. »Rosa, ist Ih­nen bang?« – Rosa nick­te. – »Bang? Aber ich tu Ih­nen nichts – ge­wiss nicht!« Er setz­te sich auf die Kis­te und er­griff Ro­sas СКАЧАТЬ