Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ grü­ßend durch die Men­ge schritt. An­fangs gab es ein stei­fes, un­be­hag­li­ches Um­her­ste­hen, bis Fräu­lein Sal­ly die Da­men zu den Sit­zen nö­tig­te, ei­ni­ge bei den Hän­den nahm und sie zu den Stüh­len führ­te – mit ei­ner Mie­ne, auf der deut­lich die Pf­licht­er­fül­lung zu le­sen war. Die Müt­ter setz­ten sich auf So­fas und be­gan­nen ihre Ge­sprä­che über Dienst­bo­ten; Ge­sprä­che, die den Töch­tern eine Pro­fa­na­ti­on des Abends dünk­ten. Herr La­nin klopf­te dem Dok­tor auf den Rücken und for­der­te ihn zu ei­ner Par­tie auf; »wäh­rend die Ju­gend hüpft« – und sie ta­ten bei­de der Ju­gend leid. Klappe­kahl blieb im Saal. Mit knar­ren­den Stie­feln ging er zwi­schen den Da­men um­her, lach­te, scherz­te – mit rit­ter­li­chen Be­we­gun­gen ei­nes al­ten Sa­lon­hel­den –, steck­te sein Ge­sicht noch zu den er­rö­ten­den Mäd­chen­ge­sich­tern und wei­ßen Kin­der­schul­tern und er­götz­te sich als raf­fi­nier­ter Groß­städ­ter an all den auf­blü­hen­den Frau­en­rei­zen. Rosa stand mit­ten im Saal und sprach mit Her­weg über die Hit­ze des heu­ri­gen Som­mers: je­doch Am­bro­si­us’ Aus­blei­ben be­un­ru­hig­te sie. End­lich kam er. Spät – na­tür­lich! Er hat­te einen Spa­zier­gang ge­macht, der Abend war so schön! Sein An­zug war un­ta­del­haft. Wie eine wei­ße Rüs­tung wölb­te sich die Wä­sche aus der weit­aus­ge­schnit­te­nen Wes­te her­vor. Die Lo­cken glänz­ten und duf­te­ten zu bei­den Sei­ten des Schei­tels. Er fä­chel­te sich Luft mit sei­nem Hute zu sprach mit den Müt­tern. Oh, er war be­wun­de­rungs­wür­dig mit sei­ner hei­te­ren, un­be­fan­ge­nen Ruhe in die­sem Au­gen­blick, der alle an­de­ren mit an­däch­ti­ger Steif­heit er­füll­te!

      Er­fri­schun­gen wa­ren ge­reicht wor­den. Die Da­men wisch­ten sich zart die Fin­ger­spit­zen an ih­ren Ta­schen­tü­chern und sa­ßen ge­ra­de da. Der Tanz soll­te be­gin­nen; es war je­doch nicht leicht, den An­fang zu ma­chen, da mein­te Am­bro­si­us, un­be­fan­gen lä­chelnd, als hand­le es sich um einen ge­ring­fü­gi­gen, lus­ti­gen Um­stand: »Nun, Cou­si­ne, tan­zen wir nicht?« – – »Oh, ge­wiss, Cou­sin! Ma­chen Sie den An­fang, bit­te – bit­te.« Man rief nach Mu­sik. Fräu­lein Wut­ter, die Mu­sik­leh­re­rin der Schank­schen Schu­le, setz­te sich an das Kla­vier, und die Mu­sik spiel­te einen Wal­zer. Am­bro­si­us er­griff sei­ne Cou­si­ne und dreh­te sie an­mu­tig im Saal her­um. Der Bann war ge­bro­chen! Die Müt­ter stri­chen sich die Sei­den­klei­der glatt und schau­ten lä­chelnd in das wir­re Durchein­an­der flat­tern­der Bän­der und wei­ßer Klei­der. Die Ka­va­lie­re stie­ßen und dräng­ten sich, um zu den Da­men zu ge­lan­gen und sie mit has­ti­gen, schie­fen Ver­beu­gun­gen zum Tanz auf­zu­for­dern; und die Da­men, mit nie­der­ge­schla­ge­nen Au­gen, er­hitz­ten Wan­gen, lie­ßen sich an­däch­tig durch den Saal schwen­ken. – – Rosa tanz­te mit Am­bro­si­us. Er drück­te ihre Hand mit ei­ner ab­ge­run­de­ten Be­we­gung auf sein Herz und blick­te ge­fühl­voll auf sie nie­der. »Oh, gnä­di­ges Fräu­lein! Ich habe viel an den gest­ri­gen Abend ge­dacht – an Sie – an den Mond – es war köst­lich!« – »Ich auch«, er­wi­der­te Rosa und schlug ihre Au­gen lang­sam zu ihm auf, ge­ho­ben von dem Ge­fühl, dass sie et­was Küh­nes, Un­er­hör­tes be­gin­ne. Als sie an der Türe vor­über­tanz­ten, sah Rosa ih­ren Va­ter dort ste­hen. Lä­chelnd wieg­te er sein wei­ßes Haupt nach dem Tak­te der Mu­sik und blick­te kri­tisch auf die vor­über­tan­zen­den Füße. Dies grei­se, lä­cheln­de Männ­lein er­schi­en Rosa ein we­nig ver­ächt­lich und ih­rer nicht ganz wür­dig. – Der Kron­leuch­ter warf durch den auf­ge­wir­bel­ten Staub ein röt­li­ches Licht auf die wo­gen­de Schar. Das Lä­cheln auf den Lip­pen der zu­schau­en­den äl­te­ren Leu­te nahm eine müde Ste­tig­keit an, wäh­rend die Tan­zen­den schwei­gend atem­los und eif­rig da­hin­stürm­ten.

      Fräu­lein Sal­ly wur­de sehr ge­fei­ert, und bei je­dem neu­en Tän­zer, der sei­nen Arm um ihre schlan­ke, fes­te Tail­le leg­te, be­trieb sie das Tan­zen ru­hi­ger, ge­schäfts­mä­ßi­ger. Sie mach­te einen äu­ßerst rou­ti­nier­ten Ein­druck, und das woll­te sie. Rosa war auch viel um­wor­ben, ihre Tri­um­phe er­reg­ten sie je­doch, ihre Lip­pen wur­den heiß und die Au­gen leuch­tend, »wie Gi­ran­do­len«, sag­te Klappe­kahl mit ei­nem groß­städ­ti­schen Fremd­wort. In der Tat! Sie fühl­te sich heu­te schön und an­zie­hend. Ihr war es, als ste­he sie hoch über ih­ren Ge­nos­sin­nen, als käme sie aus ei­ner frem­den, vor­neh­men Welt in die­se Ge­sell­schaft be­schränk­ter Schü­le­rin­nen und dürf­te mit Ver­ach­tung auf die schüch­ter­nen Back­fisch­ma­nie­ren und en­gen Vor­ur­tei­le die­ser klei­nen Mäd­chen mit den hoch über die Schul­tern ge­hen­den Klei­dern her­ab­se­hen. Sie sprach wäh­rend der Rund­tän­ze. Sie wur­de müde. und die Her­ren muss­ten lan­ge ne­ben ihr war­ten. Sie for­der­te den Apo­the­ker zu ei­nem Wal­zer auf, und als er ihr viel Lie­bens­wür­di­ges zu­flüs­ter­te, gab sie necki­sche Ant­wor­ten, die alle mit »mein Herr« be­gan­nen oder schlos­sen. Oh, viel hat­te sie heu­te abend ge­lernt! War sie nicht eine ganz an­de­re Per­son? Wie im Fie­ber, aber in ei­nem be­glücken­den, er­he­ben­den Fie­ber, flat­ter­te sie durch den Saal. Die Über­zeu­gung, der Mit­tel­punkt des Fes­tes zu sein, ver­schön­te sie.

      Klappe­kahl beug­te sich nah an Fräu­lein Schanks brau­ne Ban­deaux her­an und flüs­ter­te: »Se­hen Sie doch die Rosa Herz. Wel­che ver­ve! Die schaut nicht aus, als käme sie aus Ih­rer Schu­le.«

      »Ach was«, mein­te das Fräu­lein und mach­te ein Ge­sicht, als habe Klappe­kahl wie­der sei­ne Auf­ga­be nicht ge­lernt. »Sie wer­den das Kind ganz zur När­rin ma­chen; es ist oh­ne­hin heu­te laut ge­nug.«

      »Büh­nen­blut!« ki­cher­te Klappe­kahl, »aber fa­mos – die­se Büs­te!« Fräu­lein Schank tat. als höre sie ihn nicht, und saß ernst und ge­ra­de da.

      Es wur­de eine Pau­se ge­macht, die Da­men soll­ten sich vor dem Sou­per er­ho­len. Die Mäd­chen leg­ten ihre nack­ten Arme in­ein­an­der und gin­gen lang­sam im Saa­le auf und ab. Die Her­ren lehn­ten an der Wand und flüs­ter­ten mit­ein­an­der. Nur Am­bro­si­us hat­te sich den Da­men an­ge­schlos­sen. Mit klei­nen Schrit­ten ne­ben ih­nen ein­her­ge­hend, führ­te er die Un­ter­hal­tung. Er schil­der­te Fräu­lein Klappe­kahl den Ein­druck, den der ers­te Thea­ter­abend auf ihn ge­macht hat­te, wie ein Traum sei ihm al­les er­schie­nen, er habe vor Auf­re­gung fast mit­ge­spro­chen, und spä­ter habe er die gan­ze Nacht über ge­weint, denn er sei ein ner­vö­ses, phan­tas­ti­sches Kind ge­we­sen, so­zu­sa­gen »phan­tas­tisch-träu­me­risch«

      Rosa lehn­te ein­sam in der Türe des Da­men­zim­mers und schau­te sin­nend in den Saal hin­ein. Sie durf­te heu­te nicht das tun, was ihre Ge­nos­sin­nen ta­ten; sie hat­te einen Nim­bus zu wah­ren. Die Wür­de ei­ner Ball­kö­ni­gin war ihr noch zu neu, und sie fürch­te­te be­stän­dig, die­se Wür­de zu ver­let­zen. Je­der Au­gen­blick, der sie an die gest­ri­ge, ge­wöhn­li­che Rosa Herz er­in­ner­te, be­drück­te sie. Die Kühn­heit, mit der sie ei­ni­ge Schü­ler ne­ben sich hat­te war­ten las­sen, mit der sie wäh­rend des Tan­zes ge­spro­chen und ge­lacht, mach­te sie in ih­ren Au­gen – zu ei­ner glän­zen­den, mut­wil­li­gen Ge­sell­schafts­ni­xe, die alle Her­zen be­tört und selbst ein ge­heim­nis­vol­les Herz un­ter dem knap­pen Mie­der trägt. Gro­ßer Gott! We­ni­ge rote Bän­der, ei­ni­ge Hand­lungs­die­ner, die sich um einen Wal­zer sto­ßen, ei­ni­ge СКАЧАТЬ