Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke. Eduard von Keyserling
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Название: Eduard von Keyserling – Gesammelte Werke

Автор: Eduard von Keyserling

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962814601

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СКАЧАТЬ halb die Be­harr­lich­keit des Ge­cken, der einen je­den zur Be­wun­de­rung zwin­gen will.

      Ei­nes Sonn­tags, als Rosa am Lan­in­schen Hau­se vor­über­ging, stürm­te Fräu­lein Sal­ly an das Fens­ter und bat Rosa, so­fort her­ein­zu­kom­men, sie müs­se ih­ren Rat ein­ho­len.

      Rosa fand den Lan­in­schen Sa­lon in sonn­täg­li­cher Ruhe und Ord­nung. Auf den Ti­schen la­gen schwar­ze An­dachts­bü­cher, die Mö­bel hat­ten sich der wei­ßen Über­zü­ge ent­le­digt und prang­ten im Voll­glanz des ro­ten Man­che­s­ters. Der star­ke Duft der Sonn­tags­kohl­sup­pe er­füll­te das Ge­mach, und Fräu­lein Sal­ly stand in die­ser At­mo­sphä­re fröh­lich und un­be­fan­gen, als wäre das ihr Ele­ment. Sie hat­te heu­te die Trau­er um den On­kel ab­ge­legt und trug ein net­tes wei­ßes Kleid, das bei je­dem Schritt an­ge­nehm knis­ter­te, als wäre Fräu­lein Sal­ly ein Pa­pier­korb.

      »Ah, da bist du ja!« rief sie Rosa ent­ge­gen. »Der Cou­sin und ich – wir be­ra­ten uns hier eben über das Fest.«

      Ein stol­zes Lä­cheln um­spiel­te Fräu­lein Sal­lys Lip­pen. Am­bro­si­us be­grüß­te Rosa mit ei­ner hüb­schen Ver­beu­gung und streck­te sich dann wie­der nach­läs­sig in sei­nem Ses­sel aus. Rosa ver­moch­te nur »Ah, wirk­lich!« zu er­wi­dern.

      »Ja, mor­gen – du weißt«, sag­te Fräu­lein Sal­ly. »Setz dich, mein Herz. Es kommt näm­lich dar­auf an –« sie rieb sich ge­schäf­tig das Knie und schau­te ih­ren Vet­ter an.

      »Ja«, ver­setz­te die­ser und lä­chel­te gut­mü­tig, »es kommt dar­auf an, wie man die­ses – hm – die­ses klei­ne Fest, die­sen klei­nen ge­müt­li­chen Tanz­abend, ei­gent­lich thé dan­sant, ge­hö­rig ar­ran­giert. Nun, ich – wenn die Da­men mei­ne Mei­nung hö­ren wol­len, ich –« Er schwieg und blies den Rauch sei­ner Zi­ga­ret­te durch die Nase.

      Die bei­den Mäd­chen sa­hen ihn ge­spannt an, als aber nichts er­folg­te, er­griff Fräu­lein Sal­ly wie­der das Wort: »Die Trep­pe muss ge­schmückt wer­den.«

      »Das kann nichts scha­den«, mein­te Am­bro­si­us.

      »Ja, Pflan­zen – tro­pi­sche Pflan­zen«, fuhr Fräu­lein Sal­ly fort. »Ich habe vier Myr­then­stö­cke, du, Rosa, hast einen Gera­ni­um. Gott, es fin­det sich schon.«

      »Vi­el­leicht könn­te man auch in den Sa­lon Blu­men stel­len?« schal­te­te Rosa ein.

      Fräu­lein Sal­ly war un­schlüs­sig, Am­bro­si­us be­geis­ter­te sich aber für die­sen Ge­dan­ken. »Ge­wiss, Grup­pen, warum nicht? Sehr gut – hm – Grup­pen.«

      »Gut also.« Fräu­lein Sal­ly fuhr mit der Hand über ihr Knie, zum Zei­chen, dass die­ser Punkt ab­ge­tan sei. »Wir kom­men jetzt zu den Er­fri­schun­gen. Zum Be­ginn Kaf­fee, na­tür­lich. Ich habe mir ge­dacht, ein Vier­tel Zi­cho­rie, und so – du weißt? Wäh­rend des Tan­zes wer­den But­ter­bro­te ge­reicht. Vi­el­leicht – viel­leicht er­laubt es der Papa, die Pa­ri­ser an­zu­schnei­den, das wäre himm­lisch!« Fräu­lein Sal­ly zähl­te alle Genüs­se des Fes­tes eif­rig auf. Sie ver­stand es, den ge­wöhn­lichs­ten Din­gen einen Nim­bus des Groß­ar­ti­gen und Vor­neh­men zu ge­ben, nur durch die Art, in der sie von ih­nen sprach.

      Am­bro­si­us gab auch Ratschlä­ge in sei­ner nach­läs­si­gen, mit­lei­di­gen Wei­se. Sei­ne Plä­ne zeich­ne­ten sich je­doch durch zu große Über­schweng­lich­keit aus. So woll­te er im Da­men­zim­mer ein Zelt aus Sei­den­ga­ze auf­schla­gen und es mit bun­ten Lam­pen er­leuch­ten.

      Fräu­lein Sal­ly war dem nicht ganz ab­ge­neigt; sie mein­te, man kön­ne dazu die baum­wol­le­nen Bett­vor­hän­ge ih­rer Mut­ter und die Spei­se­zim­mer­lam­pe ver­wen­den.

      Rosa mach­te hin und wie­der auch einen Vor­schlag, den Fräu­lein Sal­ly ge­wöhn­lich be­kämpf­te und den Am­bro­si­us warm ver­trat.

      Es däm­mer­te; die Ecken des Ge­ma­ches wur­den ganz fins­ter, nur in der Nähe des Fens­ters lag noch ein un­si­che­res Licht.

      Fräu­lein Sal­ly sprach eif­rig, die bei­den and­ren wa­ren ein­sil­big. Nur sel­ten schal­te­te Am­bro­si­us ein »Hm« oder einen zu­sam­men­hang­lo­sen Satz ein. Er war mit an­de­ren Din­gen be­schäf­tigt. Vor­sich­tig hat­te er Ro­sas Hand er­grif­fen und hielt nun die­ses wil­len­lo­se, war­me klei­ne Ding, leg­te es dann wie­der fort, um eine sehr hei­ße Wan­ge zu strei­fen.

      Fräu­lein Sal­ly war bei ih­rer Toi­let­te an­ge­langt. »Nicht wahr, denkst du nicht auch?« wand­te sie sich an ihre Freun­din, die nur ein hei­se­res »Ja« ver­lau­ten ließ. Fräu­lein Sal­ly wun­der­te sich nicht dar­über. Sie wuss­te, ein hüb­sches Kleid war für Rosa ein un­lieb­sa­mes The­ma. Na­tür­lich, sie hat­te ja nur das wei­ße Mus­se­lin­kleid, das sie schon zu ih­rer Ein­seg­nung ge­tra­gen, das arme Mäd­chen.

      Der Mond kam plötz­lich über dem Gie­bel des ge­gen­über­lie­gen­den Hau­ses zum Vor­schein und zeich­ne­te das Fens­ter­kreuz auf den Estrich, groß und schwarz auf gol­de­nem Grun­de. Alle schwie­gen. Fräu­lein Sal­ly neig­te das Köpf­chen und blick­te zum Fens­ter hin­über. Rosa rück­te ih­ren Stuhl in den Mond­schein hin­ein und saß still und fei­er­lich da; sie fühl­te, sie sei schön. Am­bro­si­us starr­te sie, rot vor Er­re­gung, an; auch Fräu­lein Sal­ly konn­te ihre Be­wun­de­rung die­ser blon­den, mond­be­glänz­ten Ge­stalt nicht ver­sa­gen; um auch ih­ren Teil an die­ser Schön­heit zu ha­ben, beug­te sie sich an Rosa her­an, leg­te die brau­nen Löck­chen an die blon­den Zöp­fe und sag­te zärt­lich: »Mein lie­bes, lie­bes Herz!«

      »Es ist spät«, ver­setz­te Rosa ernst und ge­rührt, wie es Mäd­chen zu sein pfle­gen, die sich ge­ra­de schön wis­sen. Sie er­hob sich, um heim­zu­ge­hen. Das Mond­licht war so hell, dass es fast wie Ta­ges­licht über dem Städt­chen lag. Ein bläu­li­cher Glanz er­füll­te die Luft und blitz­te auf den Fens­ter­schei­ben. Rosa ging lang­sam ihre Wege, sah in die Mond­schei­be und at­me­te has­tig und tief, als lie­ße sich das Licht trin­ken. Mit­ten auf dem Markt­platz stand der Apo­the­ker und hielt sei­ne Uhr ge­gen den Mond, um zu se­hen, wie spät es sei. Aus dem Fens­ter ei­nes Erd­ge­schos­ses beug­te sich eine Dienst­magd her­aus und leg­te ihre mäch­ti­gen nack­ten Arme vor sich auf das Fens­ter­brett, um sie in der Abend­luft zu küh­len, ne­ben ihr saß ein Bur­sche und hielt mit bei­den Hän­den des Mäd­chens di­cke, rote Ba­cken. In ei­nem Win­kel zwi­schen zwei Häu­sern stand die Tröd­ler­s­toch­ter Ida Wulf mit ih­rem Schus­ter­bu­ben. Sie dräng­ten sich an­ein­an­der und ki­cher­ten.

      Rosa hör­te ei­li­ge Schrit­te hin­ter sich und blieb ste­hen. Am­bro­si­us war es, au­ßer Atem und sehr er­regt: »Oh! Fräu­lein Herz, gnä­di­ges Fräu­lein, ge­hen Sie schon heim?«

      »Ja, es ist spät«, er­wi­der­te Rosa und be­gann mit klei­nen Schrit­ten wei­ter­zu­ge­hen.

      »Ja! – hm – Oh, gnä­di­ges Fräu­lein, ich woll­te nur… ich muss. Sie sind mein Ide­al; ge­wiss, СКАЧАТЬ