Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ wer­den, weil der pie­tät­vol­le Sinn für die­sel­ben un­ter der neue­rungs­süch­ti­gen und ver­suchs­lüs­ter­nen Herr­schaft des de­mo­kra­ti­schen Prin­zips all­mäh­lich von Grund aus ent­wur­zelt wird. Die Kor­rek­tu­ren der Gren­zen, wel­che da­bei sich nö­tig zei­gen, wer­den so aus­ge­führt, daß sie dem Nut­zen der großen Kan­to­ne und zu­gleich dem des Ge­samt­ver­ban­des die­nen, nicht aber dem Ge­dächt­nis­se ir­gend wel­cher ver­grau­ten Ver­gan­gen­heit. Die Ge­sichts­punk­te für die­se Kor­rek­tu­ren zu fin­den wird die Auf­ga­be der zu­künf­ti­gen Di­plo­ma­ten sein, die zu­gleich Kul­tur­for­scher, Land­wir­te, Ver­kehrs­ken­ner sein müs­sen und kei­ne Hee­re, son­dern Grün­de und Nütz­lich­kei­ten hin­ter sich ha­ben. Dann erst ist die äu­ße­re Po­li­tik mit der in­ne­ren un­zer­trenn­bar ver­knüpft: wäh­rend jetzt im­mer noch die letz­te­re ih­rer stol­zen Ge­bie­te­rin nach­läuft und im er­bärm­li­chen Körb­chen die Stop­pe­läh­ren sam­melt, die bei der Ern­te der ers­te­ren üb­rig blei­ben.

      Ziel und Mit­tel der De­mo­kra­tie. – Die De­mo­kra­tie will mög­lichst vie­len Un­ab­hän­gig­keit schaf­fen und ver­bür­gen, Un­ab­hän­gig­keit der Mei­nun­gen, der Le­bens­art und des Er­werbs. Dazu hat sie nö­tig, so­wohl den Be­sitz­lo­sen als den ei­gent­lich Rei­chen das po­li­ti­sche Stimm­recht ab­zu­spre­chen: als den zwei un­er­laub­ten Men­schen­klas­sen, an de­ren Be­sei­ti­gung sie ste­tig ar­bei­ten muß, weil die­se ihre Auf­ga­be im­mer wie­der in Fra­ge stel­len. Eben­so muß sie al­les ver­hin­dern, was auf die Or­ga­ni­sa­ti­on von Par­tei­en ab­zu­zie­len scheint. Denn die drei großen Fein­de der Un­ab­hän­gig­keit in je­nem drei­fa­chen Sin­ne sind die Ha­be­nicht­se, die Rei­chen und die Par­tei­en. – Ich rede von der De­mo­kra­tie als von et­was Kom­men­dem. Das, was schon jetzt so heißt, un­ter­schei­det sich von den äl­te­ren Re­gie­rungs­for­men al­lein da­durch, daß es mit neu­en Pfer­den fährt: die Stra­ßen sind noch die al­ten, und die Rä­der sind auch noch die al­ten. – Ist die Ge­fahr bei die­sen Fuhr­wer­ken des Völ­ker­wohls wirk­lich ge­rin­ger ge­wor­den?

      Die Be­son­nen­heit und der Er­folg. – Jene große Ei­gen­schaft der Be­son­nen­heit, wel­che im Grun­de die Tu­gend der Tu­gen­den, ihre Ur­groß­mut­ter und Kö­ni­gin ist, hat im ge­wöhn­li­chen Le­ben kei­nes­wegs im­mer den Er­folg auf ih­rer Sei­te: und der Frei­er wür­de sich ge­täuscht fin­den, der nur des Er­folgs we­gen sich um jene Tu­gend be­wor­ben hät­te. Sie gilt näm­lich un­ter den prak- ti­schen Leu­ten für ver­däch­tig und wird mit der Hin­ter­hal­tig­keit und heuch­le­ri­schen Schlau­heit ver­wech­selt: wem da­ge­gen er­sicht­lich die Be­son­nen­heit ab­ge­ht, – der Mann, der rasch zu­greift und auch ein­mal da­ne­ben­greift, hat das Vor­ur­teil für sich, ein bie­de­rer, zu­ver­läs­si­ger Ge­sel­le zu sein. Die prak­ti­schen Leu­te mö­gen also den Be­son­ne­nen nicht, er ist für sie, wie sie mei­nen, eine Ge­fahr. An­de­rer­seits nimmt man den Be­son­ne­nen leicht als ängst­lich, be­fan­gen, pe­dan­tisch – die un­prak­ti­schen und ge­nie­ßen­den Leu­te ge­ra­de fin­den ihn un­be­quem, weil er nicht leicht­hin lebt wie sie, ohne an das Han­deln und die Pf­lich­ten zu den­ken: er er­scheint un­ter ih­nen wie ihr leib­haf­tes Ge­wis­sen, und der hel­le Tag wird bei sei­nem An­blick ih­rem Auge bleich. Wenn ihm also der Er­folg und die Be­liebt­heit feh­len, so mag er sich im­mer zum Tros­te sa­gen: "so hoch sind eben die Steu­ern, wel­che du für den Be­sitz des köst­lichs­ten Gu­tes un­ter Men­schen zah­len mußt, – er ist es wert!"

      Et in Ar­ca­dia ego. – Ich sah hin­un­ter, über Hü­gel-Wel­len, ge­gen einen milch­grü­nen See hin, durch Tan­nen und al­ter­s­erns­te Fich­ten hin­durch: Fels­bro­cken al­ler Art um mich, der Bo­den bunt von Blu­men und Grä­sern. Eine Her­de be­weg­te, streck­te und dehn­te sich vor mir; ein­zel­ne Kühe und Grup­pen fer­ner, im schärfs­ten Abend­lich­te, ne­ben dem Na­del­ge­hölz; an­de­re nä­her, dunk­ler; al­les in Ruhe und Abend­sät­ti­gung. Die Uhr zeig­te ge­gen halb sechs. Der Stier der Her­de war in den wei­ßen, schäu­men­den Bach ge­tre­ten und ging lang­sam wi­der­stre­bend und nach­ge­bend sei­nem stür­zen­den Lau­fe nach: so hat­te er wohl sei­ne Art von grim­mi­gem Be­ha­gen. Zwei dun­kel­brau­ne Ge­schöp­fe, ber­ga­mas­ker Her­kunft, wa­ren die Hir­ten: das Mäd­chen fast als Kna­be ge­klei­det. Links Fel­sen­hän­ge und Schnee­fel­der über brei­ten Wald­gür­teln, rechts zwei un­ge­heu­re be­eis­te Za­cken, hoch über mir, im Schlei­er des Son­nen­duf­tes schwim­mend – al­les groß, still und hell. Die ge­sam­te Schön­heit wirk­te zum Schau­dern und zur stum­men An­be­tung des Au­gen­blicks ih­rer Of­fen­ba­rung; un­will­kür­lich, wie als ob es nichts Na­tür­li­che­res gäbe, stell­te man sich in die­se rei­ne schar­fe Licht­welt (die gar nichts Seh­nen­des, Er­war­ten­des, Vor- und Zu­rück­bli­cken­des hat­te) grie­chi­sche Hero­en hin­ein; man muß­te wie Pous­sin und sein Schü­ler emp­fin­den: he­ro­isch zu­gleich und idyl­lisch. – Und so ha­ben ein­zel­ne Men­schen auch ge­leb­t, so sich dau­ernd in der Welt und die Welt in sich ge­fühl­t, und un­ter ih­nen ei­ner der größ­ten Men­schen, der Er­fin­der ei­ner he­ro­isch-idyl­li­schen Art zu phi­lo­so­phie­ren: Epi­kur.

      Rech­nen und mes­sen. – Vie­le Din­ge se­hen, mit­ein­an­der er­wä­gen, ge­gen­ein­an­der ab­rech­nen und aus ih­nen einen schnel­len Schluß, eine ziem­lich si­che­re Sum­me bil­den, – das macht den großen Po­li­ti­ker, Feld­herrn, Kauf­mann: also die Ge­schwin­dig­keit in ei­ner Art von Kopf­rech­nen. Ei­ne Sa­che se­hen, in ihr das ein­zi­ge Mo­tiv zum Han­deln, die Rich­te­rin al­les üb­ri­gen Han­delns fin­den, macht den Hel­den, auch den Fa­na­ti­ker – also eine Fer­tig­keit im Mes­sen mit ei­nem Maß­sta­be.

      Nicht un­zei­tig se­hen wol­len. – So­lan­ge man et­was er­lebt, muß man dem Er­leb­nis sich hin­ge­ben und die Au­gen schlie­ßen, also nicht da­rin schon den Beo­b­ach­ter ma­chen. Das näm­lich wür­de die gute Ver­dau­ung des Er­leb­nis­ses stö­ren: an­statt ei­ner Weis­heit trü­ge man eine In­di­ge­s­ti­on da­von.

      Aus der Pra­xis des Wei­sen. – Um wei­se zu wer­den, muß man ge­wis­se Er­leb­nis­se er­le­ben wol­len, also ih­nen in den Ra­chen lau­fen. Sehr ge­fähr­lich ist dies frei­lich; man­cher "Wei­se" wur­de da­bei auf­ge­fres­sen.

      Die Er­mü­dung des Geis­tes. – Un­se­re ge­le­gent­li­che Gleich­gül­tig­keit und Käl­te ge­gen Men­schen, wel­che uns als Här­te und Cha­rak­ter­man­gel aus­ge­legt wird, ist häu­fig nur eine Er­mü­dung des Geis­tes: bei die­ser sind uns die An­de­ren, wie wir uns sel­ber, gleich­gül­tig oder läs­tig.

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