Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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      Den Irr­tum un­an­ge­nehm sa­gen. – Es ist nicht nach je­der­manns Ge­schmack, daß die Wahr­heit an­ge­nehm ge­sagt wer­de. Möge aber we­nigs­tens nie­mand glau­ben, daß der Irr­tum zur Wahr­heit wer­de, wenn man ihn un­an­ge­nehm sage.

      Die gol­de­ne Lo­sung. – Dem Men­schen sind vie­le Ket­ten an­ge­legt wor­den, da­mit er es ver­ler­ne, sich wie ein Tier zu ge­bär­den: und wirk­lich, er ist mil­der, geis­ti­ger, freu­di­ger, be­son­ne­ner ge­wor­den, als alle Tie­re sind. Nun aber lei­det er noch dar­an, daß er so lan­ge sei­ne Ket­ten trug, daß es ihm so lan­ge an rei­ner Luft und frei­er Be­we­gung fehl­te: – die­se Ket­ten aber sind, ich wie­der­ho­le es im­mer und im­mer wie­der, jene schwe­ren und sinn­vol­len Irr­tü­mer der mo­ra­li­schen, der re­li­gi­ösen, der me­ta­phy­si­schen Vor­stel­lun­gen. Erst wenn auch die Ket­ten-Krank­heit über­wun­den ist, ist das ers­te große Ziel ganz er­reicht: die Ab­tren­nung des Men­schen von den Tie­ren. – Nun ste­hen wir mit­ten in un­se­rer Ar­beit, die Ket­ten ab­zu­neh­men, und ha­ben da­bei die höchs­te Vor­sicht nö­tig. Nur dem ver­edel­ten Men­schen darf die Frei­heit des Geis­tes ge­ge­ben wer­den; ihm al­lein naht die Er­leich­te­rung des Le­bens und salbt sei­ne Wun­den aus; er zu­erst darf sa­gen, daß er um der Freu­dig­keit wil­len lebe und um kei­nes wei­te­ren Zie­les wil­len; und in je­dem an­de­ren Mun­de wäre sein Wahl­spruch ge­fähr­lich: Frie­den um mich und ein Wohl­ge­fal­len an al­len nächs­ten Din­gen. – Bei die­sem Wahl­spruch für Ein­zel­ne ge­denkt er ei­nes al­ten großen und rüh­ren­den Wor­tes, wel­ches al­len galt, und das über der ge­sam­ten Mensch­heit ste­hen­ge­blie­ben ist, als ein Wahl­spruch und Wahr­zei­chen, an dem je­der zu­grun­de ge­hen soll, der da­mit zu zei­tig sein Ban­ner schmückt, – an dem das Chris­ten­tum zu­grun­de ging. Noch im­mer, so scheint es, ist es nicht Zeit, daß es al­len Men­schen je­nen Hir­ten gleich er­ge­hen dür­fe, die den Him­mel über sich er­hellt sa­hen und je­nes Wort hör­ten: "Frie­de auf Er­den und den Men­schen ein Wohl­ge­fal­len an ein­an­der." – Im­mer noch ist es die Zeit der Ein­zel­nen.

      *

      Der Schat­ten: Von al­lem, was du vor­ge­bracht hast, hat mir nichts mehr ge­fal­len als eine Ver­hei­ßung: ihr wollt wie­der gute Nach­barn der nächs­ten Din­ge wer­den. Dies wird auch uns ar­men Schat­ten zu­gu­te kom­men. Denn, ge­steht es nur ein, ihr habt bis­her uns all­zu­gern ver­leum­det. Der Wan­de­rer: Ver­leum­det? Aber warum habt ihr euch nie ver­tei­digt? Ihr hat­tet ja un­se­re Ohren in der Nähe. Der Schat­ten: Es schi­en uns, als ob wir euch eben zu nahe wä­ren, um von uns sel­ber re­den zu dür­fen. Der Wan­de­rer: De­li­kat! Sehr de­li­kat! Ach, ihr Schat­ten seid "bes­se­re Men­schen" als wir, das mer­ke ich. Der Schat­ten: Und doch nann­tet ihr uns "zu­dring­lich" – uns, die wir min­des­tens ei­nes gut ver­ste­hen: zu schwei­gen und zu war­ten – kein Eng­län­der ver­steht es bes­ser. Es ist wahr, man fin­det uns sehr, sehr oft in dem Ge­fol­ge des Men­schen, aber doch nicht in sei­ner Knecht­schaft. Wenn der Mensch das Licht scheut, scheu­en wir den Men­schen: so­weit geht doch un­se­re Frei­heit. Der Wan­de­rer: Ach, das Licht scheut noch viel öf­ter den Men­schen, und dann ver­laßt ihr ihn auch. Der Schat­ten: Ich habe dich oft mit Schmerz ver­las­sen: es ist mir, der ich wiß­be­gie­rig bin, an dem Men­schen vie­les dun­kel ge­blie­ben, weil ich nicht im­mer um ihn sein kann. Um den Preis der vol­len Men­schen-Er­kennt­nis möch­te ich auch wohl dein Skla­ve sein. Der Wan­de­rer: Weißt du denn, weiß ich denn, ob du da­mit nicht un­ver­se­hens aus dem Skla­ven zum Herrn wür­dest? Oder zwar Skla­ve blie­best, aber als Veräch­ter dei­nes Herrn ein Le­ben der Er­nied­ri­gung, des Ekels führ­test: Sei­en wir bei­de mit der Frei­heit zu­frie­den, so wie sie dir ge­blie­ben ist – dir und mir! Denn der An­blick ei­nes Un­frei­en wür­de mir mei­ne größ­ten Freu­den ver­gäl­len; das Bes­te wäre mir zu­wi­der, wenn es je­mand mit mir tei­len müß­te, – ich will kei­ne Skla­ven um mich wis­sen. Des­halb mag ich auch den Hund nicht, den fau­len, schweif­we­deln­den Schma­rot­zer, der erst als Knecht des Men­schen "hün­disch" ge­wor­den ist und von dem sie gar noch zu rüh­men pfle­gen, daß er dem Herrn treu sei und ihm fol­ge wie sein – Der Schat­ten: Wie sein Schat­ten, so sa­gen sie. Viel leicht folg­te ich dir heu­te auch schon zu lan­ge? Es war der längs­te Tag, aber wir sind an sei­nem Ende, habe eine klei­ne Wei­le noch Ge­duld! Der Ra­sen ist feucht, mich frös­telt. Der Wan­de­rer: Oh, ist es schon Zeit zu schei­den? Und ich muß­te dir zu­letzt noch wehe tun; ich sah es, du wur­dest dunk­ler da­bei. Der Schat­ten: Ich er­rö­te­te, in der Far­be, in wel­cher ich es ver­mag. Mir fiel ein, daß ich dir oft zu Fü­ßen ge­le­gen habe wie ein Hund, und daß du dann – Der Wan­de­rer: Und könn­te ich dir nicht in al­ler Ge­schwin­dig­keit noch Et­was zu Lie­be tun? Hast du kei­nen Wunsch? Der Schat­ten: Kei­nen, au­ßer etwa den Wunsch, wel­chen der phi­lo­so­phi­sche "Hund" vor dem großen Alex­an­der hat­te: gehe mir ein we­nig aus der Son­ne, es wird mir zu kalt. Der Wan­de­rer: Was soll ich tun? Der Schat­ten: Tritt un­ter die­se Fich­ten und schaue dich nach den Ber­gen um; die Son­ne sinkt. Der Wan­de­rer – Wo bist du? Wo bist du?

Der Wille zur Macht I

      Aus dem Nach­laß

      Schon im Früh­jahr 1883, als ich mit mei­nem Bru­der in Rom war, sag­te er, daß, wenn ein­mal der Za­ra­thustra fer­tig wäre, er sein theo­re­tisch-phi­lo­so­phi­sches Haupt­pro­sa­werk schrei­ben woll­te; und als ich im Herbst 1884 in Zü­rich auf die­ses Ge­spräch zu­rück­kam und ihn da­nach frag­te, lä­chel­te er ge­heim­niß­voll und deu­te­te an, daß der Auf­ent­halt im En­ga­din in die­ser Be­zie­hung sehr frucht­bar ge­we­sen sei. Wir wis­sen schon aus der Ein­lei­tung zum ach­ten Band, wie be­deu­tungs­voll die­ser Som­mer ge­ra­de für die­ses Haupt­pro­sa­werk ge­we­sen ist. In­des­sen darf man durch­aus nicht an­neh­men, daß die Grund­ge­dan­ken die­ses Wer­kes erst da­mals ent­stan­den wä­ren, nein, sie sind be­reits sämmt­lich in poe­ti­scher Form im Za­ra­thustra ent­hal­ten, was sich be­son­ders dar­in zeigt, daß Plä­ne und Ge­dan­ken­gän­ge von Ende 1882, also aus der Zeit vor der Ent­ste­hung des ers­ten Thei­les des Za­ra­thustra, die größ­te Ähn­lich­keit mit dem ge­dank­li­chen In­halt des »Wil­lens zur Macht« ha­ben.

      Aber es ver­steht sich von selbst, daß die Welt neu­er Ge­dan­ken im Za­ra­thustra nicht er­schöpft wer­den konn­te und nach ei­ner theo­re­tisch-phi­lo­so­phi­schen pro­sa­i­schen Dar­stel­lung ver­lang­te, da­bei aber von Jahr zu Jahr wuchs und deut­li­cher wur­de. Wir be­geg­nen des­halb in den Plä­nen des Som­mers 1884 im­mer den glei­chen Pro­ble­men wie im Za­ra­thustra und wie spä­ter im »Wil­len zur Macht«. Alle Nie­der­schrif­ten von die­ser Zeit an sind Er­klä­run­gen und Dar­stel­lun­gen je­ner Haupt­ge­dan­ken, so­daß man wohl vom »Wil­len zur Macht« das­sel­be sa­gen kann, was mein Bru­der an Ja­cob Burck­hardt von »Jen­seits von Gut und Böse« schreibt: »daß es die­sel­ben Din­ge sagt, wie der Za­ra­thustra, aber an­ders, sehr an­ders«.

      Daß sich der Au­tor meh­re­re Jah­re Zeit las­sen woll­te (er spricht von sechs und auch von zehn Jah­ren), ehe er an die end­gül­ti­ge Aus­ar­bei­tung die­ses un­ge­heu­ren Wer­kes dach­te, und zu­nächst nur СКАЧАТЬ