Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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237
Die furchtbarste Rache. – Wenn man sich an einem Gegner durchaus rächen will, so soll man so lange warten, bis man die ganze Hand voll Wahrheiten und Gerechtigkeiten hat und sie gegen ihn ausspielen kann, mit Gelassenheit: so daß Rache üben mit Gerechtigkeit üben zusammenfällt. Es ist die furchtbarste Art der Rache: denn sie hat keine Instanz über sich, an die noch apelliert werden könnte. So rächte sich Voltaire an Piron, mit fünf Zeilen, die über dessen ganzes Leben, Schaffen und Wollen richten: soviel Worte, soviel Wahrheiten; so rächte sich derselbe an Friedrich dem Großen (in einem Briefe an ihn, von Ferney aus).
238
Luxus-Steuer. – Man kauft in den Läden das Nötige und Nächste und muß es teuer bezahlen, weil man mitbezahlt, was dort auch feil steht, aber nur selten seine Abnehmer hat: das Luxushafte und Gelüstartige. So legt der Luxus dem Einfachen, der seiner enträt, doch eine fortwährende Steuer auf.
239
Warum die Bettler noch leben. – Wenn alle Almosen nur aus Mitleiden gegeben würden, so wären die Bettler allesamt verhungert.
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Warum die Bettler noch leben. – Die größte Almosenspenderin ist die Feigheit.
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Wie der Denker ein Gespräch benutzt. – Ohne Horcher zu sein, kann man viel hören, wenn man versteht, gut zu sehen, doch sich selber für Zeiten aus den Augen zu verlieren. Aber die Menschen wissen ein Gespräch nicht zu benutzen; sie verwenden bei weitem zuviel Aufmerksamkeit auf das, was sie sagen und entgegnen wollen, während der wirkliche Hörer sich oft begnügt, vorläufig zu antworten und etwas als Abschlagszahlung der Höflichkeit überhaupt zu sagen, dagegen mit seinem hinterhaltigen Gedächtnisse alles davonträgt, was der andere geäußert hat, nebst der Art in Ton und Gebärde, wie er es äußerte. – Im gewöhnlichen Gespräche meint jeder der Führende zu sein, wie wenn zwei Schiffe, die nebeneinander fahren und sich hier und da einen kleinen Stoß geben, beiderseits im guten Glauben sind, ihr Nachbarschiff folge oder werde sogar geschleppt.
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Die Kunst, sich zu entschuldigen. – Wenn sich jemand vor uns entschuldigt, so muß er es sehr gut machen: sonst kommen wir uns selber leicht als die Schuldigen vor und haben eine unangenehme Empfindung.
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Unmöglicher Umgang. – Das Schiff deiner Gedanken geht zu tief, als daß du mit ihm auf den Gewässern dieser freundlichen, anständigen, entgegenkommenden Personen fahren konntest. Es sind da der Untiefen und Sandbänke zu viele: du würdest dich drehen und wenden müssen und in fortwährender Verlegenheit sein, und jene würden alsbald auch in Verlegenheit geraten – über deine Verlegenheit, deren Ursache sie nicht erraten können.
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Fuchs der Füchse. – Ein rechter Fuchs nennt nicht nur die Trauben sauer, welche er nicht erreichen kann, sondern auch die, welche er erreicht und anderen vorweggenommen hat.
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Im nächsten Verkehre. – Wenn Menschen auch noch so eng zusammengehören: es gibt innerhalb ihres gemeinsamen Horizontes doch noch alle vier Himmelsrichtungen, und in manchen Stunden merken sie es.
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Das Schweigen des Ekels. – Da macht jemand als Denker und Mensch eine tiefe, schmerzhafte Umwandlung durch und legt dann öffentlich Zeugnis davon ab. Und die Hörer merken nichts! glauben ihn noch ganz als den alten! – Diese gewöhnliche Erfahrung hat manchen Schriftstellern schon Ekel gemacht: sie hatten die Intellektualität der Menschen zu hoch geachtet und gelobten sich, als sie ihren Irrtum wahrnahmen, das Schweigen an.
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Geschäfts-Ernst. – Die Geschäfte manches Reichen und Vornehmen sind seine Art Ausruhens von allzulangem gewohnheitsmäßigem Müßiggang: er nimmt sie deshalb so ernst und passioniert, wie andere Leute ihre seltenen Muße-Erholungen und –Liebhabereien.
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Doppelsinn des Auges. – Wie das Gewässer zu deinen Füßen eine plötzliche schuppenhafte Erzitterung überläuft, so gibt es auch im menschlichen Auge solche plötzliche Unsicherheiten und Zweideutigkeiten, bei denen man sich fragt: ist’s ein Schaudern? ist’s ein Lächeln? ist’s beides?
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Positiv und negativ. – Dieser Denker braucht niemanden, der ihn widerlegt: er genügt sich dazu selber.
250
Die Rache der leeren Netze. – Man nehme sich vor allen Personen in acht, welche das bittre Gefühl des Fischers haben, der nach mühevollem Tagewerk am Abend mit leeren Netzen heimfährt.
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Sein Recht nicht geltend machen. – Macht ausüben kostet Mühe und erfordert Mut. Deshalb machen so viele ihr gutes, allerbestes Recht nicht geltend, weil dies Recht eine Art Macht ist, sie aber zu faul oder zu feige sind, es auszuüben. Nachsicht und Geduld heißen die Deckmantel-Tugenden dieser Fehler.
252
Lichtträger. – In der Gesellschaft wäre kein Sonnenschein, wenn ihn nicht die geborenen Schmeichelkatzen СКАЧАТЬ