Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ an ein Strom mo­ra­li­scher Er­we­ckung durch Eu­ro­pa floß. Da­mals erst wur­de die Tu­gend wie­der be­redt; sie lern­te es, die un­ge­zwun­ge­nen Ge­bär­den der Er­he­bung, der Rüh­rung fin­den, sie schäm­te sich ih­rer sel­ber nicht mehr und er­sann Phi­lo­so­phien und Ge­dich­te zur ei­ge­nen Ver­herr­li­chung. Sucht man nach den Quel­len die­ses Stro­mes: so fin­det man ein­mal Rous­seau, aber den my­thi­schen Rous­seau, den man sich nach dem Ein­dru­cke sei­ner Schrif­ten – fast könn­te man wie­der sa­gen: sei­ner my­thisch aus­ge­leg­ten Schrif­ten – und nach den Fin­ger­zei­gen, die er sel­ber gab, er­dich­tet hat­te ( – er und sein Pub­li­kum ar­bei­te­ten be­stän­dig an die­ser Ide­al­fi­gur). Der an­de­re Ur­sprung liegt in je­ner Wie­der­au­fer­ste­hung des sto­isch-großen Rö­mer­tums, durch wel­che die Fran­zo­sen die Auf­ga­be der Re­naissance auf das wür­digs­te wei­ter­ge­führt ha­ben. Sie gin­gen von der Nach­schöp­fung an­ti­ker For­men mit herr­lichs­tem Ge­lin­gen zur Nach­schöp­fung an­ti­ker Cha­rak­tere über: so daß sie ein An­recht auf die al­ler­höchs­ten Ehren im­mer­dar be­hal­ten wer­den, als das Volk, wel­ches der neue­ren Mensch­heit bis­her die bes­ten Bü­cher und die bes­ten Men­schen ge­ge­ben hat. Wie die­se dop­pel­te Vor­bild­lich­keit, die des my­thi­schen Rous­seau und die je­nes wie­der­er­weck­ten Rö­mer­geis­tes, auf die schwä­che­ren Nach­barn wirk­te, sieht man na­ment­lich an Deutsch­land: wel­ches in­fol­ge sei­nes neu­en und ganz un­ge­wohn­ten Auf­schwun­ges zu Ernst und Grö­ße des Wol­lens und Sich – Be­herr­schens zu­letzt vor sei­ner ei­ge­nen neu­en Tu­gend in Stau­nen ge­riet und den Be­griff "deut­sche Tu­gend" in die Welt warf, wie als ob es nichts Ur­sprüng­li­che­res, Er­b­eig­ne­res ge­ben könn­te als die­se. Die ers­ten großen Män­ner, wel­che jene fran­zö­si­sche An­re­gung zur Grö­ße und Be­wußt­heit des sitt­li­chen Wol­lens auf sich über­lei­te­ten, wa­ren ehr­li­cher und ver­ga­ßen die Dank­bar­keit nicht. Der Mora­lis­mus Kants – wo­her kommt er? Er gibt es wie­der und wie­der zu ver­ste­hen: von Rous­seau und dem wie­der­er­weck­ten stoi­schen Rom. Der Mora­lis­mus Schil­lers: glei­che Quel­le, glei­che Ver­herr­li­chung der Quel­le. Der Mora­lis­mus Beetho­vens in Tö­nen: er ist das ewi­ge Lob­lied Rous­se­aus, der an­ti­ken Fran­zo­sen und Schil­lers. Erst "der deut­sche Jüng­ling" ver­gaß die Dank­bar­keit, in­zwi­schen hat­te man ja das Ohr nach den Pre­di­gern des Fran­zo­sen­has­ses hin­ge­wen­det: je­ner deut­sche Jüng­ling, der eine Zeit­lang mit mehr Be­wußt­heit als man bei an­dern Jüng­lin­gen für er­laubt hält, in den Vor­der­grund trat. Wenn er nach sei­ner Va­ter­schaft spür­te, so moch­te er mit Recht an die Nähe Schil­lers, Fich­tes und Schlei­er­ma­chers den­ken: aber sei­ne Groß­vä­ter hät­te er in Pa­ris, in Genf su­chen müs­sen, und es war sehr kurz­sich­tig zu glau­ben, was er glaub­te: daß die Tu­gend nicht äl­ter als drei­ßig Jah­re sei. Da­mals ge­wöhn­te man sich dar­an, zu ver­lan­gen, daß beim Wor­te "deutsch" auch noch so ne­ben­bei die Tu­gend mit­ver­stan­den wer­de: und bis auf den heu­ti­gen Tag hat man es noch nicht völ­lig ver­lernt. – Ne­ben­bei be­merkt, jene ge­nann­te mo­ra­li­sche Er­we­ckung hat für die Er­kennt­nis der mo­ra­li­schen Er­schei­nun­gen, wie sich fast er­ra­ten läßt, nur Nach­tei­le und rück­schrei­ten­de Be­we­gun­gen zur Fol­ge ge­habt. Was ist die gan­ze deut­sche Moral­phi­lo­so­phie, von Kant an ge­rech­net, mit al­len ih­ren fran­zö­si­schen, eng­li­schen und ita­lie­ni­schen Aus­läu­fern und Ne­ben­züg­lern? Ein halb­theo­lo­gi­sches At­ten­tat ge­gen Hel­ve­ti­us, ein Ab­wei­sen der lan­ge und müh­sam er­kämpf­ten Freibli­cke oder Fin­ger­zei­ge des rech­ten We­ges, wel­che er zu­letzt gut aus­ge­spro­chen und zu­sam­men­ge­bracht hat. Bis auf den heu­ti­gen Tag ist Hel­ve­ti­us in Deutsch­land der best­be­schimpf­te al­ler gu­ten Mora­lis­ten und gu­ten Men­schen.

      Klas­sisch und ro­man­tisch. – So­wohl die klas­sisch als die ro­man­tisch ge­sinn­ten Geis­ter- wie es die­se bei­den Gat­tun­gen im­mer gibt – tra­gen sich mit ei­ner Vi­si­on der Zu­kunft: aber die ers­te­ren aus ei­ner Stär­ke ih­rer Zeit her­aus, die letz­te­ren aus de­ren Schwä­che.

      Die Ma­schi­ne als Leh­re­rin. – Die Ma­schi­ne lehrt durch sich sel­ber das In­ein­an­der­grei­fen von Men­schen­hau­fen, bei Ak­tio­nen, wo je­der nur eins zu tun hat: sie gibt das Mus­ter der Par­tei – Or­ga­ni­sa­ti­on und der Kriegs­füh­rung. Sie lehrt da­ge­gen nicht die in­di­vi­du­el­le Selbst­herr­lich­keit: sie macht aus Vie­len Eine Ma­schi­ne, und aus je­dem ein­zel­nen ein Werk­zeug zu Ei­nem Zwe­cke. Ihre all­ge­meins­te Wir­kung ist: den Nut­zen der Zen­tra­li­sa­ti­on zu leh­ren.

      Nicht seß­haft. – Man wohnt ger­ne in der klei­nen Stadt; aber von Zeit zu Zeit treibt ge­ra­de sie uns in die ein­sams­te un­en­t­hüll­tes­te Na­tur: dann näm­lich, wenn jene uns ein­mal wie­der zu durch­sich­tig ge­wor­den ist. End­lich ge­hen wir, um uns wie­der von die­ser Na­tur zu er­ho­len, in die große Stadt. Ei­ni­ge Züge aus der­sel­ben – und wir er­ra­ten den Bo­den­satz ih­res Be­chers, – der Kreis­lauf, mit der klei­nen Stadt am An­fan­ge, be­ginnt von neu­em. – So le­ben die Mo­der­nen: wel­che in al­lem et­was zu gründ­lich sind, um seß­haft zu sein gleich den Men­schen an­de­rer Zei­ten.

      Re­ak­ti­on ge­gen die Ma­schi­nen-Kul­tur – Die Ma­schi­ne, sel­ber ein Er­zeug­nis der höchs­ten Denk­kräf­te, setzt bei den Per­so­nen, wel­che sie be­die­nen, fast nur die nie­de­ren, ge­dan­ken­lo­sen Kräf­te in Be­we­gung. Sie ent­fes­selt da­bei eine Un­mas­se Kraft über­haupt, die sonst schla­fen läge, das ist wahr, aber sie gibt nicht den An­trieb zum Hö­her­stei­gen, zum Bes­ser­ma­chen, zum Künst­ler­wer­den. Sie macht tä­tig und ein­för­mig- das er­zeugt aber auf die Dau­er eine Ge­gen­wir­kung, eine ver­zwei­fel­te Lan­ge­wei­le der See­le, wel­che durch sie nach wech­sel­vol­lem Mü­ßig­gan­ge dürs­ten lernt.

      Die Ge­fähr­lich­keit der Auf­klä­rung. – Al­les das Halb­ver­rück­te, Schau­spie­le­ri­sche, Tie­risch-Grau­sa­me, Wol­lüs­ti­ge, na­ment­lich Sen­ti­men­ta­le und Sich-selbst- Berau­schen­de, was zu­sam­men die ei­gent­lich re­vo­lu­tio­näre Sub­stanz aus­macht und in Rous­seau, vor der Re­vo­lu­ti­on, Fleisch und Geist ge­wor­den war, – die­ses gan­ze We­sen setz­te sich mit per­fi­der Be­geis­te­rung noch die Auf­klä­rung auf das fa­na­ti­sche Haupt, wel­ches durch die­se sel­ber wie in ei­ner ver­klä­ren­den Glo­rie zu leuch­ten be­gann: die Auf­klä­rung, die im Grun­de je­nem We­sen so fremd ist und, für sich wal­tend, still wie ein Licht­glanz durch Wol­ken ge­gan­gen sein wür­de, lan­ge Zeit zu­frie­den da­mit, nur die Ein­zel­nen um­zu­bil­den: so daß sie nur sehr lang­sam auch die Sit­ten und Ein­rich­tun­gen der Völ­ker um­ge­bil­det hät­te. Jetzt aber, an ein ge­walt­sa­mes und plötz­li­ches We­sen ge­bun­den, wur­de die Auf­klä­rung sel­ber ge­walt­sam und plötz­lich. Ihre Ge­fähr­lich­keit ist da­durch fast grö­ßer ge­wor­den als die be­frei­en­de und er­hel­len­de Nütz­lich­keit, СКАЧАТЬ