Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ – man wird da­bei zu la­chen ha­ben, das ver­spre­che ich. Nichts er­hei­tern­der als der Kno­ten des Tris­tan, es müss­te denn der Kno­ten der Meis­ter­sin­ger sein. Wa­gner ist kein Dra­ma­ti­ker, man las­se sich Nichts vor­ma­chen. Er lieb­te das Wort "Dra­ma": das ist Al­les – er hat im­mer die schö­nen Wor­te ge­liebt. Das Wort "Dra­ma" in sei­nen Schrif­ten ist trotz­dem bloss ein Miss­ver­ständ­niss (– und eine Klug­heit: Wa­gner that im­mer vor­nehm ge­gen das Wort "Oper" –); un­ge­fähr wie das Wort "Geist" im neu­en Te­sta­ment bloss ein Miss­ver­ständ­niss ist. – Er war schon nicht Psy­cho­lo­ge ge­nug zum Dra­ma; er wich in­stink­tiv der psy­cho­lo­gi­schen Mo­ti­vi­rung aus – wo­mit? da­mit, dass er im­mer die Idio­syn­kra­sie an de­ren Stel­le rück­te … Sehr mo­dern, nicht wahr? sehr Pa­ri­se­risch! sehr dé­ca­dent! … Die Kno­ten, an­bei ge­sagt, die that­säch­lich Wa­gner mit Hül­fe dra­ma­ti­scher Er­fin­dun­gen zu lö­sen weiss, sind ganz and­rer Art. Ich gebe ein Bei­spiel. Neh­men wir den Fall, dass Wa­gner eine Wei­ber­stim­me nö­thig hat. Ein gan­zer Akt ohne Wei­ber­stim­me – das geht nicht! Aber die "Hel­din­nen" sind im Au­gen­blick alle nicht frei. Was thut Wa­gner? Er eman­ci­pirt das äl­tes­te Weib der Welt, die Erda: "her­auf, alte Gross­mut­ter! Sie müs­sen sin­gen!" Erda singt. Wa­gner’s Ab­sicht ist er­reicht. So­fort schafft er die alte Dame wie­der ab. "Wozu ka­men Sie ei­gent­lich? Ziehn Sie ab! Schla­fen Sie ge­fäl­ligst wei­ter!" – In sum­ma: eine Sce­ne vol­ler my­tho­lo­gi­scher Schau­der, bei der der Wa­gne­ria­ner ahnt …

      – "Aber der Ge­halt der Wa­gne­ri­schen Tex­te! ihr my­thi­scher Ge­halt, ihr ewi­ger Ge­halt!" – Fra­ge: wie prüft man die­sen Ge­halt, die­sen ewi­gen Ge­halt? – Der Che­mi­ker ant­wor­tet: man über­setzt Wa­gnern in’s Rea­le, in’s Mo­der­ne, – sei­en wir noch grau­sa­mer! in’s Bür­ger­li­che! Was wird da­bei aus Wa­gner? – Un­ter uns, ich habe es ver­sucht. Nichts un­ter­hal­ten­der, Nichts für Spa­zier­gän­ge mehr zu emp­feh­len als sich Wa­gnern in ver­jüng­ten Pro­por­tio­nen zu er­zäh­len: zum Bei­spiel Par­si­fal als Can­di­da­ten der Theo­lo­gie, mit Gym­na­si­al­bil­dung (– letz­te­re als un­ent­behr­lich zur rei­nen Thor­heit). Wel­che Über­ra­schun­gen man da­bei er­lebt! Wür­den Sie es glau­ben, dass die Wa­gne­ri­schen He­ro­i­nen sammt und son­ders, so­bald man nur erst den he­ro­i­schen Balg ab­ge­streift hat, zum Ver­wech­seln Ma­da­me Bo­va­ry ähn­lich sehn! – wie man um­ge­kehrt auch be­greift, dass es Flau­bert frei­stand, sei­ne Hel­din in’s Skan­di­na­vi­sche oder Kar­tha­gi­sche zu über­set­zen und sie dann, my­tho­lo­gi­sirt, Wa­gnern als Text­buch an­zu­bie­ten. Ja, in’s Gros­se ge­rech­net, scheint Wa­gner sich für kei­ne an­dern Pro­ble­me in­ter­es­sirt zu ha­ben, als die, wel­che heu­te die klei­nen Pa­ri­ser dé­ca­dents in­ter­es­si­ren. Im­mer fünf Schrit­te weit vom Ho­spi­tal! Lau­ter ganz mo­der­ne, lau­ter ganz gross­städ­ti­sche Pro­ble­me! zwei­feln Sie nicht dar­an! … Ha­ben Sie be­merkt (es ge­hört in die­se Ide­en-As­so­cia­ti­on), dass die Wa­gne­ri­schen Hel­din­nen kei­ne Kin­der be­kom­men? – Sie kön­nen’s nicht … Die Verzweif­lung, mit der Wa­gner das Pro­blem an­ge­grif­fen hat, Sieg­fried über­haupt ge­bo­ren wer­den zu las­sen, ver­räth, wie mo­dern er in die­sem Punk­te fühl­te. – Sieg­fried "eman­ci­pirt das Weib" – doch ohne Hoff­nung auf Nach­kom­men­schaft. – Eine That­sa­che end­lich, die uns fas­sungs­los lässt: Par­si­fal ist der Va­ter Lo­hen­grin’s! Wie hat er das ge­macht? – Muss man sich hier dar­an er­in­nern, dass die Keusch­heit Wun­der thut"? …

      Wa­gne­rus di­xit prin­ceps in cas­ti­ta­te auc­to­ri­tas.

      1 An­mer­kung. Es ist ein wah­res Un­glück für die Aes­the­tik ge­we­sen, dass man das Wort Dra­ma im­mer mit "Hand­lung" über­setzt hat. Nicht Wa­gner al­lein irrt hier­in; alle Welt ist noch im Irr­thum; die Phi­lo­lo­gen so­gar, die es bes­ser wis­sen soll­ten. Das an­ti­ke Dra­ma hat­te gros­se Pa­thossce­nen im Auge – es schloss ge­ra­de die Hand­lung aus (ver­leg­te sie vor den An­fang oder hin­ter die Sce­ne). Das Wort Dra­ma ist do­ri­scher Her­kunft: und nach do­ri­schem Sprach­ge­brauch be­deu­tet es "Er­eig­niss," "Ge­schich­te," bei­de Wor­te in hie­ra­ti­schem Sin­ne. Das äl­tes­te Dra­ma stell­te die Orts­le­gen­de dar, die "hei­li­ge Ge­schich­te," auf der die Grün­dung des Cul­tus ruh­te (– also kein Thun, son­dern ein Ge­sche­hen: δραειν heisst im Do­ri­schen gar nicht thun"). <<<

      An­bei noch ein Wort über die Schrif­ten Wa­gner’s: sie sind, un­ter An­de­rem, eine Schu­le der Klug­heit. Das Sys­tem von Pro­ze­du­ren, das Wa­gner hand­habt, ist auf hun­dert and­re Fäl­le an­zu­wen­den, – wer Ohren hat, der höre. Vi­el­leicht habe ich einen An­spruch auf öf­fent­li­che Er­kennt­lich­keit, wenn ich den drei wert­h­volls­ten Pro­ze­du­ren einen prä­ci­sen Aus­druck gebe.

      Al­les, was Wa­gner nicht kann, ist ver­werf­lich.

      Wa­gner könn­te noch Vie­les: aber er will es nicht, – aus Ri­go­ro­si­tät im Prin­cip.

      Al­les, was Wa­gner kann, wird ihm Nie­mand nach­ma­chen, hat ihm Kei­ner vor­ge­macht, soll ihm Kei­ner nach­ma­chen …

      Wa­gner ist gött­lich …

      Die­se drei Sät­ze sind die Quint­es­senz von Wa­gner’s Lit­te­ra­tur; der Rest ist – "Lit­te­ra­tur."

      – Nicht jede Mu­sik hat bis­her Lit­te­ra­tur nö­thig ge­habt: man thut gut, hier nach dem zu­rei­chen­den Grund zu su­chen. Ist es, dass Wa­gner’s Mu­sik zu schwer ver­ständ­lich ist? Oder fürch­te­te er das Um­ge­kehr­te, dass man sie zu leicht ver­steht, – dass man sie nicht schwer ge­nug ver­steht? – That­säch­lich hat er sein gan­zes Le­ben Ei­nen Satz wie­der­holt: dass sei­ne Mu­sik nicht nur Mu­sik be­deu­te! Son­dern mehr! Son­dern un­end­lich viel mehr!… "Nicht nur Mu­sik" – so re­det kein Mu­si­ker. Noch­mals ge­sagt, Wa­gner konn­te nicht aus dem Gan­zen schaf­fen, er hat­te gar kei­ne Wahl, er muss­te Stück­werk ma­chen, "Mo­ti­ve", Ge­bär­den, For­meln, Ver­dopp­lun­gen und Ver­hun­dert­fa­chun­gen, er blieb Rhe­tor als Mu­si­ker – er muss­te grund­sätz­lich des­halb das "es be­deu­tet" in den Vor­der­grund brin­gen. "Die Mu­sik ist im­mer nur ein Mit­tel": das war sei­ne Theo­rie, das war vor Al­lem die ein­zi­ge ihm über­haupt mög­li­che Pra­xis. Aber so denkt kein Mu­si­ker. – Wa­gner hat­te Lit­te­ra­tur nö­thig, um alle Welt zu über­re­den, sei­ne Mu­sik ernst zu neh­men, tief zu neh­men, "weil sie Unend­li­ches be­deu­te"; er war zeit­le­bens der Com­men­ta­tor der "Idee". – Was be­deu­tet Elsa? Aber kein Zwei­fel: Elsa ist "der un­be­wuss­te Geist des Volks" (– mit die­ser Er­kennt­niss wur­de ich nothwen­dig zum voll­komm­nen Re­vo­lu­tio­när" –).

      Erin­nern wir uns, dass Wa­gner in der Zeit, wo He­gel und Schel­ling die Geis­ter ver­führ­ten, jung war; dass er er­rieth, dass er mit Hän­den griff, was al­lein der Deut­sche ernst nimmt –"die Idee", will sa­gen Et­was, das dun­kel, un­ge­wiss, ah­nungs­voll ist; dass Klar­heit un­ter Deut­schen ein Ein­wand, Lo­gik eine Wi­der­le­gung ist. Scho­pen­hau­er hat, mit Här­te, die Epo­che He­gel’s und Schel­ling’s der Un­red­lich­keit ge­ziehn – mit Här­te, auch mit Un­recht: er selbst, СКАЧАТЬ