Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ Be­griff). Aber man hüte sich, dar­in mehr als eine Zei­chen­re­de, eine Se­mio­tik, eine Ge­le­gen­heit zu Gleich­nis­sen zu sehn. Gera­de, daß kein Wort wört­lich ge­nom­men wird, ist die­sem Anti-Rea­lis­ten die Vor­be­din­gung, um über­haupt re­den zu kön­nen. Un­ter In­dern wür­de er sich der Sânk­hyam-Be­grif­fe, un­ter Chi­ne­sen der des Laot­se be­dient ha­ben – und kei­nen Un­ter­schied da­bei füh­len. – Man könn­te, mit ei­ni­ger To­le­ranz im Aus­druck, Je­sus einen »frei­en Geist« nen­nen – er macht sich aus al­lem Fes­ten nichts: das Wort töd­tet, Al­les, was fest ist, töd­tet. Der Be­griff, die Er­fah­rung »Le­ben«, wie er sie al­lein kennt, wi­der­strebt bei ihm je­der Art Wort, For­mel, Ge­setz, Glau­be, Dog­ma. Er re­det bloß vom In­ners­ten: »Le­ben« oder »Wahr­heit« oder »Licht« ist sein Wort für das In­ners­te, – al­les Üb­ri­ge, die gan­ze Rea­li­tät, die gan­ze Na­tur, die Spra­che selbst, hat für ihn bloß den Werth ei­nes Zei­chens, ei­nes Gleich­nis­ses. – Man darf sich an die­ser Stel­le durch­aus nicht ver­grei­fen, so groß auch die Ver­füh­rung ist, wel­che im christ­li­chen, will sa­gen kirch­li­chen Vor­urt­heil liegt: ein sol­cher Sym­bo­list par ex­cel­lence steht au­ßer­halb al­ler Re­li­gi­on, al­ler Cult-Be­grif­fe, al­ler His­to­rie, al­ler Na­tur­wis­sen­schaft, al­ler Welt-Er­fah­rung, al­ler Kennt­nis­se, al­ler Po­li­tik, al­ler Psy­cho­lo­gie, al­ler Bü­cher, al­ler Kunst, – sein »Wis­sen« ist eben die rei­ne Thor­heit dar­über, daß es Et­was der­glei­chen giebt. Die Cul­tur ist ihm nicht ein­mal vom Hö­ren­sa­gen be­kannt, er hat kei­nen Kampf ge­gen sie nö­thig, – er ver­neint sie nicht… Das­sel­be gilt vom Staat, von der gan­zen bür­ger­li­chen Ord­nung und Ge­sell­schaft, von der Ar­beit, vom Krie­ge, – er hat nie einen Grund ge­habt, »die Welt« zu ver­nei­nen, er hat den kirch­li­chen Be­griff »Welt« nie ge­ahnt… Das Ver­nei­nen ist eben das ihm ganz Un­mög­li­che –. Ins­glei­chen fehlt die Dia­lek­tik, es fehlt die Vor­stel­lung da­von, daß ein Glau­be, eine »Wahr­heit« durch Grün­de be­wie­sen wer­den könn­te (– sei­ne Be­wei­se sind in­ne­re »Lich­ter«, in­ne­re Lust­ge­füh­le und Selbst­be­ja­hun­gen, lau­ter »Be­wei­se der Kraft« –). Eine sol­che Leh­re kann auch nicht wi­der­spre­chen: sie be­greift gar nicht, daß es and­re Leh­ren giebt, ge­ben kann, sie weiß sich ein ge­gent­hei­li­ges Urt­hei­len gar nicht vor­zu­stel­len… Wo sie es an­trifft, wird sie aus in­ners­tem Mit­ge­füh­le über »Blind­heit« trau­ern – denn sie sieht das »Licht« –, aber kei­nen Ein­wand ma­chen…

      *

      33.

      In der gan­zen Psy­cho­lo­gie des »Evan­ge­li­ums« fehlt der Be­griff Schuld und Stra­fe; ins­glei­chen der Be­griff Lohn. Die »Sün­de«, jed­we­des Di­stanz-Ver­hält­niß zwi­schen Gott und Mensch ist ab­ge­schafft, – eben das ist die »fro­he Bot­schaft«. Die Se­lig­keit wird nicht ver­hei­ßen, sie wird nicht an Be­din­gun­gen ge­knüpft: sie ist die ein­zi­ge Rea­li­tät – der Rest ist Zei­chen, um von ihr zu re­den…

      Die Fol­ge ei­nes sol­chen Zu­stan­des pro­ji­cirt sich in eine neue Prak­tik, die ei­gent­lich evan­ge­li­sche Prak­tik. Nicht ein »Glau­be« un­ter­schei­det den Chris­ten: der Christ han­delt, er un­ter­schei­det sich durch ein andres Han­deln. Daß er Dem, der böse ge­gen ihn ist, we­der durch Wort, noch im Her­zen Wi­der­stand leis­tet. Daß er kei­nen Un­ter­schied zwi­schen Frem­den und Ein­hei­mi­schen, zwi­schen Ju­den und Nicht-Ju­den macht (»der Nächs­te« ei­gent­lich der Glau­bens­ge­nos­se, der Jude). Daß er sich ge­gen Nie­man­den er­zürnt, Nie­man­den ge­ring­schätzt. Daß er sich bei Ge­richts­hö­fen we­der sehn läßt, noch in An­spruch neh­men läßt (»nicht schwö­ren«). Daß er sich un­ter kei­nen Um­stän­den, auch nicht im Fal­le be­wie­se­ner Un­treue des Wei­bes, von sei­nem Wei­be schei­det. – Al­les im Grun­de Ein Satz, Al­les Fol­gen Ei­nes In­stinkts. –

      Das Le­ben des Er­lö­sers war nichts Andres als die­se Prak­tik, – sein Tod war auch nichts An­dres… Er hat­te kei­ne For­meln, kei­nen Ri­tus für den Ver­kehr mit Gott mehr nö­thig, – nicht ein­mal das Ge­bet. Er hat mit der gan­zen jü­di­schen Buß- und Ver­söh­nungs-Leh­re ab­ge­rech­net; er weiß, wie es al­lein die Prak­tik des Le­bens ist, mit der man sich »gött­lich«, »se­lig«, »evan­ge­lisch«, je­der­zeit ein »Kind Got­tes« fühlt. Nicht »Buße«, nicht »Ge­bet um Ver­ge­bung« sind Wege zu Gott: die evan­ge­li­sche Prak­tik al­lein führt zu Gott, sie eben ist »Gott«! – Was mit dem Evan­ge­li­um ab­ge­than war, das war das Ju­dent­hum der Be­grif­fe »Sün­de«, »Ver­ge­bung der Sün­de«, »Glau­be«, »Er­lö­sung durch den Glau­ben«, – die gan­ze jü­di­sche Kir­chen-Leh­re war in der »fro­hen Bot­schaft« ver­neint.

      Der tie­fe In­stinkt da­für, wie man le­ben müs­se, um sich »im Him­mel« zu füh­len, um sich »ewig« zu füh­len, wäh­rend man sich bei je­dem an­dern Ver­hal­ten durch­aus nicht »im Him­mel« fühlt: dies al­lein ist die psy­cho­lo­gi­sche Rea­li­tät der »Er­lö­sung«. – Ein neu­er Wan­del, nicht ein neu­er Glau­be…

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      34.

      Wenn ich ir­gend Et­was von die­sem großen Sym­bo­lis­ten ver­ste­he, so ist es Das, daß er nur in­ne­re Rea­li­tä­ten als Rea­li­tä­ten, als »Wahr­hei­ten« nahm, – daß er den Rest, al­les Na­tür­li­che, Zeit­li­che, Räum­li­che, His­to­ri­sche nur als Zei­chen, als Ge­le­gen­heit zu Gleich­nis­sen ver­stand. Der Be­griff »des Men­schen Sohn« ist nicht eine con­cre­te Per­son, die in die Ge­schich­te ge­hört, ir­gend et­was Ein­zel­nes, Ein­ma­li­ges, son­dern eine »ewi­ge« That­säch­lich­keit, ein von dem Zeit­be­griff er­lös­tes psy­cho­lo­gi­sches Sym­bol. Das­sel­be gilt noch ein­mal, und im höchs­ten Sin­ne, von dem Gott die­ses ty­pi­schen Sym­bo­lis­ten, vom »Reich Got­tes«, vom »Him­mel­reich«, von der »Kind­schaft Got­tes«. Nichts ist un­christ­li­cher als die kirch­li­chen Cru­di­tä­ten von ei­nem Gott als Per­son, von ei­nem »Reich Got­tes«, wel­ches kommt, von ei­nem »Him­mel­reich« jen­seits, von ei­nem »Soh­ne Got­tes«, der zwei­ten Per­son der Tri­ni­tät. Dies Al­les ist – man ver­ge­be mir den Aus­druck – die Faust auf dem Auge – oh auf was für ei­nem Auge! – des Evan­ge­li­ums: ein wel­this­to­ri­scher Cy­nis­mus in der Ver­höh­nung des Sym­bol­s… Aber es liegt ja auf der Hand, was mit dem Zei­chen »Va­ter« und »Sohn« an­ge­rührt wird – nicht auf je­der Hand, ich gebe es zu: mit dem Wort »Sohn« ist der Ein­tritt in das Ge­sammt-Ver­klä­rungs-Ge­fühl al­ler Din­ge (die Se­lig­keit) aus­ge­drückt, mit dem Wort »Va­ter« die­ses Ge­fühl selbst, das Ewig­keits-, das Vollen­dungs-Ge­fühl. – Ich schä­me mich dar­an zu er­in­nern, was die Kir­che aus die­sem Sym­bo­lis­mus ge­macht hat: hat sie nicht eine Am­phi­try­on-Ge­schich­te an die Schwel­le des christ­li­chen »Glau­bens« ge­setzt? Und ein Dog­ma von der »un­be­fleck­ten Emp­fäng­niß« noch oben­drein?… Aber da­mit hat sie die Emp­fäng­niß be­fleckt – –

      Das »Him­mel­reich« ist ein Zu­stand des Her­zens, – nicht Et­was, das »über der Erde« oder »nach dem Tode« kommt. Der gan­ze Be­griff des na­tür­li­chen To­des fehlt im Evan­ge­li­um: der Tod ist kei­ne Brücke, kein Über­gang, er fehlt, weil ei­ner ganz an­dern, bloß schein­ba­ren, bloß zu Zei­chen nütz­li­chen Welt zu­ge­hö­rig. Die »To­des­stun­de« ist СКАЧАТЬ