Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ ir­gend Et­was un­evan­ge­lisch ist, so ist es der Be­griff Held. Gera­de der Ge­gen­satz zu al­lem Rin­gen, zu al­lem Sich-in-Kampf-füh­len ist hier In­stinkt ge­wor­den: die Un­fä­hig­keit zum Wi­der­stand wird hier Moral (»wi­der­ste­he nicht dem Bö­sen!« das tiefs­te Wort der Evan­ge­li­en, ihr Schlüs­sel in ge­wis­sem Sin­ne), die Se­lig­keit im Frie­den, in der Sanft­muth, im Nicht-feind-sein- kön­nen. Was heißt »fro­he Bot­schaft«? Das wah­re Le­ben, das ewi­ge Le­ben ist ge­fun­den, – es wird nicht ver­hei­ßen, es ist da, es ist in euch: als Le­ben in der Lie­be, in der Lie­be ohne Ab­zug und Aus­schluß, ohne Di­stanz. Je­der ist das Kind Got­tes – Je­sus nimmt durch­aus nichts für sich al­lein in An­spruch –, als Kind Got­tes ist Je­der mit Je­dem gleich … Aus Je­sus einen Hel­den ma­chen! – Und was für ein Miß­ver­ständ­niß ist gar das Wort »Ge­nie«! Un­ser gan­zer Be­griff, un­ser Cul­tur-Be­griff »Geist« hat in der Welt, in der Je­sus lebt, gar kei­nen Sinn. Mit der Stren­ge des Phy­sio­lo­gen ge­spro­chen, wäre hier ein ganz andres Wort eher noch am Platz … Wir ken­nen einen Zu­stand krank­haf­ter Reiz­bar­keit des Tast­sinns, der dann vor je­der Berüh­rung, vor je­dem An­fas­sen ei­nes fes­ten Ge­gen­stan­des zu­rück­schau­dert. Man über­set­ze sich einen sol­chen phy­sio­lo­gi­schen ha­bi­tus in sei­ne letz­te Lo­gik – als In­stinkt-Haß ge­gen jede Rea­li­tät, als Flucht in’s »Un­faß­li­che«, in’s »Un­be­greif­li­che«, als Wi­der­wil­le ge­gen jede For­mel, je­den Zeit- und Raum­be­griff, ge­gen Al­les, was fest, Sit­te, In­sti­tu­ti­on, Kir­che ist, als Zu-Hau­se-sein in ei­ner Welt, an die kei­ne Art Rea­li­tät mehr rührt, ei­ner bloß noch »in­ne­ren« Welt, ei­ner »wah­ren« Welt, ei­ner »ewi­gen« Wel­t… »Das Reich Got­tes ist in euch«…

      *

      30.

      Der In­stinkt-Haß ge­gen die Rea­li­tät: Fol­ge ei­ner ex­tre­men Leid- und Reiz­fä­hig­keit, wel­che über­haupt nicht mehr »be­rührt« wer­den will, weil sie jede Berüh­rung zu tief emp­fin­det.

      Die In­stinkt-Aus­schlie­ßung al­ler Ab­nei­gung, al­ler Feind­schaft, al­ler Gren­zen und Di­stan­zen im Ge­fühl: Fol­ge ei­ner ex­tre­men Leid- und Reiz­fä­hig­keit, wel­che je­des Wi­der­stre­ben, Wi­der­stre­ben-müs­sen be­reits als un­er­träg­li­che Un­lust (das heißt als schäd­lich, als vom Selbs­t­er­hal­tungs-In­stink­te wi­der­rat­hen) emp­fin­det und die Se­lig­keit (die Lust) al­lein dar­in kennt, nicht mehr, Nie­man­dem mehr, we­der dem Übel noch dem Bö­sen, Wi­der­stand zu leis­ten, – die Lie­be als ein­zi­ge, als letz­te Le­bens-Mög­lich­keit…

      Dies sind die zwei phy­sio­lo­gi­schen Rea­li­tä­ten, auf de­nen, aus de­nen die Er­lö­sungs-Leh­re ge­wach­sen ist. Ich nen­ne sie eine sub­li­me Wei­ter-Ent­wick­lung des He­do­nis­mus auf durch­aus mor­bi­der Grund­la­ge. Nächst­ver­wandt, wenn auch mit ei­nem großen Zu­schuß von grie­chi­scher Vi­ta­li­tät und Ner­ven­kraft, bleibt ihr der Epi­ku­reis­mus, die Er­lö­sungs-Leh­re des Hei­dent­hums. Epi­kur ein ty­pi­scher dé­ca­dent: zu­erst von mir als sol­cher er­kannt. – Die Furcht vor Schmerz, selbst vor dem Unend­lich-Klei­nen im Schmerz – sie kann gar nicht an­ders en­den als in ei­ner Re­li­gi­on der Lie­be…

      *

      31.

      Ich habe mei­ne Ant­wort auf das Pro­blem vor­weg ge­ge­ben. Die Voraus­set­zung für sie ist, daß der Ty­pus des Er­lö­sers uns nur in ei­ner star­ken Ent­stel­lung er­hal­ten ist. Die­se Ent­stel­lung hat an sich viel Wahr­schein­lich­keit: ein sol­cher Ty­pus konn­te aus meh­re­ren Grün­den nicht rein, nicht ganz, nicht frei von Zutha­ten blei­ben. Es muß so­wohl das Mi­lieu, in dem sich die­se frem­de Ge­stalt be­weg­te, Spu­ren an ihm hin­ter­las­sen ha­ben, als noch mehr die Ge­schich­te, das Schick­sal der ers­ten christ­li­chen Ge­mein­de: aus ihm wur­de, rück­wir­kend, der Ty­pus mit Zü­gen be­rei­chert, die erst aus dem Krie­ge und zu Zwe­cken der Pro­pa­gan­da ver­ständ­lich wer­den. Jene selt­sa­me und kran­ke Welt, in die uns die Evan­ge­li­en ein­füh­ren – eine Welt, wie aus ei­nem rus­si­schen Ro­ma­ne, in der sich Aus­wurf der Ge­sell­schaft, Ner­ven­lei­den und »kind­li­ches« Idio­tent­hum ein Stell­dich­ein zu ge­ben schei­nen – muß un­ter al­len Um­stän­den den Ty­pus ver­grö­bert ha­ben: die ers­ten Jün­ger in Son­der­heit über­setz­ten ein ganz in Sym­bo­len und Un­faß­lich­kei­ten schwim­men­des Sein erst in die eig­ne Cru­di­tät, um über­haupt Et­was da­von zu ver­stehn, – für sie war der Ty­pus erst nach ei­ner Ein­for­mung in be­kann­te­re For­men vor­han­den… Der Pro­phet, der Mes­si­as, der zu­künf­ti­ge Rich­ter, der Moral­leh­rer, der Wun­der­mann, Jo­han­nes der Täu­fer – eben­so­vie­le Ge­le­gen­hei­ten, den Ty­pus zu ver­ken­nen… Un­ter­schät­zen wir end­lich das pro­pri­um al­ler großen, na­ment­lich sek­ti­re­ri­schen Ver­eh­rung nicht: sie löscht die ori­gi­na­len, oft pein­lich-frem­den Züge und Idio­syn­kra­si­en an dem ver­ehr­ten We­sen aus – sie sieht sie selbst nicht. Man hät­te zu be­dau­ern, daß nicht ein Do­stoiew­sky in der Nähe die­ses in­ter­essan­tes­ten dé­ca­dent ge­lebt hat, ich mei­ne, Je­mand, der ge­ra­de den er­grei­fen­den Reiz ei­ner sol­chen Mi­schung von Sub­li­mem, Kran­kem und Kind­li­chem zu emp­fin­den wuß­te. Ein letz­ter Ge­sichts­punkt: der Ty­pus könn­te, als dé­ca­dence-Ty­pus, that­säch­lich von ei­ner ei­gent­hüm­li­chen Viel­heit und Wi­der­sprüch­lich­keit ge­we­sen sein: eine sol­che Mög­lich­keit ist nicht völ­lig aus­zu­schlie­ßen. Trotz­dem räth Al­les ab von ihr: ge­ra­de die Über­lie­fe­rung wür­de für die­sen Fall eine merk­wür­dig treue und ob­jek­ti­ve sein müs­sen: wo­von wir Grün­de ha­ben das Ge­gent­heil an­zu­neh­men. Einst­wei­len klafft ein Wi­der­spruch zwi­schen dem Berg-, See- und Wie­sen-Pre­di­ger, des­sen Er­schei­nung wie ein Bud­dha auf ei­nem sehr we­nig in­di­schen Bo­den an­mu­thet, und je­nem Fa­na­ti­ker des An­griffs, dem Theo­lo­gen- und Pries­ter-Tod­feind, den Renan’s Bos­heit als »le grand maître en iro­nie« ver­herr­licht hat. Ich sel­ber zweifle nicht dar­an, daß das reich­li­che Maaß Gal­le (und selbst von e­sprit) erst aus dem er­reg­ten Zu­stand der christ­li­chen Pro­pa­gan­da auf den Ty­pus des Meis­ters über­ge­flos­sen ist: man kennt ja reich­lich die Un­be­denk­lich­keit al­ler Sek­ti­rer, aus ih­rem Meis­ter sich ihre Apo­lo­gie zu­recht zu ma­chen. Als die ers­te Ge­mein­de einen rich­ten­den, ha­dern­den, zür­nen­den, bös­ar­tig spitz­fin­di­gen Theo­lo­gen nö­thig hat­te, ge­gen Theo­lo­gen, schuf sie sich ih­ren »Gott« nach ih­rem Be­dürf­nis­se: wie sie ihm auch jene völ­lig un­evan­ge­li­schen Be­grif­fe, die sie jetzt nicht ent­beh­ren konn­te, »Wie­der­kunft«, »jüngs­tes Ge­richt«, jede Art zeit­li­cher Er­war­tung und Ver­hei­ßung, ohne Zö­gern in den Mund gab. –

      *

      32.

      Ich weh­re mich, noch­mals ge­sagt, da­ge­gen, daß man den Fa­na­ti­ker in den Ty­pus des Er­lö­sers ein­trägt: das Wort impérieux, das Ren­an ge­braucht, an­nul­lirt al­lein schon den Ty­pus. Die »gute Bot­schaft« ist eben, daß es kei­ne Ge­gen­sät­ze mehr giebt; das Him­mel­reich ge­hört den Kin­dern; der Glau­be, der hier laut wird, ist kein er­kämpf­ter Glau­be, – er ist da, er ist von An­fang, er ist gleich­sam eine in’s Geis­ti­ge zu­rück­ge­tre­te­ne СКАЧАТЬ