Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
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СКАЧАТЬ die Psy­cho­lo­gie auf eine Un­heil­ba­re Wei­se in den Wi­der­spruch zu de­ren Na­tur-Wert­hen um­ge­dreht. Wir be­geg­nen dem­sel­ben Phä­no­me­ne noch ein­mal und in un­säg­lich ver­grö­ßer­ten Pro­por­tio­nen, trotz­dem nur als Co­pie: – die christ­li­che Kir­che ent­behrt, im Ver­gleich zum »Volk der Hei­li­gen«, je­des An­spruchs auf Ori­gi­na­li­tät. Die Ju­den sind, eben­da­mit, das ver­häng­niß­volls­te Volk der Welt­ge­schich­te: in ih­rer Nach­wir­kung ha­ben sie die Mensch­heit der­maa­ßen falsch ge­macht, daß heu­te noch der Christ an­ti­jü­disch füh­len kann, ohne sich als die letz­te jü­di­sche Con­se­quenz zu ver­stehn.

      Ich habe in mei­ner »Ge­nea­lo­gie der Moral« zum ers­ten Male den Ge­gen­satz-Be­griff ei­ner vor­neh­men Moral und ei­ner res­sen­ti­ment-Moral psy­cho­lo­gisch vor­ge­führt, letz­te­re aus dem Nein ge­gen die ers­te­re ent­sprun­gen: aber dies ist die jü­disch-christ­li­che Moral ganz und gar. Um Nein sa­gen zu kön­nen zu Al­lem, was die auf­stei­gen­de Be­we­gung des Le­bens, die Wohl­ge­rat­hen­heit, die Macht, die Schön­heit, die Selbst­be­ja­hung auf Er­den dar­stellt, muß­te hier sich der Ge­nie ge­w­ord­ne In­stinkt des res­sen­ti­ment eine and­re Welt er­fin­den, von wo aus jene Le­bens-Be­ja­hung als das Böse, als das Ver­werf­li­che an sich er­schi­en. Psy­cho­lo­gisch nach­ge­rech­net, ist das jü­di­sche Volk ein Volk der zä­he­s­ten Le­bens­kraft, wel­ches, un­ter un­mög­li­che Be­din­gun­gen ver­setzt, frei­wil­lig, aus der tiefs­ten Klug­heit der Selbs­t­er­hal­tung, die Par­tei al­ler dé­ca­dence-In­stink­te nimmt, – nicht als von ih­nen be­herrscht, son­dern weil es in ih­nen eine Macht er­rieth, mit der man sich ge­gen »die Welt« durch­set­zen kann. Die Ju­den sind das Ge­gen­stück al­ler dé­ca­dents: sie ha­ben sie dar­stel­len müs­sen bis zur Il­lu­si­on, sie ha­ben sich, mit ei­nem non plus ul­tra des schau­spie­le­ri­schen Ge­nie’s, an die Spit­ze al­ler dé­ca­dence Be­we­gun­gen zu stel­len ge­wußt (– als Chris­ten­tum des Pau­lus –), um aus ih­nen Et­was zu schaf­fen, das stär­ker ist als jede Ja-sa­gen­de Par­tei des Le­bens. Die dé­ca­dence ist, für die im Ju­den- und Chris­ten­tum zur Macht ver­lan­gen­de Art von Mensch, eine pries­ter­li­che Art, nur Mit­tel: die­se Art von Mensch hat ein Le­bens-In­ter­es­se dar­an, die Mensch­heit krank zu ma­chen und die Be­grif­fe »gut« und »böse«, »wahr« und »falsch« in einen le­bens­ge­fähr­li­chen und welt­ver­leum­de­ri­schen Sinn um­zu­drehn. –

      *

      25.

      Die Ge­schich­te Is­rael’s ist un­schätz­bar als ty­pi­sche Ge­schich­te al­ler Ent­na­tür­li­chung der Na­tur-Wert­he: ich deu­te fünf That­sa­chen der­sel­ben an. Ur­sprüng­lich, vor Al­lem in der Zeit des Kö­nigt­hums, stand auch Is­rael zu al­len Din­gen in der rich­ti­gen, das heißt der na­tür­li­chen Be­zie­hung. Sein Ja­veh war der Aus­druck des Macht-Be­wußt­seins, der Freu­de an sich, der Hoff­nung auf sich: in ihm er­war­te­te man Sieg und Heil, mit ihm ver­trau­te man der Na­tur, daß sie giebt, was das Volk nö­thig hat – vor Al­lem Re­gen. Ja­veh ist der Gott Is­rael’s und folg­lich Gott der Ge­rech­tig­keit: die Lo­gik je­des Volks, das in Macht ist und ein gu­tes Ge­wis­sen da­von hat. Im Fest-Cul­tus drücken sich die­se bei­den Sei­ten der Selbst­be­ja­hung ei­nes Vol­kes aus: es ist dank­bar für die großen Schick­sa­le, durch die es oben­auf kam, es ist dank­bar im Ver­hält­niß zum Jah­res­kreis­lauf und al­lem Glück in Vieh­zucht und Acker­bau. – Die­ser Zu­stand der Din­ge blieb noch lan­ge das Ide­al, auch als er auf eine trau­ri­ge Wei­se ab­ge­than war: die An­ar­chie im In­nern, der As­sy­rer von Au­ßen. Aber das Volk hielt als höchs­te Wünsch­bar­keit jene Vi­si­on ei­nes Kö­nigs fest, der ein gu­ter Sol­dat und ein stren­ger Rich­ter ist: vor Al­lem je­ner ty­pi­sche Pro­phet (das heißt Kri­ti­ker und Sa­ti­ri­ker des Au­gen­blicks) Je­saia. – Aber jede Hoff­nung blieb un­er­füllt. Der alte Gott konn­te nichts mehr von dem, was er ehe­mals konn­te. Man hät­te ihn fah­ren las­sen sol­len. Was ge­sch­ah? Man ver­än­der­te sei­nen Be­griff, – man ent­na­tür­lich­te sei­nen Be­griff: um die­sen Preis hielt man ihn fest. – Ja­veh der Gott der »Ge­rech­tig­keit«, – nicht mehr eine Ein­heit mit Is­rael, ein Aus­druck des Volks-Selbst­ge­fühls: nur noch ein Gott un­ter Be­din­gun­gen … Sein Be­griff wird ein Werk­zeug in den Hän­den pries­ter­li­cher Agi­ta­to­ren, wel­che al­les Glück nun­mehr als Lohn, al­les Un­glück als Stra­fe für Un­ge­hor­sam ge­gen Gott, für »Sün­de« in­ter­pre­ti­ren: jene ver­lo­gens­te In­ter­pre­ta­ti­ons-Ma­nier ei­ner an­geb­lich »sitt­li­chen Wel­t­ord­nung«, mit der, ein für alle Mal, der Na­tur­be­griff »Ur­sa­che« und »Wir­kung« auf den Kopf ge­stellt ist. Wenn man erst, mit Lohn und Stra­fe, die na­tür­li­che Cau­sa­li­tät aus der Welt ge­schafft hat, be­darf man ei­ner wi­der­na­tür­li­chen Cau­sa­li­tät: der gan­ze Rest von Un­na­tur folgt nun­mehr. Ein Gott, der for­dert, – an Stel­le ei­nes Got­tes, der hilft, der Rath schafft, der im Grun­de das Wort ist für jede glück­li­che In­spi­ra­ti­on des Muths und des Selbst­ver­trau­ens … Die Moral nicht mehr der Aus­druck der Le­bens- und Wachst­hums­be­din­gun­gen ei­nes Volks, nicht mehr sein un­ters­ter In­stinkt des Le­bens, son­dern ab­strakt ge­wor­den, Ge­gen­satz zum Le­ben ge­wor­den, – Moral als grund­sätz­li­che Ver­schlech­te­rung der Phan­ta­sie, als »bö­ser Blick« für alle Din­ge. Was ist jü­di­sche, was ist christ­li­che Moral? Der Zu­fall um sei­ne Un­schuld ge­bracht; das Un­glück mit dem Be­griff »Sün­de« be­schmutzt; das Wohl­be­fin­den als Ge­fahr, als »Ver­su­chung«; das phy­sio­lo­gi­sche Übel­be­fin­den mit dem Ge­wis­sens-Wurm ver­gif­tet …

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      26.

      Der Got­tes­be­griff ge­fälscht; der Moral­be­griff ge­fälscht: – die jü­di­sche Pries­ter­schaft blieb da­bei nicht stehn. Man konn­te die gan­ze Ge­schich­te Is­rael’s nicht brau­chen: fort mit ihr! – Die­se Pries­ter ha­ben je­nes Wun­der­werk von Fäl­schung zu Stan­de ge­bracht, als de­ren Do­ku­ment uns ein gu­ter Theil der Bi­bel vor­liegt: sie ha­ben ihre eig­ne Volks-Ver­gan­gen­heit mit ei­nem Hohn ohne Glei­chen ge­gen jede Über­lie­fe­rung, ge­gen jede his­to­ri­sche Rea­li­tät, in’s Re­li­gi­öse über­setzt, das heißt, aus ihr einen stu­pi­den Heils-Mecha­nis­mus von Schuld ge­gen Ja­veh und Stra­fe, von Fröm­mig­keit ge­gen Ja­veh und Lohn ge­macht. Wir wür­den die­sen schmach­volls­ten Akt der Ge­schichts-Fäl­schung viel schmerz­haf­ter emp­fin­den, wenn uns nicht die kirch­li­che Ge­schichts-In­ter­pre­ta­ti­on von Jahr­tau­sen­den fast stumpf für die For­de­run­gen der Recht­schaf­fen­heit in his­to­ri­cis ge­macht hät­te. Und der Kir­che se­kun­dir­ten die Phi­lo­so­phen: die Lüge der »sitt­li­chen Wel­t­ord­nung« geht durch die gan­ze Ent­wick­lung selbst der neue­ren Phi­lo­so­phie. Was be­deu­tet »sitt­li­che Wel­t­ord­nung«? Daß es, ein für alle Mal, einen Wil­len Got­tes giebt, was der Mensch zu thun, was er zu las­sen habe; daß der Werth ei­nes Vol­kes, ei­nes Ein­zel­nen sich dar­nach be­mes­se, wie sehr oder wie we­nig dem Wil­len Got­tes ge­horcht wird; daß in den Schick­sa­len ei­nes Vol­kes, ei­nes Ein­zel­nen sich der Wil­le Got­tes als herr­schend, das heißt als stra­fend und be­loh­nend, je nach dem Gra­de des Ge­hor­sams, be­weist. – Die Rea­li­tät an Stel­le die­ser er­bar­mungs­wür­di­gen Lüge heißt: eine pa­ra­si­ti­sche Art Mensch, die nur auf Kos­ten al­ler ge­sun­den Bil­dun­gen des СКАЧАТЬ