Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше страница 174

СКАЧАТЬ sind die nie­ders­ten Stän­de, die in ihm ihr Heil su­chen. Hier wird als Be­schäf­ti­gung, als Mit­tel ge­gen die Lan­ge­wei­le die Ca­suis­tik der Sün­de, die Selbst­kri­tik, die Ge­wis­sens-In­qui­si­ti­on ge­übt; hier wird der Af­fekt ge­gen einen Mäch­ti­gen, »Gott« ge­nannt, be­stän­dig auf­recht er­hal­ten (durch das Ge­bet); hier gilt das Höchs­te als un­er­reich­bar, als Ge­schenk, als »Gna­de«. Hier fehlt auch die Öf­fent­lich­keit: der Ver­steck, der dunkle Raum ist christ­lich. Hier wird der Leib ver­ach­tet, die Hy­gie­ne als Sinn­lich­keit ab­ge­lehnt; die Kir­che wehrt sich selbst ge­gen die Rein­lich­keit (– die ers­te christ­li­che Maaß­re­gel nach Ver­trei­bung der Mau­ren war die Schlie­ßung der öf­fent­li­chen Bä­der, von de­nen Cor­do­va al­lein 270 be­saß). Christ­lich ist ein ge­wis­ser Sinn der Grau­sam­keit, ge­gen sich und And­re; der Haß ge­gen die An­ders­den­ken­den; der Wil­le, zu ver­fol­gen. Düs­te­re und auf­re­gen­de Vor­stel­lun­gen sind im Vor­der­grun­de; die höchst­be­gehr­ten, mit den höchs­ten Na­men be­zeich­ne­ten Zu­stän­de sind Epi­lep­soi­den; die Diät wird so ge­wählt, daß sie mor­bi­de Er­schei­nun­gen be­güns­tigt und die Ner­ven über­reizt. Christ­lich ist die Tod­feind­schaft ge­gen die Her­ren der Erde, ge­gen die »Vor­neh­men« – und zu­gleich ein ver­steck­ter heim­li­cher Wett­be­werb (– man läßt ih­nen den »Leib«, man will nur die »See­le« …). Christ­lich ist der Haß ge­gen den Geist, ge­gen Stolz, Muth, Frei­heit, li­ber­ti­na­ge des Geis­tes; christ­lich ist der Haß ge­gen die Sin­ne, ge­gen die Freu­den der Sin­ne, ge­gen die Freu­de über­haupt …

      *

      22.

      Das Chris­tent­hum, als es sei­nen ers­ten Bo­den ver­ließ, die nied­rigs­ten Stän­de, die Un­ter­welt der an­ti­ken Welt, als es un­ter Bar­ba­ren-Völ­kern nach Macht aus­gieng, hat­te hier nicht mehr müde Men­schen zur Voraus­set­zung, son­dern in­ner­lich ver­wil­der­te und sich zer­rei­ßen­de, – den star­ken Men­schen, aber den miß­ra­th­nen. Die Un­zu­frie­den­heit mit sich, das Lei­den an sich ist hier nicht wie bei dem Bud­dhis­ten eine über­mä­ßi­ge Reiz­bar­keit und Schmerz­fä­hig­keit, viel­mehr um­ge­kehrt ein über­mäch­ti­ges Ver­lan­gen nach We­he–thun, nach Aus­las­sung der in­ne­ren Span­nung in feind­se­li­gen Hand­lun­gen und Vor­stel­lun­gen. Das Chris­tent­hum hat­te bar­ba­ri­sche Be­grif­fe und Wert­he nö­thig, um über Bar­ba­ren Herr zu wer­den: sol­che sind das Erst­ling­sop­fer, das Blut­trin­ken im Abend­mahl, die Ver­ach­tung des Geis­tes und der Cul­tur; die Fol­te­rung in al­len For­men, sinn­lich und un­sinn­lich; der große Pomp des Cul­tus. Der Bud­dhis­mus ist eine Re­li­gi­on für spä­te Men­schen, für gü­ti­ge, sanf­te, über­geis­tig ge­w­ord­ne Ras­sen, die zu leicht Schmerz emp­fin­den (– Eu­ro­pa ist noch lan­ge nicht reif für ihn –): er ist eine Rück­füh­rung der­sel­ben zu Frie­den und Hei­ter­keit, zur Diät im Geis­ti­gen, zu ei­ner ge­wis­sen Ab­här­tung im Leib­li­chen. Das Chris­tent­hum will über Raubt­hie­re Herr wer­den; sein Mit­tel ist, sie krank zu ma­chen, – die Schwä­chung ist das christ­li­che Re­cept zur Zäh­mung, zur »Ci­vi­li­sa­ti­on«. Der Bud­dhis­mus ist eine Re­li­gi­on für den Schluß und die Mü­dig­keit der Ci­vi­li­sa­ti­on, das Chris­ten­tum fin­det sie noch nicht ein­mal vor, – es be­grün­det sie un­ter Um­stän­den.

      *

      23.

      Der Bud­dhis­mus, noch­mals ge­sagt, ist hun­dert­mal käl­ter, wahr­haf­ter, ob­jek­ti­ver. Er hat nicht mehr nö­thig, sich sein Lei­den, sei­ne Schmerz­fä­hig­keit an­stän­dig zu ma­chen durch die In­ter­pre­ta­ti­on der Sün­de, – er sagt bloß, was er denkt, »ich lei­de«. Dem Bar­ba­ren da­ge­gen ist Lei­den an sich nichts An­stän­di­ges: er braucht erst eine Aus­le­gung, um es sich ein­zu­ge­stehn, daß er lei­det (sein In­stinkt weist ihn eher auf Ver­leug­nung des Lei­dens, auf stil­les Er­tra­gen hin). Hier war das Wort »Teu­fel« eine Wohl­that: man hat­te einen über­mäch­ti­gen und furcht­ba­ren Feind, – man brauch­te sich nicht zu schä­men, an ei­nem sol­chen Feind zu lei­den. –

      Das Chris­tent­hum hat ei­ni­ge Fein­hei­ten auf dem Grun­de, die zum Ori­ent ge­hö­ren. Vor Al­lem weiß es, daß es an sich ganz gleich­gül­tig ist, ob Et­was wahr ist, aber von höchs­ter Wich­tig­keit, so­fern es als wahr ge­glaubt wird. Die Wahr­heit und der Glau­be, daß Et­was wahr sei: zwei ganz aus­ein­an­der­lie­gen­de In­ter­es­sen» Wel­ten, fast Ge­gen­satz-Wel­ten, – man kommt zum Ei­nen und zum An­dern auf grund­ver­schie­nen We­gen. Hier­über wis­send zu sein – das macht im Ori­ent bei­na­he den Wei­sen: so ver­stehn es die Brah­ma­nen, so ver­steht es Pla­to, so je­der Schü­ler eso­te­ri­scher Weis­heit. Wenn zum Bei­spiel ein Glück dar­in liegt, sich von der Sün­de er­löst zu glau­ben, so thut als Voraus­set­zung dazu nicht noth, daß der Mensch sün­dig sei, son­dern daß er sich sün­dig fühlt. Wenn aber über­haupt vor Al­lem Glau­be noth thut, so muß man die Ver­nunft, die Er­kennt­niß, die For­schung in Miß­cre­dit brin­gen: der Weg zur Wahr­heit wird zum ver­bot­nen Weg. – Die star­ke Hoff­nung ist ein viel grö­ße­res Sti­mu­lans des Le­bens, als ir­gend ein ein­zel­nes wirk­lich ein­tre­ten­des Glück. Man muß Lei­den­de durch eine Hoff­nung auf­recht er­hal­ten, wel­cher durch kei­ne Wirk­lich­keit wi­der­spro­chen wer­den kann, – wel­che nicht durch eine Er­fül­lung ab­ge­than wird: eine Jen­seits-Hoff­nung. (Gera­de we­gen die­ser Fä­hig­keit, den Un­glück­li­chen hin­zu­hal­ten, galt die Hoff­nung bei den Grie­chen als Übel der Übel, als das ei­gent­lich tücki­sche Übel: es blieb im Faß des Übels zu­rück). – Da­mit Lie­be mög­lich ist, muß Gott Per­son sein; da­mit die un­ters­ten In­stink­te mit­re­den kön­nen, muß Gott jung sein. Man hat für die In­brunst der Wei­ber einen schö­nen Hei­li­gen, für die der Män­ner eine Ma­ria in den Vor­der­grund zu rücken. Dies un­ter der Voraus­set­zung, daß das Chris­tent­hum auf ei­nem Bo­den Herr wer­den will. wo aphro­di­si­sche oder Ado­nis-Cul­te den Be­griff des Cul­tus be­reits be­stimmt ha­ben. Die For­de­rung der Keusch­heit ver­stärkt die Ve­he­menz und In­ner­lich­keit des re­li­gi­ösen In­stinkts – sie macht den Cul­tus wär­mer, schwär­me­ri­scher, see­len­vol­ler. – Die Lie­be ist der Zu­stand, wo der Mensch die Din­ge am meis­ten so sieht, wie sie nicht sind. Die il­lu­so­ri­sche Kraft ist da auf ih­rer Höhe, eben­so die ver­sü­ßen­de, die ver­klä­ren­de Kraft. Man er­trägt in der Lie­be mehr als sonst, man dul­det Al­les. Es galt eine Re­li­gi­on zu er­fin­den, in der ge­liebt wer­den kann: da­mit ist man über das Schlimms­te am Le­ben hin­aus, – man sieht es gar nicht mehr. – So viel über die drei christ­li­chen Tu­gen­den Glau­be, Lie­be, Hoff­nung: ich nen­ne sie die drei christ­li­chen Klug­hei­ten. – Der Bud­dhis­mus ist zu spät, zu po­si­ti­vis­tisch dazu, um noch auf die­se Wei­se klug zu sein. –

      *

      24.

      Ich be­rüh­re hier nur das Pro­blem der Ent­ste­hung des Chris­ten­tums. Der ers­te Satz zu des­sen Lö­sung heißt: das Chris­tent­hum ist ein­zig aus dem Bo­den zu ver­stehn, aus dem es ge­wach­sen ist, – es ist nicht eine Ge­gen­be­we­gung ge­gen den jü­di­schen In­stinkt, es ist des­sen Fol­ge­rich­tig­keit selbst, ein Schluß wei­ter in des­sen furcht­ein­flö­ßen­der Lo­gik. In der For­mel des Er­lö­sers: »das Heil kommt von den Ju­den«. – Der zwei­te Satz heißt: der psy­cho­lo­gi­sche Ty­pus des Ga­li­lä­ers СКАЧАТЬ