Название: Gesammelte Werke
Автор: Фридрих Вильгельм Ðицше
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815295
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Das letzte Phänomen nun zwar sollte sie stutzig machen, es sollte sie zum Beispiel an jene verwandte allmählich begriffne Tendenz einer ehemals von Staatswegen geförderten und auf Staatszwecke es absehenden Philosophie erinnern, an die Tendenz der Hegel’schen Philosophie: ja, es wäre vielleicht nicht übertrieben, zu behaupten, daß in der Unterordnung aller Bildungsbestrebungen unter Staatszwecke Preußen das praktisch verwerthbare Erbstück der Hegel’schen Philosophie sich mit Erfolg angeeignet habe: deren Apotheose des Staats allerdings in dieser Unterordnung ihren Gipfel erreicht.«
»Aber«, fragte der Begleiter, »was mag ein Staat in einer so befremdlichen Tendenz für Absichten verfolgen? Denn daß er Staatsabsichten verfolgt, geht schon daraus hervor, wie jene preußischen Schulzustände von anderen Staaten bewundert, reiflich erwogen, hier und da nachgeahmt werden. Diese anderen Staaten vermuthen hier offenbar Etwas, was in ähnlicher Weise der Fortdauer und Kraft des Staates zu Nutze käme, wie etwa jene berühmte und durchaus populär gewordene allgemeine Wehrpflicht. Dort wo Jedermann periodisch und mit Stolz die soldatische Uniform trägt, wo fast Jeder die uniformirte Staatscultur durch die Gymnasien in sich aufgenommen hat, möchten Überschwängliche fast von antiken Zuständen sprechen, von einer nur im Alterthum einmal erreichten Allmacht des Staates, den als Blüthe und höchsten Zweck des menschlichen Daseins zu empfinden fast jeder junge Mensch durch Instinkte und Erziehung angehalten ist.«
»Dieser Vergleich«, sagte der Philosoph, »wäre nun freilich überschwänglich und würde nicht nur auf einem Beine hinken. Denn gerade von dieser Utilitätsrücksicht ist das antike Staatswesen so fern wie möglich geblieben, die Bildung nur gelten zu lassen, soweit sie ihm direkt nützte und wohl gar die Triebe zu vernichten, die sich nicht sofort zu seinen Absichten verwendbar erwiesen. Der tiefsinnige Grieche empfand gerade deshalb gegen den Staat jenes für moderne Menschen fast anstößig starke Gefühl der Bewunderung und Dankbarkeit, weil er erkannte, daß ohne eine solche Noth- und Schutzanstalt auch kein einziger Keim der Cultur sich entwickeln könne, und daß seine ganze unnachahmliche und für alle Zeiten einzige Cultur gerade unter der sorgsamen und weisen Obhut seiner Noth- und Schutzanstalten so üppig emporgewachsen sei. Nicht Grenzwächter, Regulator, Aufseher war für seine Cultur der Staat, sondern der derbe muskulöse zum Kampf gerüstete Kamerad und Weggenosse, der dem bewunderten, edleren und gleichsam überirdischen Freund das Geleit durch rauhe Wirklichkeiten giebt und dafür dessen Dankbarkeit erntet. Wenn jetzt dagegen der moderne Staat eine solche schwärmende Dankbarkeit in Anspruch nimmt, so geschieht dies gewiß nicht, weil er sich der ritterlichen Dienste gegen die höchste deutsche Bildung und Kunst bewußt wäre: denn nach dieser Seite hin ist seine Vergangenheit ebenso schmachvoll wie seine Gegenwart: wobei man nur an die Art und Weise zu denken hat, wie das Andenken an unsre großen Dichter und Künstler in deutschen Hauptstädten gefeiert wird, und wie die höchsten Kunstpläne dieser deutschen Meister je von Seite dieses Staates unterstützt worden sind.
Es muß also eine eigne Bewandtniß haben, sowohl mit jener Staatstendenz, welche auf alle Weise Das, was hier »Bildung« heißt, fördert, als mit jener derartig geforderten Cultur, die sich dieser Staatstendenz unterordnet. Mit dem ächten deutschen Geiste und einer aus ihm abzuleitenden Bildung, wie ich sie dir, mein Freund, mit zögernden Strichen hinzeichnete, befindet sich jene Staatstendenz in offener oder versteckter Fehde: der Geist der Bildung, der jener Staatstendenz wohlthut und von ihr mit so reger Theilnahme getragen wird, dessentwegen sie ihr Schulwesen im Auslande bewundern läßt, muß demnach wohl aus einer Sphäre stammen, die mit jenem ächten deutschen Geiste sich nicht berührt, mit jenem Geiste, der aus dem innersten Kerne der deutschen Reformation, der deutschen Musik, der deutschen Philosophie so wunderbar zu uns redet, und der, wie ein edler Verbannter, gerade von jener von Staatswegen luxuriirenden Bildung so gleichgültig, so schnöde angesehn wird. Er ist ein Fremdling: in einsamer Trauer zieht er vorbei: und dort wird das Rauchfaß vor jener Pseudocultur geschwungen, die, unter dem Zuruf der »gebildeten« Lehrer und Zeitungsschreiber, sich seinen Namen, seine Würden angemaßt hat und mit dem Worte »deutsch« ein schmähliches Spiel treibt. Wozu braucht der Staat jene Überzahl von Bildungsanstalten, von Bildungslehrern? Wozu diese auf die Breite gegründete Volksbildung und Volksaufklärung? Weil der ächte deutsche Geist gehaßt wird, weil man die aristokratische Natur der wahren Bildung fürchtet, weil man die großen Einzelnen dadurch zur Selbstverbannung treiben will, daß man bei den Vielen die Bildungsprätension pflanzt und nährt, weil man der strengen und harten Zucht der großen Führer damit zu entlaufen sucht, daß man der Masse einredet, sie werde schon selbst den Weg finden – unter dem Leitstern des Staates!
Ein neues Phänomen! Der Staat als Leitstern der Bildung! Inzwischen tröstet mich eins: dieser deutsche Geist, den man so bekämpft, dem man einen bunt behängten Vicar substituirt hat, dieser Geist ist tapfer: er wird sich kämpfend in eine reinere Periode hindurchretten, er wird sich selbst, edel, wie er ist, und siegreich, wie er sein wird, eine gewisse mitleidige Empfindung gegen das Staatswesen bewahren, wenn dies in seiner Noth und auf das Äußerste bedrängt, eine solche Pseudocultur als Bundesgenossen erfaßt. Denn was weiß man schließlich von der Schwierigkeit der Aufgabe, Menschen zu regieren, das heißt unter vielen Millionen СКАЧАТЬ