Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Am schwersten unterscheidet man die Menschen auf der schmalen Kippe zwischen einem Verdammten und einem Heiligen.«

      »Verdammte kenn ich zur Genüge. Jetzt hab ich Sehnsucht, nur ein einziges Mal einem Heiligen zu begegnen, der noch auf Erden wandelt.«

      »Warum willst du das?«

      »Um zu erforschen, wie ein Heiliger bei lebendigem Leibe riecht.«

      Die grauen Augen des Kaplans wurden rund. »Ich verstehe meinen geliebten Herrn nicht.«

      »Dann will ich es dir erklären. Menschen, die eine das reinliche Maß übersteigende Liebe zu Tieren besitzen, riechen bitter und schlecht. Tiere, die eine tiefe Neigung zu Menschen fassen, bekommen in des geliebten Menschen Nähe einen köstlich duftenden Atem. Wie schön und rein muß jeder Hauch eines Menschen werden, wenn er zu lieben beginnt, was wertvoller ist und höher steht als seine eigne Erbärmlichkeit. Du, Franzikopus, säuerst! Ich fürchte, es wird mit dir ein böses Ende nehmen.«

      Heiter lachte der Kaplan. Doch plötzlich spähte er über die Straße voraus und sprach: »Das ist heut ein Tag der Dinge, die vielfältig sind und doch immer ein gleiches bleiben. Wir haben den Tod auf den Schultern des Lebens gesehen und den Tod im Staub der Straße. Jetzt kommt der Tod im Sattel. Wir wollen abseits reiten, lieber Herr. Jedes dritte Omen macht mich abergläubisch.«

      Sie ritten von der Straße gegen die Wiesen hinaus, und weil sie sich vom Ufer der Ache entfernten, deren Rauschen stiller wurde, hörten sie wieder deutlich den Stimmenlärm der Ramsauer.

      Die lieferten einander von Nase zu Nase ein erbittertes Wortgefecht, bei dem schon bald die brüderlichen Fäuste zur Mitwirkung bereit erschienen. Der Haufe, der vor dem Hof des Leuthauses durcheinander wühlte, hatte sich durch Zulauf noch vergrößert. Und immer neue Menschen kamen von allen Seiten über die Wiesenhügel heruntergerannt. Von den Kindern standen die einen in Neugier oder mit erschrockenen Gesichtern herum, andre pritschelten heiter in der Ache, warfen Steine nach den Forellen oder trieben sonstwie ihre gewohnten Spiele.

      Die Ordnung der Gnotschaft war völlig in Fransen gegangen. Nicht nur die Spruchbaren redeten. Alle schrien durcheinander, Männer und Weiber, Erbrechter und hörige Schupfgütler. Nur ein einziger schwieg: Malimmes. Während ihm das blonde Mädel wieder und wieder, verstört und zitternd, ein paar Worte zuflüsterte, stand er an der Ecke des Leuthauses auf die Kreuzstange seines Bidenhänders gelehnt und blickte aufmerksam in den tobenden Schwärm hinein. Immer waren seine Augen beim Runotter, der sich in dem drängenden Haufen umherschob, bald den einen, bald den andern am Kittel faßte und ernst auf ihn einredete.

      Aber da fruchtete keine verständige Mahnung mehr. In den ratlos furchtsam Gewordenen hatte die Staatsklugheit des Franzikopus Weiß drei vernunftfressende Worte zurückgelassen: das Wort von den Schätzen, mit denen ein gütiger Fürst die Truhen seiner Holden füllt, das Wort von den Exekutierern und den vielen Ochsen, Kühen, Schafen und Ziegen, das Wort von den hohen Ulmen mit den festen Ästen. Je tiefer diese drei Worte sich einbohrten, um so mehr verlor für die Ramsauer der heilige Peter von Berchtesgaden an vertrauenswürdigen Eigenschaften. In gleichem Maße gewann der heilige Zeno von Reichenhall an schutzbietender Kraft.

      Schon mehrmals hatte der Ältestmann umsonst versucht, von diesen schreienden Menschen gehört zu werden. Nun stieg er auf einen Zaunpfosten des Leuthauses. Und weil seine Stimme in dem tobenden Lärm versank, hob er zwischen seinen zitternden Händen den Hängmooser Weidbrief in die Höhe, dieses grau und rot gefleckte Heiligtum des Seppi Ruechsam. Mit gekrümmtem Rücken und eingeknickten Knien stand der greise Mann da droben und wartete geduldig, bis halbe Stille entstand. Dann sprach er: Es wäre mit allen Stimmen der Spruchbaren wider die einzige Stimme des Runotter ein Fürschlag ausgeredet, den alle hören und gutheißen müßten, die zur Ramsau und zum Schwarzeck, zum Tauben- und Hintersee gehören; man soll die vier Toten dem Pfarrherrn vor das Widum legen zu christlichem Begräbnis; man soll vor Nacht alles Vieh von den Ahnen holen und beim Taubensee zusammentreiben; neuer Albmeister ist der Hinterseer Fischbauer, der soll die gesiegelten Rechtsbriefe mit der Truhe des Seppi Ruechsam in Verwahr nehmen und haften dafür mit Leib und Leben, mit Gut und Seligkeit; für jeden Schwerkranken und vor Alter Müden soll man einen halbwüchsigen Buben daheim lassen zu Treuung und Pfleg, bei jedem eine Milchgeiß und das Geflügel, das sich vor Nacht nimmer fangen läßt, einen versteckten Sparpfennig, ausreichendes Brot, dazu noch Mehl und Schmalz und Salz; was sonst in der Ramsau und auf dem Schwarzeck, am Tauben- und Hintersee ein Lebendiges ist, Mannsleut, Weiber und Kinder, mit allem nutzbaren Vieh, mit Geld und beweglichem Gut, mit Wehr und Eisen, mit Sack und Karren, soll bis Mitternacht Zulauf suchen beim Taubensee. »Auf daß wir zur Wahrung von Hab und Leib einen andächtigen Bittgang tun zum heiligen Zeno, der uns ein mächtiger Fürsprech sein wird beim gütigen Herrn im Himmel, bei Jesuchrist und seiner barmherzigen Mutter. Wer dawider ist, daß man den Bittgang macht, der tu seine Faust in die Höh!«

      Eine einzige Faust erhob sich, die des Runotter. Dann streckten sich noch zwei Arme. Von den drei Knechten des Runotter stimmten zwei wie ihr Bauer.

      »So ist beschlossen, daß man’s tut!« Der Ältestmann ließ sich vom Zaunpfosten herunterheben.

      »Leut, Leut, Leut!« rief der Runotter mit hallender Stimme. »Das ist kein andächtiger Bittgang nit! Das ist Landsverrat!«

      Alle hundert Stimmen brüllten gegen den einen. Und Malimmes schrie: »Laß gut sein, Bauer! Steckt der Karren so tief im Dreck, da müßt man im Dutzend helfen. Einer lupft ihn nimmer.«

      Doch Runotter, während ein Schwärm von Buben schon nach allen Seiten auseinanderstob, um das Almvieh heimzuholen, faßte den Ältestmann am Kittel, rüttelte ihn und schrie wie von Sinnen: »Mensch! Was tust denn, Mensch? Bist der Ältest, solltest der Klügste sein und bist der Dümmst. Und hetzest die Leut ins Verderben! Und redest zu Landsverrat und Treubruch!«

      »So?« keuchte der Greis. »Und wie heißt denn, was die Herren tun?«

      »Wenn einer stiehlt, muß da gleich jeder ein Dieb sein? Die Treu verlassen, heißt auf den Mist springen, nit auf guten Boden! Der Fürst tut Unrecht an uns. Ist wahr! Das werden die Herren einsehen —«

      »So? Und bis sie’s einsehen, liegt ein Häufl von uns beim Seppi Ruechsam oder hängt an den Ulmen. Das Leben ist eh noch alles, vpas der Bauer hat.«

      Hundert Stimmen schrien das gleiche.

      »Leut, Leut!« rief Runotter. »So tut doch Vernunft haben um Herrgottschristi willen! Ihr stoßt ja die eignen Häuser in Scherben und versauet das eigne Feld! Wo einer Untreu übt, geht Feuer nieder, daß ihm die Händ verbrennen. Leut, Leut! Habt ihr nit dem Fürsten geschworen —«

      Da kreischte eine Frauenstimme aus dem wühlenden Lärm. »Du hast’s nötig, daß du so für die Herren redest! Denkst nimmer an dein Weib?«

      Über das Gesicht des Runotter fuhr eine kalkige Blässe. Stumm biß er die Zähne übereinander. Dann hob er die Hände und wollte reden. Doch ein wirres, wildes Geschrei, in dem sich Hohn und Grauen mischte, erstickte sein Wort. Einer auf der Straße schrie: »Da kommt des Richtmanns höfische Treu geritten!« Und wieder jene Frauenstimme: »Guck her, du! Guck! Wie’s die Herren treiben! Oder ist das ein Gruß von deinem Weib?«

      Eine Gasse tat sich auf, die Menschen wichen zurück und Runotter sah den reitenden Tod, der ein verschobenes, bresthaftes Körperchen hatte.

      Die Augen des verstörten Mannes irrten.

      War der Tod so ein reicher Herr, daß er eine Fürläuferin besolden konnte? Und zwei Diener, die ihn stützten? Einen in staubgrauer Seide und einen mit blutiger Leinenkappe? Und hinter dem reitenden Tode lief ein Schwärm von СКАЧАТЬ