Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ daß der Apfel große, hohle Samengehäuse hatte, in denen keine Spur von einem Kern zu entdecken war.

      Seit mehr als vierzig Jahren hatte Someiner nicht mehr an diesen Apfel denken müssen. Warum gerade jetzt? Die Logik dieser absonderlichen Gehirnblase blieb für Ruppert Someiner unenträtselt, weil sich ihm das Bild des leeren Apfels zu schnell verwandelte in vorwurfsvolle Erbitterung über die Ungerechtigkeit der Menschen, insonderheit der Fürsten.

      Als er den Hof durchschritt, keuchte einer in schwarzem Mantel an ihm vorbei. War das nicht der Ramsauer Pfarrherr?

      In der farbigen Dämmerung begannen die Glocken auf drei Türmen den Abendsegen zu läuten. Die schön und sanft ineinanderfließenden Töne schwammen als wundersames Friedenslied durch die leuchtende Luft.

      Someiner fand sein Haus wie ausgestorben. Das Amt war geschlossen; der Schreiber Pießböcker hatte Hut und Stock seines Vorgesetzten und die Schlüssel hinaufgetragen in die Wohnstube. Obwohl es schon dunkelte, brannte noch eine Kerze. Und der Abendtisch war nicht gedeckt. Und niemand kam, um die Bitterkeit diese gekränkten Mannes mitzufühlen und ihn zu trösten. Den dumpfen Stimmenklang und die hin und her eilenden Tritte über der Decke droben hörte er nicht, vernahm auch nicht das ruhelose Mahnwort des Pendels im alten Uhrkasten: »Bau! — Bau! — Bau!«

      Gebeugten Hauptes saß er im Zwielicht des Erkers. Und dicke Zähren tröpfelten ihm über die kalkweiße Nase herunter. Ruppert Someiner war dabei des Glaubens, daß er, als der einzige Weise auf Erden, bittere Tränen vergösse über den Irrsinn des Lebens, in dem, was heiliges Recht war, sich in eine ebenso grausige wie lächerliche Torheit verwandeln konnte.

      In Wahrheit war die Sache so, daß Herr Someiner heulte, weil er an die schwindende Ehrerbietung seiner Frau, an den unkindlichen, feindseligen Widerstand seines Sohnes und an seine nahe Schande vor den Menschen denken mußte.

      Drei Monate?

      »Gab’s auf der Welt eine Ungerechtigkeit, so groß, daß man sie in drei Monaten nicht widerlegen und durch ungebeugte Tüchtigkeit ad absurdum führen konnte?«

      Bei diesem Gedanken faßte Herr Someiner den mannhaften Entschluß, von seiner Amtsentsetzung zu schweigen, solange Herr Peter Pienzenauer nicht reden würde.

      Auf der glühenden Ofenplatte seines Kummers briet der kleine Ruppert abermals einen großen Apfel ohne Kern.

      7

      Über dem Runotterhofe hing die laue Sommernacht mit funkelnden Sternen. Das Rauschen der Ache war wie ein gleichmäßiger Murmelsang im Schweigen der Dunkelheit. Aus den Ställen tönte zuweilen das Klirren einer Kette und der murrende Laut eines Rindes. Sonst kein Zeichen von Leben in der Nacht. Die angrenzenden Höfe lagen wie ausgestorben, und vom nahen Leuthaus klang nicht wie sonst das Schreien und Singen trunkener Knechte.

      Doch aus Reiter Ferne — von dem nach Reichenhall ziehenden Tal des Schwarzenbaches — war immer wieder ein mattes, wirres, wunderliches Geräusch zu hören. Das klang, wie wenn man Erbsen in einer blechernen Schüssel rüttelt. Es war der ferne Lärm des ›andächtigen Bittganges‹, den alle wegfähigen Mannsleute, Weiber und Kinder von der Ramsau, vom Schwarzeck, vom Tauben- und Hintersee zum heiligen Zeno unternahmen, mit Wehr und Eisen, mit Geld und Vieh, mit Karren und Sack.

      Immer leiser, immer ferner klang dieser wunderliche Lärm.

      Der regungslose Wächter, der vor dem Hagtor des Runotterhofes auf einem Grasbuckel saß, mit dem Bidenhänder über den Knien, mußte immer schärfer lauschen, um noch einen matten Hall dieses erlöschenden Lärms zu vernehmen. So oft er das leise Gerüttel der Erbsen in der Blechschüssel hörte, war in ihm die Frage: Ist die Mutter mitgezogen, oder hat sie bleiben müssen, und hat man auch bei ihr einen halbwüchsigen Buben zurückgelassen mit einem versteckten Sparpfennig, mit einer milchenden Geiß, mit einer legenden Henne, mit Mehl und Schmalz und Salz?

      Lautlos kam ein Mensch von der Straße heraufgesprungen, man sah von ihm in der Dunkelheit nur einen Schimmer des weißen Wundverbandes, der um den Kopf gewickelt war. Eine flüsternde Stimme: »Der Pfarrherr ist nit zu finden. Vor der Widumstür, da liegen die vier erschlagenen Leut. Allweil hab ich gepochet an der Tür. Aber niemand hat aufgetan. Der Pfarrherr —«

      »Der ist beichten gegangen. Aber nit zum heiligen Zeno!« Malimmes lachte kurz. »Jetzt wissen die Herren im Gaden, wie andächtig heut in der Nacht die Ramsauer wallfahren.« Einen Augenblick besann er sich. »Geh hinein und sag dem Bauren, daß er auf den Pfarrherrn nit warten braucht. Sag, der Pfarrherr war davongelaufen. Sonst sag kein Wörtl! Verstehst?«

      »Wohl.«

      »Nachher sag, daß du letz bist und schlafen mußt. Und tu deinen Lederküraß an, und nimm dein Eisen. Und geh hinauf zu dem Schlupf hinter dem Gärtl droben, wo wir am Abend die Gäul hinausgetan haben. Über dem Hag draußen, gleich in den ersten Stauden links, da liegt des Bauren Wehrzeug. Und Gewand und Wehr von des Bauren Bruder liegt dabei, der jung hat sterben müssen. Und ein lederner Waldsack, der ein lützel schwer ist. Das alles mußt du aufnehmen. Und trag’s hinüber zum Hirscheneck beim Windbach, wo die andern mit den Gäulen sind. Und jetzt leg deine Hand in die meinig! Willst du treu sein, Heiner?«

      »Wohl!«

      »So geh! Und laß den Bauer nit merken, was geschieht!«

      Als der Bub in den Hof schlüpfte, knarrte das Hagtor ein bißchen.

      Malimmes setzte sich wieder auf den Rasenbuckel hin. Er lauschte über die nach Berchtesgaden führende Straße hinaus. Da war nur das dumpfe, hinter dichtem Wald versunkene Rauschen des Windbaches zu hören. Dann lauschte er nach Westen gegen den Schwarzenbach. Und da konnte er von Zeit zu Zeit noch immer dieses ferne Klirren vernehmen, dieses dünne Erbsengerüttel in einer Eisenschüssel.

      Plötzlich drehte Malimmes das Gesicht gegen den Hag. Er lachte leise. »Du Gänsl, du dummes! Bist du noch all weil da?«

      Keine Antwort. Doch eine Weibsgestalt löste sich grau von dem schwarzen Zaungeflecht.

      »Maidl, jetzt muß ich grob werden!« sagte Malimmes ernst. »Bleibst du noch länger, so könnt ein schieches Ding über dich herfallen. Schau, daß du deinen Heimleuten nachkommst!«

      Eine zerdrückte Mädchenstimme: »Ich bleib, wo du bist.«

      Malimmes schien ärgerlich zu werden, wandte das Gesicht und lauschte gegen die Gadnische Straße hinaus.

      Das Mädel beugte sich zu ihm hinunter. Ein sehnsüchtiges Dürsten war in der leisen Frage: »Tust mich denn gar nit mögen?«

      Er lachte ein bißchen und legte den Bidenhänder fort. »So komm halt!« Mit beiden Händen faßte er das Mädel und zog es auf seinen Schoß. »Wer weiß, ob wir morgen noch warmes Blut im Leib haben.« Sie hatte schon seinen Hals umklammert, und seine Worte erstickten unter ihren gierigen Küssen. »Aber schau, Maidl, ich weiß noch gar nit, wie du heißt?«

      »Traudi.«

      Da mußte er wieder lachen. »Ich trau mich schon.«

      Ein Stoß des wechselnden Nachtwindes fuhr durch das Bachtal her, die Ulmen an der Straße rauschten, und deutlicher klang der dumpfe Wasserlärm des Windbaches. Dann wieder die Stille mit dem sanften eintönigen Lied der Ache. Und immer waren zwei murmelnde Menschenstimmen zu hören, die wie müdes Summen vom Haus herüberklangen über den Hag — weil der Pfarrherr nicht gekommen war, sprachen Vater und Schwester für den toten Jakob den СКАЧАТЬ