Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ kaltes Schweigen. Er bewegte sich wie ein Erwachender. Dann stieß er die Fäuste vor sich hin. »Jula?« Das war ein Laut wie das Röcheln eines sterbenden Tieres. »Wer?«

      Mühsam atmend, erschöpft, mit steinernem Gesicht sah Jula den Vater an. »Da — schau — jetzt komm ich heim — — mit dem Jakob.«

      Er krampfte die Fäuste in ihre Schultern und rüttelte sie, daß ihre niedergerissenen Haare rieselten. »Wer? Wer? Wer?«

      Ihr Gesicht verzerrte sich. »Der Spießknecht, der mich nöten hat wollen.«

      Runotter fuhr sich langsam mit dem Arm über die Stirne, und sein Rücken krümmte sich. Da sah er, daß der kleine Tod im Sattel sich auf die Seite neigte — Lampert und Heiner hatten die Riemen und den Knoten der Schärpe gelöst — und Runotter sprang unter keuchendem Laut auf den Rappen zu und umklammerte mit den Armen die kalte, starre Mißform, die sein Kind gewesen.

      Schreiend und schmähend drängten viele Leute gegen Lampert hin, und bei ihren Flüchen hoben sie die Fäuste. Andre kreischten auf den Runotter ein. Wieder hörte man jene Frauenstimme schrillen; es war die Stimme der Schwarzeckerin, deren seliger Mann so prachtvoll hatte pfeifen können; sie schrie: »Hast allweil die Jula noch! Die mußt zum Gaden schicken! Aber die Herren, weißt, die haben’s gern linder als auf der Alben. Gib der Jula das Bettzeug mit! Da bist ein Treuer.« Runotter, den toten Krüppel umklammernd, sah über die Gesichter hin wie ein Irrsinniger. Und da fragte ihn der Ältestmann: »So, Mensch, was tust denn jetzt?«

      Runotter nickte: »Ich höre schon, ja!«

      »So red! Was tust? Gehst mit zum heiligen Zeno?«

      Und hundert Stimmen schrien es nach: »Gehst mit? Gehst mit?«

      Er sah das vom schwarzen Haar umwuschelte Gesicht seines kalten Buben an. Dann hob er den Kopf, sein Körper streckte sich, und mit langsam gleitenden Augen sah er über das Gewühl der Leute hin.

      Wieder schrien viele Stimmen: »Gehst mit? Gehst mit?«

      Er sagte: »Mein Leben ist müd. Ich steh im Elend da. Aber mich niederhocken in den Dreck? Das tu ich nit. Ich bleib, wo ein sauberes Hausen ist. Geht euren Weg! Ich such den meinen.« Taumelnd, als wäre der leichte Körper auf seinen Armen eine Last zum Erdrücken, machte Runotter ein paar Schritte, blieb stehen und drehte das entfärbte Gesicht. »Malimmes!« Der Soldknecht stand schon neben dem Bauer. »Tu mir aufpassen auf den Herren da! Der hat —« Ein Würgen kam in seine Stimme. »Der hat meinen Buben reiten lassen auf seinem Gaul.«

      Unter dem tobenden Lärm, der entstand, trat Malimmes mit dem blanken Eisen auf Lampert zu. »Flink, Herr! Lang kann ich für Ruh nit bürgen. Die Leut sind als wie von Hornaussen gestochen.«

      Lampert, mit dem Zügel in der Hand, machte rasch einen Schritt vor die Hirtin hin. »Jula!« Seine Stimme hatte keinen klaren Laut und war wie das Krächzen eines Halskranken. »Jula! Ich bin nicht, was du mich gescholten hast.«

      Sie sah ihn an. Tränen fielen ihr über das entstellte Gesicht herunter. Dann wandte sie sich schweigend ab und ging hinter dem Vater her, zum Hag hinauf, vor dessen geschlossenem Tor mit trägem Schellengerassel acht verstaubte Kühe standen, die geduldig auf Einlaß in ihre Heimat warteten.

      Der graue Reiter, barhäuptig, jagte über die Straße hinaus. Geschrei und Flüche waren hinter ihm her. Und Steine flogen, Einer traf ihn an der linken Schulter, daß der Arm aus dem Gelenk gestoßen wurde und schlaff herunterhing.

      Es schattete schon im Walde. Doch auf den offenen Wiesen der Strub, da lag die Sonne wieder, goldschön in der leuchtenden Reinheit des Abends.

      Nicht weit vor den ersten Häusern von Berchtesgaden jagte Lampert an dem träge kriechenden Zug des Marimpfel vorbei. Die Faust des berittenen Spießknechtes blutete nimmer, seit sie in die Leinenbinde des heiligen Zeno gewickelt war. Auch die vier Leichenträger hatten die verprügelten Köpf e mit Flachs umwunden, der zu Reichenhall gewachsen. Und den flüssigen Stärkungen des gütigen Heiligen hatten sie so reichlich zugesprochen, daß Niederlage und Ärger für sie verwandelt waren in einem schmerzlosen Dusel.

      Lampert fühlte beim Anblick dieses Zuges keine Erschütterung irgendwelcher Art. Im jagenden Vorüberreiten stieß er ein heiseres Lachen vor sich hin. Und sprach dabei zwei alte Worte: »Fiat justitia!«

      Als er auf dem Marktplatz an verwundert guckenden Leuten vorbeigaloppierte, klang von einem Erker her der Schrei einer aus Sorge erlösten und doch von Angst bedrückten Mutter. Und es klirrte ein niederfallendes Schubfenster.

      Im Hausflur trat Herr Someiner dem Sohn entgegen.

      »Viel Zeitung, Vater!« krächzte Lampert unter schneidenderb Lachen. »Der Käser auf dem Hängmoos ist niedergebronnen. Der Sohn des Richtmanns ist erwürgt. Vier Ramsauer sind erschlagen, das Dorf ist in Aufruhr. Wo deine siegelwidrigen Kühe und deine rechtsgetreuen Ochsen sind, das weiß ich nicht. Deine Pfändleut bringen zwei tote Buben.«

      Amtmann Someiner war ein großer, stattlicher Herr. Nun plötzlich erschien er kleiner um einen halben Kopf. Er hatte weit aufgerissene Augen und sagte mit schwerer Zunge: »Recht muß Recht sein!«

      »Ein halbes Wort, Vater! Vergiß nicht die andre Hälfte: Pereat mundus!«

      Etwas Weißes kam sehr schnell aus dem dunklen Treppenschacht heraus.

      »Jesus!«

      Dieser Schrei, den Frau Marianne emporschickte zum mildesten aller Menschen, hatte nichts mit den Hängmooser Ochsen, auch nicht das geringste mit den fünf Ramsauern und den zwei Gadnischen Hofleuten zu schaffen, die das Atmen verlernt hatten. Dieser Schrei war nur einer Mutter Sorge um ihren Sohn.

      Als sie den vor Erschöpfung Wankenden hinaufführte zu seinem Stübchen, sagte er ruhig mit seiner tonlosen Stimme: »Es ist nichts, Mutter! Nichts! Mußt nicht Angst haben. Aber den Medikus brauch ich. Mit meinem linken Arm ist, ich weiß nicht was. Nichts, Mutter, nichts! Bloß heben kann ich ihn nimmer.«

      Frau Marianne rief mit schriller Stimme nach ihrem Mann. Der kam nicht. Weil er schon auf dem Wege zu seinem gnädigsten Fürsten war, ohne Stock und Hut. Hinter sich vernahm er Hufschlag und Geschrei von Menschen. Er sah sich nicht um. Was man nicht sieht, ist nicht vorhanden.

      Im inneren Stiftshofe, zwischen blauem Schatten und goldroter Abendsonne, waren die Domizellaren mit Herrn Jettenrösch und ein paar andern, noch jungen Chorherren beim Reifenspiel, an dem sich auch drei schlanke, vergnügte Fräulein beteiligten, die das Haar mit grünen Schleiern umwunden trugen.

      Der Amtman keuchte die zwei Treppen zum Fürstenzimmer hinauf und befahl dem Diener: »Tu mich melden beim Herren! Sag, es wär in causa boum hengismosianorum.«

      Ein großer Raum, vornehm und doch nicht prunkhaft. Fürst Peter Pienzenauer, im weißen Ordenskleide, saß am offenen Fenster, durch das man eine von Gold und Schatten durchwürfelte Ferne, das Haupt des Watzmann mit dem weißen Schneebart und die scharfen Zinken der Watzmannkinder sah. Eine breite Woge der Abendsonne fiel durch das Fenster herein, überleuchtete den Prälaten und warf den Schatten des in tiefer Verbeugung stehenden Amtmanns als schwarzen Kloß auf die rotleuchtende Wand.

      »Nun, lieber Ruppert? Was wollen die Ochsen schon wieder?«

      »Gnädigster Herr! Da hat sich jetzt eine schieche Sache ausgesponnen. Genaues weiß ich noch nicht. Aber soviel mein Sohn mir da kundgetan —«

      Während Herr Someiner weiterredete, СКАЧАТЬ