Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ merken sollte, daß etwas geschah, was wider die Ordnung war.

      »Jetzt tu Verstand haben!« sagte sie zu Heiner, dem das Gesicht von Zorn und Plage brannte. »Und mach alles in Ruh, wie’s der Vater haben will.« In Sorge warf sie einen Blick über die kleine, zusammengetriebene Herde der siebzehn Kühe hin, die sich unter Gebrüll und Schellengerassel aneinanderdrängten. Julas Augen wurden feucht. Wortlos ging sie davon.

      Heiner mußte springen, um die Tiere beisammen zu halten, die der Hirtin folgen wollten. Immer lauter wurde das Gebrüll, immer schriller das Schellengerassel.

      Als Jula droben bei den Birken war und das Gesicht wandte, sah der Schwärm der Kühe wie ein plumper, bunter Käfer aus, der immer schwirrte und doch nicht fliegen konnte. Und weit da drüben, aus dem Paßwalde hinter dem Bruchboden, kam etwas Langsames herausgekrochen wie ein kribbelndes Spielzeug. Zehn winzige Figürchen. Und manchmal ging von ihnen ein kurzes und feines Blitzen aus wie von einem unruhigen Spiegel, den die Sonne traf. Die acht Männer mit den beiden Pferden umgingen den Bruchboden nach aufwärts. Bei ihnen mußte einer sein, der auf dem Hängmoos die sicheren Wege kannte.

      Jula, mit zusammengezogenen Brauen, spähte gegen den Wald hinüber. Sie sah, das waren Spießknechte und Buben. Der andre war nicht dabei — jener, von dem es hart zu glauben war, daß er die Narretei dieser Pfändung aufgeführt hätte.

      Die Hirtin wandte sich und folgte einem Viehsteig, der das Gestrüpp durchquerte. Sie kam zur Leite, einem steilen, saftig bewachsenen Grashang, auf dem die Kalben weideten.

      Jakob saß im Schatten einer Birke und schnitzte an der fliegenden Schwalbe, die nur weniger Schnitte noch bedurfte, um sich mit gehobenen Schwingen aus dem Holze zu lösen. Er war in seine Arbeit so vertieft, daß er die Schwester erst gewahrte, als sie neben ihm stand. Seine Augen glänzten, und seine Hände redeten.

      Während er das Mahl verzehrte, lag Jula neben der Birke, als wäre sie müd und möchte schlafen. Jakob sollte nicht sehen, was in ihrem Gesichte war. Sie hielt die Augen geschlossen und blieb unbeweglich, während sie unter dem Gehämmer ihres Herzens dem Lärm und den Stimmen lauschte, die von der Käserstätte heraufklangen: Schellengerassel und Gebrüll, das Geschrei der Gadnischen Hofleute und einmal die zornig kreischende Stimme des Heiner. Dann hörte Jula, was sie nicht verstand, ein leises Gekicher wie von vielen Mädchen, dann einen dumpfen Krach.

      Als da drunten die Knechte zur Erweisung des Herrenrechtes den Firstbalken des Käsers aus den Fugen hoben, fielen die Schindeln zu Hunderten in den Hüttenraum, auf die Bretter der Schlaftruhe, über die Bank hin und auf den Herd, unter dessen Asche noch die Kohlen glommen. Das Geklapper dieser fallenden Schindeln hatte geklungen wie lustiges Gelächter. Und weil die Knechte den schweren Balken nicht über das Dach hinausschwingen konnten, verschoben sie ihn nur und ließen ihn hinunterplumpsen in den Hüttenraum; er schlug die Querbalken entzwei, warf ihre Trümmer gegen den kupfernen Kessel, auf den Herd — und das klang beinahe, als hätte Siegwart von Hundswieben wieder Krieg gespielt mit der Annasusanne, deren Widerhall seit dem Morgen immerzu wie das Schnarchen eines fernen Riesen in den Lüften war.

      Jula sann noch immer, woher dieser schwere Krach und dieses hölzerne Gelächter käme. Da hörte sie neben sich einen lallenden Laut, der wie kindliche Freude war. Sich aufrichtend, sah Jula den Bruder an. Jakobs Augen glänzten, während er der Schwester auf flacher Hand die aus dem Holz geschnittene Schwalbe hinhielt. Wohl glich dieser Vogel mehr einem wunderlichen Mittelding zwischen einem dicken Entenküchlein und einer Maus mit flügelgroßen Ohren. Doch für den Jakob war’s eine Schwalbe, die fliegen konnte. Und während er immer wieder die Hand mit dem kleinen Schnitzwerk gegen die Sonne schwang, war so viel Freude in seinem häßlichen Runzelgesicht, so viel Glück in seinen Augen, daß auch Jula alle Sorge dieser Stunde vergaß.

      Plötzlich entstellte sich ihr Gesicht. Sie sah, während die Stimmen da drunten durcheinanderkreischten, einen dicken Rauch hinter dem Waldstreifen emporsteigen ins Blau. Erschrocken sprang sie auf und sagte mit den Händen: »Bleib! Gleich komm ich, wieder!« Langsam ging sie bis zu den Stauden hinüber. Als sie gedeckt war, fing sie zu springen an und schlug die Zweige aus ihrem Weg. Am Saum des Gehölzes blieb sie stehen, von Schreck gelähmt. Wo ihre Hütte gestanden, sah sie einen schwarzen Klumpen mit gelbglühendem Sparrenwerk, aus dem die Flammen wie hundert rotblaue Nattern in die Sonne züngelten. Und die Kühe, in vier Reihen zu vieren aneinandergekoppelt, liefen mit Schellengerassel gegen den Wald hinunter, von den Troßbuben fortgezerrt, von einem Spießknecht und einem Reiter getrieben. Viele Ochsen standen um die brennende Hütte her und brüllten. Und eine von den Kühen, die sich losgerissen hatte, keuchte gegen das Gehölz herauf. Ein Spießknecht rannte ihr nach, und ein Reiter schwang dem Tier eine Strickschlinge um die Hörner und warf es zu Boden. Die Kuh überschlug sich und kollerte ein Stück des Hanges hinunter. Diese plumpe, zappelnde Walze war so komisch anzusehen, daß die Spießknechte lachen mußten.

      Jula, aus ihrer Lähmung erwachend, schrie mit gellender Stimme: »Heiner — Heiner — Heiner —«

      Der Knecht gab keine Antwort. Aber Marimpfel, der noch immer die gefangene Kuh am Stricke hielt, guckte auf, schmunzelte wie bei einem lustigen Einfall, sprang aus dem Sattel und sagte zu seinem Gesellen: »Heb die Kuh und den Gaul ein lützel!« Er machte flinke Sprünge gegen das Gehölz, und bei jedem Sprunge rasselte sein Eisenzeug.

      Als Jula ihn kommen sah, umklammerte sie einen dürren Ast, der auf der Erde lag, und wich in das Gehölz zurück. Lustig, mit Lauten, wie man die jungen Gänse lockt, sprang Marimpfel der Hirtin nach.

      Da klang, weit über den Bruchboden her, der heisere, kaum vernehmliche Schrei einer Männerstimme. Ein grauer Reiter kam aus dem Paßwalde herausgejagt und machte nach aufwärts hin den Umweg um die Sümpfe. Immer schrie er. Doch das Schellengerassel und Gebrüll der Ochsen, das Rauschen der Brandstätte, das Keuchen und die Hufschläge des eignen Gaules verschlangen die heiseren Schreie. Lampert hetzte den vor Müdigkeit stolpernden Pongauer mit Faustschlägen, mit stoßenden Beinen. Und weil ihm der Umweg zu lange währte, suchte er einen kürzeren Weg zur Brandstätte, geriet in eine Zunge des Sumpfes, mußte aus dem Sattel springen, mußte waten und den Moorle zerren. Hinter dem Feuer sah er einen Spießknecht über den Hang hinunterspringen, sah eine Kuh, einen Reiter und einen hopsenden Knecht da drunten im Wald verschwinden — und suchte mit verstörtem Blick und schrie immer wieder: »Jula, Jula, Jula —«

      Beim Brunnen — so nah dem Feuer, daß die quälende Hitze zu spüren war — lag der Heiner vor dem Trog auf den Knien, schöpfte Wasser mit beiden Händen und goß es über den gebeugten Kopf. Wo das Wasser aus dem Haar des Buben heraussickerte, war es rot.

      Lampert schrie: »Die Hirtin? Wo ist die Hirtin?«

      »Ich weiß nit!« sagte der Bub wie einer, der im Rausche taumelt. Und während Lampert die Zügel über den Stock des Brunnens warf und hinübersprang zur Feuerstätte, tauchte Heiner die beiden Hände wieder in den Brunnentrog, aus dem der Pongauer mit gierigen Zügen das rosafarbene Wasser zu schlürfen begann.

      Immer den Namen der Hirtin schreiend, irrte Lampert um die brennende Hütte — barköpfig, denn er hatte die Mardermütze verloren — die verstaubte, goldgelbe Schärpe hing ihm von der Brust herunter bis über das Knie.

      Da war ihm plötzlich, als hätte er dort oben in dem Waldstreifen einen gellenden Laut vernommen. »Jula?« Wie Freude war’s in seinem heiseren Schrei. Und Lampert sprang über das Gehäng hinauf, hörte eine Stimme, in der sich Zärtlichkeit mit Jammer mischte, und warf sich durch die dicken Stauden, daß die Seide seines festlichen, von Staub und Sumpfkot überkrusteten Kleides in Fetzen ging. Er kam zu dem Viehsteig, sah auf dem Boden ein kurzes, gebogenes Messer liegen und sah die Splitter eines aus Holz geschnitzten Vogels, den ein grober Fuß zertreten hatte. Ein paar Schritte noch. Und nun saß vor ihm die Hirtin auf der Erde, mit niedergerissenem Haar, mit dem Gesicht einer Irrsinnigen. Sie hatte СКАЧАТЬ