Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ der Hand. »Da wirst dich nit tummeln brauchen.«

      Wie brennendes Blut lag der rote Schimmer des Abends über allen Dingen der Erde.

      Als Runotter schon gehen wollte, sah er zum Haus hinüber und sagte leis: »Von mir aus hast Urlaub bis zum Winter. Deiner Mutter könnt’s unrecht sein, daß du gehst.«

      Jede Spur von Heiterkeit erlosch in den Augen des Malimmes. »Die hat nit gemerkt, daß ich kommen bin. Wird nit merken, daß ich geh. Sieben Täg lang bin ich gelaufen in einem Saus von Nüremberg bis zum Taubensee. Allweil ein Freud vor mir. Jetzt bin ich da. Wo ist die Freud?« Er sah dem andern in die Augen. »Runotter! Wie von Nüremberg zum Taubensee, so ist der Weg von der Wiegen bis zur Grub.« Seine Brust hob sich. »Auf morgen! Ich komm. Und hast nit Kriegsmannsarbeit für mich, so laß mich die Säu hüten. Sind liebe Viecher.«

      Herzlich sagte der Richtmann: »Bei mir sollst es gut haben! Du und ich, paß auf, das gibt zwei feste Kameraden.«

      Sie gingen voneinander, Runotter zu seinem Gaul, Malimmes hinüber zum Haus.

      Neben der Mutter blieb er stehen und strich ihr mit zärtlicher Hand über den weißen Scheitel.

      Sie schob seine Tatze fort.

      »Steht am Zäunl. Und geht nit herein zu mir!«

      Malimmes blieb noch immer bei ihr stehen und wartete. Dann streckte er die langen Glieder und trat ins Haus.

      Durch den glühenden Abend trabte der Schimmel gegen das enge Waldtal hinauf. Den Weg zum Hängmoos kannte er gut. Im Walde fing es schon zu dunkeln an. Der Schimmel fand sich zurecht, ohne daß sein Reiter ihn lenken mußte.

      Es war im Richtmann eine Ruhe, über die er sich selber wunderte. Aber war denn nicht die angedrohte Pfändung eine Narretei geworden, jetzt, seit er wußte, daß der gewächsnete Rechtsbrief in der Truhe des Seppi Ruechsam lag? Oder kam diese Ruhe aus seiner Vaterfreude? Weil er seine Kinder sehen sollte? Oder war diese Ruhe in seinem Herzen seit dem Handschlag des Malimmes? Wird das Leben ein besser Ding in der Stunde, in der man einen Menschen findet, aus dessen heiteren Augen die Treue redet?

      Im steilen Walde stieg Runotter ab, damit dem Schimmel das Klettern leichter würde. Als die beiden das dunkle Almfeld erreichten, nahm der Richtmann dem Gaul das Zaumstricklein und den Gurt herunter und ließ ihn laufen. Der Schimmel wälzte sich gleich in der nächsten Schlammwanne des Bruchbodens.

      »Guck, wie gescheit! Der zieht ein warmes Jäckl an, daß er sich nit verkühlt.«

      Raschen Ganges schritt Runotter über die Alm hinauf. Es war schon finster. In der Höhe und im stahlblauen Osten glänzten die großen Sterne. Gegen den Westen lag noch ein schwefelgelber Streif des versinkenden Lichts über dem Lattengebirge. Warm, wie aus einem Backofen, strich die Nachtluft über das Gehänge herunter. In den Sümpfen des Bruchbodens sangen mit viel hundert Stimmen die Frösche. Diese Stimmen, von denen eine wie die andre klang, schwammen zu einem gleichmäßig flutenden Rhythmus ineinander. Ein endloses Lied mit einem einzigen Wort: »Wogwogwogwogwog ...« Fast klang es, als hätte die Erde irgendwo — in der Nähe oder fern? — eine verborgene Kehle, durch die eine geheimnisvolle Stimme der Tiefe heraufsang.

      Dazu noch, weit in der Finsternis draußen, das Rauschen eines Baches. Und hier und dort, ganz leise, tönte zuweilen eine Almschelle. Die Rinder ruhten schon. Doch plötzlich kam etwas heftig Rasselndes durch die Dunkelheit heran, sehr schnell, dumpf schnaubend, eine finstere Tiergestalt mit plumpem Kopf: ein vierjähriges Öchslein, das seinen Heimherrn gewittert hatte. Sah wie ein Schreck der Finsternis aus — und war tierische Zärtlichkeit. Der Atem des Rindes ging dem Richtmann heiß und wohlriechend gegen die Wange, gegen die Hand.

      »Dunnerli, bist du’s?«

      Ruhig ging das Öchslein neben dem Bauer her bis auf einen Steinwurf vor der Hütte, aus deren Tür ein matter Rotschein herausgloste.

      Im Dunkel eine leise, froh erschrockene Stimme: »Vater?«

      »Wohl, Kindl!«

      Jula, die neben der Tür auf der Hüttenbank gesessen, gab dem Vater die Hand. »Wird der Bub sich freuen!« Ihre Knabenstimme war wie ein linder Flötenton in der Nacht.

      »Wo ist er?«

      »Schlafen tut er schon. Der wird Augen machen, wenn du ihn weckst.«

      Runotter schwieg. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. »Soll er lieber schlafen. Der Schlaf ist das best. Da ist der Mensch dem Himmel näher und weit von der Welt.«

      Die Hirtin nickte. »Ist schon wahr. Besser, der Jakob schlaft. Das tut ihm gut. Heut schon gar. Er muß sich ein lützel geärgert haben.« Sie meinte den Auftritt mit Marimpfel; aber davon mochte sie dem Vater nichts erzählen. »Du weißt, nach einem Ärger tut er sich allweil mit dem Schnaufen hart. Zum Abend ist’s wieder besser gewesen. Gut, daß er schlaft.«

      »Freilich, ja!« Runotter tat einen schweren Atemzug. »Daß du noch nit zur Ruh bist?«

      »Zum Abend sitz ich allweil so und schau hinaus. Und die Frösch, die mag ich leiden.«

      Runotter streifte die Schuh von den Füßen. Lautlos, mit nackten Sohlen, trat er in den Käser und ging zum Heukreister hin, der in der Ecke war. Von der Kohlenglut des Herdes strahlte ein rotes Zwielicht aus. Und unter diesem roten Schimmer lag in der breiten, mit Heu gefüllten Schlaftruhe ein Häuflein mühsam atmenden Lebens. Eine graue Wolldecke verhüllte den winzig zusammengehuschelten, bresthaften Körper. Das schwarze Haar hing wuschelig in die bleiche Stirn; in den Runzeln des schmalen Gesichtes war ein ruheloses Zucken. Und dennoch gab der Schlaf diesem häßlichen Bild einen Hauch von wohligem Frieden.

      Runotter streckte die Hand nach der wollenen Decke, ohne sie anzurühren. Und wie jedesmal, wenn er seinen Buben mit geschlossenen Augen sah, so jagte dem Richtmann auch jetzt eine Reihe von Bildern durch das Gehirn.

      Er sah sein junges Weib aus dem Tal des Windbaches heimkommen, an der Hand das verstörte Dirnlein, das in einem erwürgten Schreikrampf immer schlucken mußte; alles Weiße am Gewand des jungen Weibes hatte rote Flecken wie von Blut; aber die kamen nur von den zerdrückten Erdbeeren; doch am Hals und auf der kalkbleichen Wange hatte sie eine leichte Ritzwunde.

      Er sah sein Weib auf der Bank in der Stube sitzen, sah, wie sie zitterte an Händen und Knien, wie sie immer das Gesicht hin und her drehte, immer ihres Mannes Augen vermied und stumm blieb auf alle Fragen. Immer stumm, solang der Tag noch ein Bröslein Licht hatte. Und erst in der Nacht, als sie im Dunkel der Kammer an ihres Mannes Hals geklammert hing, da kam ihr die Sprache.

      Er sah sich im Münster zu Berchtesgaden hinter einer Säule stehen, das Messer im Ärmel verborgen; er sah die Stiftsherren beim Rauschen der Orgel zu ihren Chorstühlen kommen, alle, alle — und nur ein einziger kam nicht und blieb verschwunden: Hartneid Aschacher.

      Er sah einen grauen Wintermorgen und sah, wie ihm die schweigende Hebfrau auf seine ausgestreckten Hände hin ein verdrehtes, widersinnig verschobenes Menschenkind legte, das die Augen nicht auftat, immer das schmerzhafte Mündchen öffnete und doch nicht lallen wollte.

      Er sah —

      Da legte er langsam den Arm über seine Augen.

      Lautlos trat er hinaus in die Nacht.

      Nun saßen Vater und Tochter auf dem schmalen Bänklein, Schulter an Schulter, immer schweigend.

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