Der Ochsenkrieg. Ludwig Ganghofer
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Название: Der Ochsenkrieg

Автор: Ludwig Ganghofer

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Zwei Tag noch, und es wär zu spät gewesen! Und das ochsenmäßige Unrecht, das sie verüben auf dem Hängmoos, wär verjährt und wär ein ersessen Recht geworden. Und das Stift wär wieder ärmer um ein Herrengut. Aber Gott sei Dank, ich bin noch allweil da.«

      Als der Amtmann dieses letzte Wort gesprochen hatte, war er schon nicht mehr da. Er hatte Hut und Stock ergriffen und war schon auf der Straße.

      Frau Someiner sah die offene Tür an, schüttelte kummervoll den Kopf und predigte ins Leere: »Gott hat die Welt geschlagen, wie er die Mannsleut erschaffen hat! Ist jeder wie ein kranker Narr, dem man bei Tag und Nacht das kalte Tüchl um das Hirndach legen sollt.«

      Als gewissenhafte Hausfrau versperrte sie die Amtsstube und das Eisengitter, nahm den heiligen Schlüsselbund in die Wohnstube mit hinauf und gab ihn an seinen Platz.

      Nun war sie allein mit ihrer guten Suppe. Lampen kam aus seinem selbstgewählten Gefängnis nicht herunter, und des Gatten Heimkehr war nicht abzuwarten, solang die Suppe noch lau blieb. Frau Someiner saß am gedeckten Tische. Aber sie rührte den Löffel nicht an. Bei vielen trefflichen Eigenschaften, die man ihr nachrühmen mußte, war sie eine von den Frauen, die sowohl der Kummer wie die Freude veranlaßt, sich dem Irdischen zu entwinden und Hunger zu leiden. Doch sie ließ das Mahl für Vater und Sohn getrennt in zwei Töpfen warm halten, während sie selbst keinen Bissen berührte. Hätte Herr Someiner dieses Widerspruchsvolle in der Handlungsweise seiner Gattin gewahrt, so hätte er vermutlich wieder einmal festgestellt, daß weder Jubel noch Elend eine sinngemäße Ursach wäre, um sich der Speise zu enthalten; Sättigung des Leibes wäre ein natürlicher Brunnen der Lebenskraft, die man gerade in Elend und Jubel doppelt nötig hätte; essen müßte der Mensch noch, auch wenn er wüßte, daß ein Viertelstündlein später die Welt zugrunde ginge; aber, freilich, das Natürliche wäre für die Frauen immer das Unverständlichste.

      Der Gelegenheit, sich solcher Weisheit zu entledigen, war Herr Someiner an diesem Tag entrückt. Während Lampert, wunderlich verstört, sich auf der Altane seines Stübchens in einen zierlich geschriebenen Traktat über des Boethius Werk de consolatione philosophiae vergrub und die Mutter mit feuchten Augen vor dem trockenen Teller saß, eilte der Amtmann aufgeregt dem Stifte zu, um seinem gnädigsten Fürsten diesen brennend gewordenen Rechtsfall in causa boum hengismosianorum, in Sache der Hängmooser Ochsen, zu hochpersönlicher Entscheidung vorzutragen.

      Die Hälfte dieses Weges wurde dem Amtmann erspart. Denn als er das Stiftstor erreichte, durch das man in einen Vorhof sah, der minder an die Nähe einer klösterlichen Stätte als an den von Söldnern, Jagdbuben und Roßknechten bevölkerten Wallhof einer Ritterburg gemahnte, da kam dem Amtmanne der Erzpropst zu Berchtesgaden entgegengeritten, der edle Herr Peter Pienzenauer, begleitet von einem Jäger mit der Armbrust und von zwei Vorläufern, die sich für die Heimkehr in der Nacht mit Pechfackeln ausgerüstet hatten.

      Der Propst war in schmuckloser Jägerkleidung, ein sechzigjähriger Graubart, hager und sehnig. Dem strenggezeichneten Kopfe, der auf diesen straffen Schultern saß, waren Fähigkeiten anzumerken. Hätte er sie nicht in Wahrheit besessen, so hätte er, bevor er Propst zu Berchtesgaden wurde, als Domherr zu Freysing und Augsburg nicht das wichtige, Umsicht und Scharfsinn erfordernde Amt des Kellermeisters bekleidet. Die tüchtigen Kellermeister gehen mager aus ihrem Amte, die schlechten verlassen es fett.

      Herr Someiner eilte rasch auf den Fürsten zu; aber es gelang ihm nicht sogleich, die geladene Kammerbüchse seines Amtszornes zu entladen. Denn einer der Novizen, ein junges, feines, weltlich gekleidetes Bürschlein in Schnabelschuhen, mit klingenden Schellen am Gürtel und an den seidenen Ärmelfahnen — der Domizellar Sigwart zu Hundswieben — kam aus dem Innenhof des Klosters gelaufen, faßte das Pferd des Propstes am Zügel und sprach sehr flehentlich zu dem Fürsten hinauf.

      Der Amtmann blieb in höfischer Entfernung stehen.

      Herr Pienzenauer sah auf das modische, fast mädchenhafte Bürschlein hinunter mit einem Blick, in dem sich Wohlgefallen seltsam mit Geringschätzung mischte. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein!« Seine sonore Stimme war weithin zu vernehmen. »Für heut soll’s genug sein. Mit dieser Knallerei vergrämt ihr mir den Rehbock. Und das Pulver ist teuer. Man weiß nicht, wie bald man’s brauchen kann zu ernsteren Dingen als zum Niederbummern meines besten Hirsches im Graben. Ihr seid wie die Kinder.«

      Ein neues Gebettel unter leisem Klingeling der silbernen Schellchen.

      Per Propst blieb unerbittlich. »Nein! Wenn ich meinen Rehbock habe, morgen, meinethalben. Heute nicht mehr.« Er hob den Zügel und brachte das Pferd in Gang.

      Sigwart von Hundswieben sah ihm auf eine Weise nach, die wenig Ehrfurcht verriet.

      Da trat Herr Someiner auf den Fürsten zu.

      »Ruppert? Was gibt’s? Lang hab ich nicht Zeit. Sonst versäum ich die Pirsch.«

      Der Amtmann sprach. Und als er seine Darlegung beendet hatte, fragte er: »Was soll geschehen, gnädigster Herr?«

      »Was verständig ist und dem Recht entspricht.« Propst Peter lächelte. »Auf dich kann ich mich verlassen.« Dann ritt er davon.

      Der Amtmann nickte. Jetzt war die Sache klar erledigt. Ohne einen Blick für die Menge des lärmenden Volkes zu haben, das sich drunten bei der Mauer des Hirschgrabens drängte und auf eine Fortsetzung dieser ebenso lustigen wie erstaunlichen Donnersache wartete, suchte Herr Someiner eilfertig den Vogt des Stiftes auf und beorderte ihn zur Pfändung der siebzehn siegelwidrigen Kühe auf dem Hängmoos, pünktlich zur Mittagsstunde des kommenden Tages.

      Doch auf dem Heimweg zur guten Suppe wurde der Amtmann nachdenklich. Wie war das nur? Hatte der Fürst gesagt: »Was Verstand hat und dem Recht entspricht?« Und hatte er den Nachdruck auf das Recht gelegt? Oder sagte er: »Was dem Recht entspricht und Verstand hat?« Und meinte er als wesentliche Sache den Verstand?

      Daß aber auch die hohen Herren immer so zwiespältig reden! Man weiß da nie mit Sicherheit, wie man dran ist.

      Doch so oder so, jetzt war die Sache in Gang. Der amtliche Karren, der keine Deichsel zum Umkehren hat, mußte laufen. Los! In Gottes Namen!

      Zu Hause, als Herr Someiner allein und ungestört die warmgehaltene Suppe aß, war in ihm ein ruheloses Wechselspiel von vernunftgemäßer Zufriedenheit und unerklärlicher Besorgnis. Schließlich wollten ihm die boves hengismosiani gar nicht mehr aus dem Sinn. Und neben den ruhigen Pendelschlägen in dem alten Uhrkasten — »Bau! Bau!« — wurde Herrn Someiners Unsicherheit in der Deutung jenes delphischen Fürstenwortes vom Verstand und vom Rechte immer qualvoller.

      Inzwischen dachte der edle Herr Peter Pienzenauer schon lange nicht mehr an die siegelwidrigen Ochsen oder Küh. Er freute sich des schönen Pirschabends, der da kommen wollte, ritt ohne Eile den Waldschlägen des Totenmannes zu und überließ seinem Roß die Zügel zu behaglichem Schreiten.

      Um die gleiche Stunde mußte ein andres Rößlein rennen, schnaufen und schwitzen. Als der Schimmel vor des Richtmanns Hagtor in der Ramsau mit pumpenden Flanken stehenblieb, fielen handgroße Schaumflocken von ihm herunter.

      »Ich muß gleich wieder davon«, sagte der Runotter zu Heiner, »führ den Schimmel umeinand, daß er sich nit verkühlt.« Er ging zum Haus und zog am Küraß die Schnallen auf. Vor der Schwelle drehte er das erhitzte Gesicht. »Weißt nit, ist der Soldknecht noch im Leuthaus drüben?«

      »Schon lang nimmer. Die Rauschigen sind all davongetorkelt. Und den Malimmes hab ich lustig singen hören, weit über die Straß hinaus.«

      »Ist er’s gewesen? Wahrhaftig? Der Malimmes vom Taubensee?«

      »Wohl, СКАЧАТЬ