Название: Der Ochsenkrieg
Автор: Ludwig Ganghofer
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Was?« fragte der Amtmann scharf.
»Daß ein Durstiger Sehnsucht hat nach einem Trunk. Und jetzt frag ich, Herr — mit den Ochsen vom Hängmoos — muß das wahrhaftig so sein, wie’s jetzt beredet ist?«
»Recht muß Recht sein!«
»Gut! Dann muß ich als Richtmann stehen beim Recht der Gnotschaft.« Runotter nahm die eiserne Schaller vom Fenstergesims und drückte sie über den Scheitel. »Deswegen bin ich kein Unverlässiger und kein Freigeistler. Mein Herrgott ist mein Herrgott, und mein Fürst ist mein Fürst.« Ein Schwanken kam in die Stimme des Bauern. »Der ist mir drum nit minder worden, weil sein Chorherr Hartneid Aschacher ein schlechtes Stück getan hat wider mein Weib und mein Leben.«
Der Klang dieser Worte schien im eisenbeschlagenen Rippenschrank des Amtmanns etwas Menschliches aufzureißen. Er mußte seufzen. Doch er sagte streng: »Runotter, das gehört nicht vor mein Amt.«
»Dann wird’s wohl vor ein Amt gehören, vor dem wir uns alle finden — einmal! Und solang ich noch auf der Welt steh, ist das gut, Herr Amtmann, daß der Chorherr Hartneid Aschacher im Kloster zu Chiemsee ein fürnehms Leben hat. So weit von uns.« Wie eine stählerne Klammer spannte sich die Faust des Bauern um die Scheide des Holdenschwertes. »Gottes Gruß, Gestreng Herr Amtmann!«
Die schwergenagelten Schuhe des Bauern klappten auf der Diele, und leise klirrte an seinem Küraß die Kette des Schwertgehänges.
Die Türe schloß sich. Und Herr Someiner sah sie mit wunderlichen Augen an, als müßte er sich besinnen, was da jetzt geschehen wäre.
4
Schritte weckten den Amtmann aus seiner Versonnenheit. Lampert trat aus der Kammer, vor Erregung zitternd. »Vater! Rufe diesen Mann zurück!«
»Wen?« Herr Someiner erwachte. »Ach so?« Von der Straße hörte man den Hufschlag eines Gaules, der sich entfernte. »Da! Der reitet ja schon davon! So ein Dickschädel!«
»Ich hol ihn noch ein. Darf ich?«
»Nein!« Der Amtmann war ärgerlich. »Hätt er nicht umkehren können und mir ein gutes Wort geben?«
»Das hast du ihm unmöglich gemacht.«
»Ich?« Herr Someiner hatte den Blick eines erstaunten Kindes, das man einer Sünde beschuldigt, deren Namen es gar nicht kennt. »Lampert? Ich versteh dich nimmer. In deinem Gesicht ist eine Erregung ohne Maß. Warum?«
»Weil ich fürchte, daß du eine ungerechte und gefährliche Übereilung begehst.«
»Ich?«
»Davon hab ich nicht zu reden, meinst du? Hier redet nur der Amtmann und wer gerufen ist. Gerufen bin ich nicht. Aber das mit diesen unglückseligen Ochsen, die das verbriefte Gras nicht fressen? Das weißt du doch von mir. Und da machst du mich, deinen Sohn, zum Späher und Angeber!«
Das ging dem Amtmann über die Grenze der Geduld. Er schrie in Zorn: »Dir sollte die Mutter sagen, daß du aus jedem Bläslein eine Blatter machst!« Wütend ging er in die Kammer hinaus und begann in dem dickleibigen Merkbuche zu blättern.
Lampert folgte ihm bis zur Schwelle. »Vater? Wirst du morgen die Pfändleut schicken? Wirklich?«
Herr Someiner hob das Gesicht. Was aus den Augen des Sohnes sprach, schien begütigend auf den Vater zu wirken. »Kann sein, ich tu’s, kann aber auch sein, ich überleg mir’s noch. Jetzt muß ich da was im Merkbuch suchen.«
»Vater! Ich habe nicht Ruh, bevor du mir nicht klar versprichst, daß du die Pfändleut nicht schicken wirst.«
Da war nun wieder alles verdorben. Herr Someiner schlug mit der Faust auf das Merkbuch. »Jetzt bin ich im Amt!«
Lampert lachte kurz und verließ mit jagendem Schritt diesen geheiligten Raum.
Als er hinauskam in den Flur, rief Frau Someiner gerade über das Treppengeländer: »Mann! Bub! Die Supp ist fertig.«
Das stimmte. In dieser verspäteten Mahlzeitstunde war eine böse Suppe gar geworden.
Beim Anblick des Sohnes merkte Frau Marianne gleich, daß Sturm ins Haus gekommen. »Hat’s Krach gegeben?«
»Laß mich, Mutter!« Lampert stürmte in sein Stübchen.
Frau Someiner wollte folgen, aber da hörte sie von droben das Klirren eines Riegels. »Der hat sich eingesperrt, da ist er sicher!« dachte sie mit mütterlichem Verstande, machte kehrt und begab sich zu ihrem Mann hinunter.
Der Amtmann stand über den Tisch der kleinen Kammer gebeugt, blätterte aufgeregt in dem großen Merkbuch und schien etwas zu suchen, was sich nicht finden lassen wollte.
»Ruppert!« fragte Frau Marianne sanft. »Was ist denn schon wieder? Bist du mit dem Buben überkreuz gekommen?«
Der Gestrenge blätterte. »Laß mich in Ruh, jetzt bin ich im Amt.«
Vor dem geweihten Wörtlein Amt schien Frau Someiner eine wesentlich geringere Ehrfurcht zu besitzen als ihr Sohn. »Ach geh, du, mit deinem Amt! Mir ist’s um den Hausfrieden. Und die Supp ist fertig. Komm! Tu dich mit dem Buben in Ruh wieder ausgleichen. Bei guter Schüssel wird das Gemüt schön nachgiebig. Aber so eine trückene Rechtsläpperei —« Frau Marianne konnte diese kostbare Perle ihrer Lebenserfahrung nicht zu Ende drehen.
Denn der Amtmann hatte im Merkbuch gefunden, was er suchte. Alle mißmutige Strenge seines Gesichts verwandelte sich in triumphierende Freude. »Recht hab ich! Recht! Da steht’s Da! Da! Da!« Dreimal stieß er mit dem Zeigefinger auf das Merkbuch hin. »Und jetzt, meinetwegen, jetzt kann ich auch Langmut zeigen. Weil es schwarz auf weiß bewiesen ist, daß ich recht hab. Ruf den Buben, Mutter! Das soll er lesen! Da steht’s! Sub 28. Junio 1391: ›Den Hängmooser Auftrieb visitiert, sind aufgetrieben zwanzig Kalben und sechzig Ochsen, item ansonsten alles befunden nach Recht und Weidbrief von Anno 1356.‹ Da steht’s!« Herr Someiner war in diesem Augenblick der glücklichste der Menschen.
Frau Marianne grollte wohl: »Du liebe Güt! Schon wieder die Hängmooser Ochsen!« Doch sie lachte, weil sie aus der frohen Sonne, die in der Amtsstube aufgegangen war, den Friedensschluß bei der Suppenschüssel erglänzen sah. »Geh, Ruppert, komm —« Da kroch die schöne Sonne hinter eine dicke Wolke. Denn Herr Someiner, der bei jeder Erscheinung des Lebens gleich zu rechnen anfing, beugte sich mißtrauisch über das Buch.
»Der 28. Junius 1391? Und heut? Was ist denn heut? Der 26. Junius 1421!« Zwischen diesen beiden Kalenderziffern schien ein Abgrund des Unheils zu klaffen. In den Augen des Amtmanns malte sich ein Schreck, als hätte sich vor seinem Blick etwas Grauenvolles ereignet.
In Sorge faßte Frau Marianne den Gatten am Ärmel. »Geh, Ruppert, laß doch jetzt —«
Herr Someiner befreite seinen Arm und brauste los: »Da hört sich doch —. Und ich in meiner Gut und Nachsicht hätt jetzt bald —. Ist das ein Kerl! Will die Schweizer Freiheit einführen im Land! Und redet wie ein Bruder vom freien Geist! So ein Heimtücker wie der! So ein geriebener Hinterlister!«
Frau Marianne wollte immer reden. Es gelang ihr nicht. Der Zorn ihres Mannes brauste weiter wie ein entfesselter СКАЧАТЬ