Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias Gotthelf страница 37

СКАЧАТЬ hinein kämen. Die hasse sie ganz verflüemeret, und in den Schulhäusern seien die nur zu gerne daheim.

      Es blieb mir nichts mehr übrig, als in meiner Gemeinde mich zu zeigen, den Augenschein zu nehmen und mich in Augenschein nehmen zu lassen. Das Dörfchen ohne Kirche lag recht hübsch zwischen Feldern und Wäldern. Ehrwürdig streckten die ernsthaften Strohdächer ihre bemoosten Firsten zwischen den grünen Bäumen empor, und vor den Häuseren waren trotzig hingepflanzt die zierlichen reinlichen Misthaufen, an denen manch Baurenherz inniger hängt und zärtlicher sie tätschelt als manch Herrenherz an seiner Frau. An der Seite hin zog sich ein schön bewässertes, schmales Thal, und im Hintergrunde lag der liebe blaue Berg lang hingestreckt, besetzt auf seiner ganzen Länge mit einem sorglosen Völklein von Kühern und Kühen. Die Sorgen, die es eigentlich auch ihm ziehen würde, liegen alle hoch aufgeschüttet zu seinen Füßen in wüsten Magazinen, in den Herzen der Genfer und Basler Juden nämlich. Recht freundlich zu sein hatte ich mir vorgenommen; bei allen Leuten wollte ich mich stellen und so holdselig thun als möglich. Die Leute machten mir die Sache nicht schwer. Sie stunden z‘weg vor den Häusern, fragten, das werde der neue Schulmeister sein, und hießen mich Gottwilche. Allenthalben hieß man mich in die Stube kommen und setzte mir währschaftes Brot vor und Brönz, und die Weiber machten mir Warms. Mein Lebtag trank ich in einem Tage nie so viel Kaffee als damals. Ich mochte mich wehren wie ich wollte; ich konnte nicht anders. Ich werde sie doch nicht schlichen, hieß es; sie geben es, wie sie es hätten; aber es sei doch alles sufer. Nun das Trinken ging noch an, da ich mit dem Kaffee immer das Brönz löschen konnte; aber das Essen ward eine fuehrige Sache. Doch in noch viel größere Verlegenheit als das Essen und Trinken brachte mich das Anerbieten, mir zügeln zu wollen, und die Frage, wie manchen Zug ich brauche, und ob ich sie zwei- oder vierspännig haben wolle. Du mein Gott, was sollte ich sagen? Anfangs wollte ich es ablehnen; allein davon wollte man nichts hören.

      Daß ein kleines Wägeli mit einem kleinen Rößli vollkommen hinreiche, schämte ich mich zu sagen, und stotterte endlich etwas von einem zweispännigen Wagen hervor.

      Der wurde mir zugesagt, der Tag abgeredet und jedem sollte ich versprechen, die ersten Tage bei ihm zuzubringen, und alle sagten, sie hätten es ungern, wenn ich es ihnen abschlüge und andern es zusagte. Spät war‘s, als ich fort ging. Man wollte mich da behalten; allein mir grauste es so vor Essen und Trinken, und mich verlangte so sehr nach Ruhe für Mund und Magen, daß ich um kein Geld in der Welt geblieben wäre. Ich war nicht daran gewohnt und konnte mich nie daran gewöhnen, auf den Geiz hin zu essen und einzupacken, als ob ich tagelang nichts gegessen und tagelang nichts mehr essen wolle, Ich sah wohl viele Leute, die dieses Manöver machten und einen ganzen Tag hintereinander essen konnten; aber mich schüzelete es immer ab ihnen. Weiß doch auch das Tier, wenn es genug hat und läßt sogar die Kuh Barreten voll stehen, wenn sie satt ist.

      Sechzehntes Kapitel. Des Amtes Antritt

      Der Fuhrmann zäpfelte, als man ihm das Bett aufgeladen hatte, samt dem Trögli (worin Kacheli und Kelle und Kleider sämtlich eingepackt waren), und eine Pfanne und eine Kaffeekanne, und nun gar nichts mehr kommen wollte. Er hatte dem Landfrieden nicht getraut, geglaubt: ich wolle nur zwei Rosse, um mir Kosten zu ersparen, und daher drei vorgespannt. Mit einem Roß, meinte er, hätte man das sauft geführt; es zöge es einer ja vo Hand. Ich schämte mich; aber er schämte sich auch, wenn die Begegnenden ihn fragten: »Masch gfahre?« Er gab ihnen trutzigen Bescheid, wurde aber auch zusehens kühler gegen mich, und als wir endlich bei eingebrochener Nacht anlangten, da lud er mich nur ganz kühl ein, zu ihnen zu kommen und mit ihnen zu essen. Ein anderer Bauer, der abpacken half, that es dringlicher, so daß ich ihm Hoffnung ließ, vielleicht am Morgen zu kommen; diesen Abend wolle ich einhausen und mich früh schlafen legen.

      Als sie mit ihrer Laterne fort und mir noch mein Licht anzünden wollten, fand sich unter meinem Hausrat gar nichts vor, das man als Licht hätte brauchen können. Die Schulmeisterin hatte entweder nicht daran gedacht, oder, was wahrscheinlicher ist, nicht mehr Geld aufwenden wollen. Es ließ mir daher einer seine Laterne da und mich alleine in meinem Hause.

      In meinem Hause — die Worte haben einen ganz eigenen Klang, besonders für den, der lange in fremden gewohnt und nicht gewohnt war, etwas für das seine anzusehen.

      Ich kann mein Gefühl nicht beschreiben, mit welchem ich, die Laterne in der Hand, im ganzen Hause herumstieg und bei allen Ecken dachte: in dem und mit dem kannst du machen, was du willst. Es kam mir vor, als gebiete ich über ein halbe Welt, und viel fester als sonst trat ich auf und freute mich gar sehr, wenn es im ganzen Hause tönte, ohne daß jemand mich schalt: »Peter, was thuesch so wüesch!«

      Das Haus war nicht alt, und seine neuen Gebrechen: Wände, die nicht mehr in den Fugen waren, Fenster, die nicht schlossen, einfache Dielen sah ich nicht; nur den Platz sah ich. Die zwei Stuben, die mein waren, — mein, der ich bisher nur in Gaden geschlafen — und die Küche, auch zwei Ställchen und einen Estrich groß zum Tanzen — das sah ich und legte mich mit dem stolzen Gefühl zu Bette, in meinem Hause und in einer Stube zu schlafen.

      Am Morgen erwachte ich, geweckt durch die Sonne, die mir in die Augen funkelte. Denn es versteht sich: Umhänge hatte ich weder am Bett, noch an den Fenstern. Munter sprang ich auf, und stand bald angezogen mitten in meinem Hause. Aber da stand ich eben, und wußte nicht was anfangen. Der Sonne sah ich an, daß es spät sei, und ehrliche Leute wahrscheinlich schon z‘Morge geessen haben. Auch wollte mein Gedächtnis mir durchaus nicht sagen, in welchem Hause der Bauer, der mich eingeladen hatte, wohne; und um ihm nachzufragen, hätte ich seinen Namen kennen sollen, den ich aber ebenso wenig wußte wie sein Haus. Er hatte, weil ich einmal mit ihm gesprochen, einmal bei ihm gewesen, vorausgesetzt, ihn und sein Haus müsse ich nun kennen ewiglich. Er wußte nicht, daß gar mancher Bauer und gar manches Baurenhaus einander gleichen wie ein Ei dem andern.

      Ich wußte nicht was machen. Je hungriger ich wurde, desto verlegener wurde ich auch. Vor dem Hause mochte ich mich nicht zeigen, aus Furcht, es möchte mir jemand meinen Hunger und meine Verlegenheit ansehen. Ich trat in die Küche, in der Hoffnung, da vielleicht einen unerwarteten Fund zu thun; aber da war es so leer wie in einer Kirche; auch nicht ein Spähnchen Holz war zu sehen, auch ums Haus herum nicht, zu welchem Fenster ich auch, so verblümt als möglich, damit mich ja niemand sehe, hinausguggen mochte. Ich visitierte alle meine Habe, ob sich vielleicht da unverhofft etwas fände; alle meine Kacheli, zwei an der Zahl, meine Häfeli, d. h. eins, wurden oben und unten besehen, meine Pfanne ringsum, aber da war nirgends eine verschlossene Kaffeebohne oder ein vergessener Tropfen Milch. Was will aber einer essen, wenn auf der lieben Himmelswelt nichts da ist, ich frage?

      Nun, ich verlor den Mut nicht. Ich dachte: Die Leute meinten, du schliefest lange, und werden dir schon bringen, was du nötig hast, und die Kinder und die Weiber werden eins nach dem andern kommen mit Milch und Anken und Brot, kurz mit allem was sie haben. Ich machte die Pfanne zurecht und wischte die Kacheli mit meinem Kuttensecken aus, stellte alles schön zurecht und hätte Feuer angemacht, wenn ich Holz gehabt hätte und Feuerzeug. Da ich dieses nun nicht konnte, so stellte ich mich zwei Schritte hinter das Fenster und sah nach den Leuten, die Milch, Anken, Brot u. bringen sollten scharenweise. Es kamen Leute die Straße nieder, aber sie riefen nicht: Schumeister! sie klopften nicht an der Thüre — sie gingen vorbei.

      In den Häusern ringsum droschen sie, und wenn ein Mensch an die Straße, vor des Hauses Dach trat, so dachte ich: der wird kommen; allein auch der kam nicht. Niemand kam; kein Menschenkind kümmerte sich um den Schulmeister, und hatte ich doch gedacht, das ganze Dorf werde heute die Arbeit sein lassen und mit mir sich beschäftigen; hatte großen Kummer gehabt, wie all das Essen und Trinken versorgen, war darum lieber daheim geblieben und wollte mir die Liebeszeichen bringen lassen, um das Überflüssige sparen zu können auf den morndrigen Tag. Aber niemand kam, auch kein Mensch! Es verrann Stunde um Stunde. Die Sonne stund oben am Himmelsbogen; das Dreschen hörte auf; gewiß aß man in allen Häusern, — und der Schulmeister stund zwei Schritte hinter dem Fenster, war hungrig, durstig, müde vom Stehen, müde vom Luegen; aber das war, als ob es niemand СКАЧАТЬ