Название: Besonderes Verwaltungsrecht
Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811472341
isbn:
163
Die bei der allgemeinen Leistungs- ebenso wie bei der Feststellungsklage erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) ist dann gegeben, wenn der Kläger die Verletzung einer sog. „wehrfähigen Innenrechtsposition“ geltend macht. Das setzt voraus, dass der Kläger die Verletzung organschaftlicher Rechte, d.h. subjektiven Rechten vergleichbarer Positionen des Innenrechts, rügt[503]. Das Erfordernis einer in diesem Sinne „wehrfähigen Innenrechtsposition“ macht deutlich, dass es sich beim Kommunalverfassungsstreit nicht um ein Instrument allgemeiner Rechtmäßigkeitskontrolle handelt. Die Prüfung der Klagebefugnis zwingt dementsprechend zu einer Analyse einschlägiger kommunalverfassungsrechtlicher Normen auf ihren subjektiven Gehalt[504]. Hier ist die Abgrenzung von Zuständigkeiten, wie sie typischerweise hierarchisch eingegliederten Einheiten der unmittelbaren Landesverwaltung zugordnet sind, von subjektiven Wahrnehmungszuständigen kommunaler Organe bzw. Organteile zu leisten. Entscheidend sind Schutzzweck und -umfang der kompetenzbegründenden Norm der Gemeindeordnung, der Hauptsatzung oder auch der Geschäftsordnung, nicht jedoch subjektive (Grund-)Rechte der das Organ bildenden natürlichen Person[505].
III. Das Volk in der Gemeinde
164
In allen Kommunalordnungen finden sich Festlegungen zu Rechten und Pflichten der gemeinde- bzw. kreisangehörigen Personen, welche wiederum einen wesentlichen Bezugspunkt für die gemeindliche und kreisliche Selbstverwaltung darstellen und diese maßgeblich mitgestalten. Die Mitwirkungsrechte und -pflichten der Einwohner und Bürger bilden dabei die Basis der inneren Verfassung und sind dieser vorgeordnet[506]. Mit der Eigenschaft des Einwohners und des Bürgers sind unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden, was beispielhaft dadurch zu belegen ist, dass ein Anspruch auf Zulassung zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen für Einwohner besteht, ein Wahlrecht hingegen nur für Bürger[507]. Die Reichweite der Mitwirkungsrechte hängt demnach davon ab, ob man Einwohner oder Bürger ist.
1. Einwohner
165
Einwohner sind diejenigen Personen, die in der Gemeinde wohnen. Maßgeblich ist dabei der tatsächliche Aufenthalt im Ort „mit einer gewissen Stabilität“[508]. Der Einwohnerstatus ist aber nicht an den Hauptwohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort gebunden, sondern er kann auch in mehreren Gemeinden, gegebenenfalls auch in Kreisen, bestehen[509]. Entscheidend ist, dass die natürliche Person, die im Gemeindegebiet wohnt, auch tatsächlich eine Wohnung innehat, was erfordert, dass äußerlich erkennbare Umstände vorliegen, die auf die Beibehaltung und Benutzung schließen lassen. Dieses ist sowohl bei Wochenendlern und Soldaten auf Zeit als auch bei Studierenden erfüllt[510]. Auf Volljährigkeit, Geschäftsfähigkeit oder die Staatsbürgerschaft kommt es nicht an, d.h. auch Kinder, Jugendliche und Ausländer sind Einwohner[511].
2. Bürger
166
Der Bürgerstatus definiert sich über die Berechtigung zur Teilnahme an Gemeinde- und Kreiswahlen, worüber grundsätzlich nur volljährige Einwohner mit deutscher Staatsangehörigkeit verfügen, die ihren Hauptwohnsitz seit einer landesrechtlich unterschiedlich bemessen Mindestzeit im kommunalen Wahlgebiet haben[512]. Überwiegend wurde in den Ländern jedoch ein aktives Wahlrecht schon ab 16 Jahren eingeführt[513]. Wiederum andere Länder sehen für diesen Personenkreis andere, ggf. zusätzliche Beteiligungsformen vor[514].
3. Rechte von Einwohnern und Bürgern
167
In den Kommunen wird das genossenschaftliche Wesen der Selbstverwaltung mit der demokratischen Legitimation von Verwaltungsträgern vereinigt. Das Zusammenspiel lässt sich an den vom Status als Einwohner oder Bürger abhängenden politischen Rechten nachvollziehen.
a) Teilnahme an Kommunalwahlen
168
Das wohl bedeutendste Mitwirkungsrecht der Bürger ist die Teilnahme an Kommunalwahlen[515], worunter in erster Linie die Gemeinderats- und Kreistagswahlen fallen. Für die Vertretungsorgane gemeindlicher Untergliederungen (bspw. Bezirksvertretungen) ist die Volkswahl hingegen nicht zwingend, jedoch zulässig unter dem Aspekt des erweiterten Bürgereinflusses[516]. Diese Möglichkeit haben einige Länder genutzt[517]. Als Volkswahlen ausgestaltet – und damit vom Recht zur Teilnahme an kommunalen Wahlen für die Bürger umfasst – sind die Wahl des Gemeindevorstehers (Bürgermeister)[518] und teilweise auch die Wahl des Kreisvorstehers (Landrat)[519]. In den anderen Ländern wird der Landrat durch den Kreistag gewählt[520].
169
Zu berücksichtigen ist die Erweiterung des Kommunalwahlrechts für EU-Ausländer, welches 1992 durch das verfassungsändernde Gesetz vom 21.12.1992 in Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG (sog. Europaprinzip oder auch Gemeinschaftsprinzip[521]) eingeführt wurde, um einen Widerspruch des Grundgesetzes zum Unionsrecht aufzulösen. Vor der Gesetzesänderung war ein Wahlrecht für Ausländer auf Kommunalebene unzulässig, obwohl Art. 20 ff. AEUV (Art. 17 ff. EGV) eine Unionsbürgerschaft vorsieht und die Mitgliedstaaten durch die Richtlinie 94/80/EG[522] verpflichtet worden sind, Ausländern mit Unionsbürgerschaft das Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu gewähren[523]. Nach Art. 5 Abs. 3 der benannten Richtlinie sind Ausnahmen nur hinsichtlich des passiven Wahlrechts zulässig, soweit ein Leiter des kommunalen Exekutivorgans bzw. dessen Vertretung zu wählen sind. Von dieser Ausnahme haben nur wenige Länder Gebrauch gemacht und die Ämter des Bürgermeisters und Landrats deutschen Bürgern vorbehalten[524]. In der Einräumung des Wahlrechts für EU-Ausländer liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz[525].
170
Die Einführung von Sperrklauseln bei Kommunalwahlen steht im Spannungsverhältnis der Wahlrechtsgleichheit der Wähler und der Chancengleichheit der Kandidaten einerseits und der Gewährleistung der Wahl als Integrationsvorgang bei der politischen Willensbildung und der Funktionsfähigkeit der kommunalen Volksvertretung andererseits. Hier hat insbesondere das Bundesverfassungsgericht hohe, kaum zu erfüllende Rechtfertigungsanforderungen für den Landesgesetzgeber aufgestellt. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass Gemeindevertretungen und Kreistage keine Parlamente im staatsrechtlichen Sinne sind. Ob eine Einschränkung der Grundsätze der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit dieser kommunalen Vertretungsorgane erforderlich sei, lasse sich aber nur in Bezug auf die konkreten Funktionen des zu wählenden Organs beurteilen.[526] Demgegenüber haben jüngst Landesverfassungsgerichte Sperrklauseln für Bezirks(verordneten)versammlungen als verfassungsgemäß angesehen[527]. So auch der Verfassungsgerichtshof in Nordrhein-Westphalen, der jedoch gleichzeitig für die Wahlen der Gemeinderäte und Kreistage einer 2,5 %-Klausel entgegengetreten ist. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofs sei die gesetzgeberische СКАЧАТЬ