Название: Besonderes Verwaltungsrecht
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Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811472341
isbn:
146
Eine Möglichkeit zur Abwahl des Bürgermeisters vor Ablauf seiner Amtszeit ist in den meisten Ländern vorgesehen (nicht jedoch in Bayern und Baden-Württemberg). Sowohl die Einleitung des Abwahlverfahrens als auch die Abwahlentscheidung setzen grundsätzlich hohe Quoren voraus: In Nordrhein-Westfalen bedarf es zur Einleitung des Abwahlverfahrens eines von mindestens der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder gestellten Antrags und eines mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder zu fassenden Beschlusses[442]. Die niedersächsische Kommunalverfassung verlangt für die Abwahlentscheidung sogar einen Beschluss von drei Vierteln der Ratsmitglieder[443]. Im Rahmen der Diskussion um die Stärkung bürgerschaftlicher Mitwirkung durch plebiszitäre Elemente kann auch die Einführung einer Abwahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk erwogen werden[444].
b) Organzuständigkeiten
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Der Schwerpunkt der Kompetenzen des Bürgermeisters liegt nach den im Einzelnen divergierenden landesrechtlichen Bestimmungen im administrativen Bereich. Je nach Regelungstechnik der Gemeindeordnungen erschließt sich der Aufgabenbestand des Bürgermeisters aus einem Zuständigkeitskatalog und/oder verschiedenen Einzelbestimmungen.
aa) Interne Geschäftsführung
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Der Bürgermeister arbeitet dem Rat zu, indem er dessen Beschlüsse und die der Ausschüsse mit Verwaltungsvorlagen vorbereitet und unter Kontrolle des Gemeinderates ausführt[445]. Zur Vorbereitung zählen u.a. die Initiative für eine Regelung, die Herstellung der Beschlussreife einer Angelegenheit, die Ermittlung des Sachverhalts und Prüfung der Rechtslage sowie koordinierende und abstimmende Gespräche mit den Fraktionen[446]. Dem Gemeinderat ist es ohne Zuarbeit des Bürgermeisters und seines Verwaltungsapparates in der Regel nicht möglich, die Angelegenheiten inhaltlich aufzuarbeiten. Das reale Gewicht dieser Arbeit des Bürgermeisters sollte nicht unterschätzt werden, weil mit ihr ein erhebliches Gestaltungs- und Steuerungspotential verbunden ist[447]. Der Einfluss des Bürgermeisters erhöht sich zusätzlich, wenn er zugleich Vorsitzender des Gemeinderates ist[448] (Rn. 118). Bei der Ausführung von Beschlüssen ist der Bürgermeister an den vom Gemeinderat vorgegeben Rahmen gebunden; im Übrigen steht ihm aber ein eigenes verwaltungsmäßiges und kommunalpolitisches Ermessen zu[449].
bb) Widerspruch und Beanstandung
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Der Bürgermeister hat nach allen Gemeindeordnungen das Recht und die Pflicht, Beschlüsse des Gemeinderates zu beanstanden bzw. zu widersprechen, wenn diese nach seiner Auffassung rechtswidrig sind[450]. Die Beanstandung bzw. der Widerspruch des Bürgermeisters hat in der Regel aufschiebende Wirkung und führt dazu, dass sich der Gemeinderat mit der Angelegenheit erneut befassen muss. Ist nach Ansicht des Bürgermeisters auch der neue Beschluss rechtswidrig, muss er ihm erneut entgegen treten und unverzüglich die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeiführen[451]. Das Beanstandungs- bzw. Widerspruchsrecht hat den Zweck, durch eine innergemeindliche Rechtskontrolle spätere kommunalaufsichtliche Maßnahmen zu vermeiden[452]. Darüber hinaus sehen einige Gemeindeordnungen ein Recht (keine Pflicht) des Bürgermeisters vor, Beschlüssen zu widersprechen, wenn diese nach seiner Ansicht das Wohl der Gemeinde gefährden[453]. Dieser Widerspruch führt zwar zu einer erneuten Befassung der Angelegenheit durch den Gemeinderat, jedoch nicht zu einer Einschaltung der Kommunalaufsichtsbehörde. Das ist darauf zurückzuführen, dass es um zweckwidrige und für die Gemeinde nachteilige Entscheidungen, nicht jedoch um eine rechtswidrige Willensentschließung geht. Hat der Gemeinderat nach Widerspruch des Bürgermeisters einen erneuten Beschluss gefasst, ist ein weiterer Widerspruch des Bürgermeisters daher unzulässig[454].
cc) Entscheidungszuständigkeiten
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Der Bürgermeister hat in nicht aufschiebbaren Angelegenheiten ein Eilentscheidungsrecht. Das bedeutet, dass er im Zuständigkeitsbereich des Gemeinderates an dessen Stelle entscheidet, sofern die Angelegenheit nicht bis zur nächsten Gemeinderatssitzung aufgeschoben werden kann[455]. In der näheren Ausgestaltung des Eilentscheidungsrechts weichen die Gemeindeordnungen voneinander ab: Der Gemeinderat ist aber im Allgemeinen über die getroffenen Eilentscheidungen zu unterrichten[456]; er kann diese aber nicht überall wieder aufheben[457].
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Der Bürgermeister ist ferner für die Geschäfte der laufenden Verwaltung zuständig[458], wobei es auf die konkrete Ausgestaltung des maßgeblichen Kommunalgesetzes ankommt, ob ihm diese Kompetenz unentziehbar vorbehalten ist oder ein Zugriffsrecht des Gemeinderats besteht[459]. Nach der Rechtsprechung, der das Schrifttum weitgehend folgt, sind Geschäfte der laufenden Verwaltung solche, „die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und zugleich nach Größe, Umfang, Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind“[460]. Einen fixen Geschäftskreis gibt es damit nicht; Parameter der Häufigkeit und Bedeutsamkeit sind vor allem Gemeindegröße, Üblichkeit und Leistungsfähigkeit[461].
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Schließlich bestehen Entscheidungszuständigkeiten des Bürgermeisters bei denjenigen Angelegenheiten, die der Gemeinderat auf den Bürgermeister übertragen hat, weil sie nicht zum eigenen unaufhebbaren Vorbehaltsbereich gehören[462]. Allerdings besteht hier ohne weiteres ein Rückholrecht der Gemeindevertretung. Etwas anderes gilt für die gesetzlich übertragenen Aufgaben, vor allem die Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung und die Auftragsangelegenheiten, bei denen der Gesetzgeber nicht nur die Gemeinde, sondern zugleich gemeindeintern ein bestimmtes Organ in die Pflicht genommen hat[463]. Hierdurch ist höherrangig ein unentziehbarer Kompetenztitel des Bürgermeisters geschaffen worden, in welchem der Gemeinderat keine Mitwirkungsrechte hat, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich solche Kompetenzen einräumt[464].
dd) Verwaltungsleitung
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Der Bürgermeister ist der Hauptverwaltungsbeamte, d.h. er leitet die Verwaltung der Gemeinde in eigener Zuständigkeit[465]. Er ist für die sachgemäße Erledigung der Aufgaben und den ordnungsmäßigen Gang der Verwaltung verantwortlich und regelt die innere Organisation der Gemeindeverwaltung[466]. Eine Untergliederung der Verwaltung in Ämter, Dezernate, Fachbereiche o.ä. begründet nicht deren organschaftliche Selbstständigkeit. Teilweise bestehen in den Ländern Mitentscheidungszuständigkeiten der Gemeindevertretung.[467]
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Der Bürgermeister ist ferner Fachvorgesetzter, Dienstvorgesetzter bzw. oberste Dienstbehörde der Gemeindebediensteten[468]. Beigeordnete (auch „weitere Bürgermeister“ oder „Stadträte“ genannt)[469] können in größeren Gemeinden und Städten bestellt werden, um den Bürgermeister bei der Verwaltungsleitung zu unterstützen und zu entlasten. Die Beigeordneten vertreten den Bürgermeister in ihrem Geschäftsbereich[470]. Aus ihrem Kreis kommt grundsätzlich auch der ständige allgemeine Stellvertreter des Bürgermeisters[471]. Je nach landesgesetzlicher Ausgestaltung erhalten Beigeordnete dann, wenn sie mit organschaftlichen Rechten ausgestattet werden, Status eines wehrfähigen Gemeindeorganteils[472].
ee) Externe Vertretung
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