Название: Besonderes Verwaltungsrecht
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Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811472341
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Im Rahmen der unmittelbaren Überprüfung kommt eine Verfassungsbeschwerde des einzelnen Bürgers nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in Betracht. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die unmittelbare Betroffenheit durch eine Satzung, die Rechtswegerschöpfung sowie die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Indes ist die Verfassungsbeschwerde dann zulässig, wenn die betreffende Satzung Pflichten konstituiert, die im Falle ihrer Verletzung mit einem Bußgeld sanktioniert werden und das jeweilige Landesrecht keine Normenkontrolle vorsieht[620]. In diesem Zusammenhang ist auch an die Möglichkeit des Rechtsschutzes vor den Landesverfassungsgerichten zu denken[621].
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Die prinzipale Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in allen Ländern gegen Satzungen (bzw. Rechtsverordnungen) zulässig, die nach dem Baugesetzbuch erlassen worden sind. In § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist ferner bestimmt, dass die Normenkontrolle im Übrigen nur gegen untergesetzliches Landesrecht zulässig ist, wenn dies im jeweiligen Landesrecht bestimmt ist[622]. Ist dies nicht der Fall, können Lücken im Rechtsschutz durch die allgemeine Feststellungsklage oder die allgemeine Leistungsklage bei Bestehen eines Anspruchs des Bürgers auf Erlass der begehrten Satzung vermieden werden[623].
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Die andere, alternative Möglichkeit, Rechtsschutz gegen eine Satzung zu erlangen, ist die inzidente Kontrolle bzw. Überprüfung vor allem im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage. Im Erfolgsfall ist damit allerdings keine allgemeinverbindliche Nichtigkeitserklärung der Satzung verbunden, sondern lediglich eine Nichtanwendung im anhängigen Verwaltungsstreitverfahren. Neben dem Primärrechtsschutz kommt eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Satzung ebenso im Rahmen eines sekundärrechtlichen Verwaltungsprozesses um einen Amtshaftungsanspruch gemäß Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB in Betracht.
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Zu beachten ist im Rahmen der Überprüfung gemeindlicher Satzungen, dass aus der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ein Satzungsermessen erwächst, das die Kontrolldichte einschränkt[624]. Ferner entspricht es nicht dem verwaltungsgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatz, auch solche Rechtsfehler zu überprüfen, die der Bürger gar nicht gerügt hat[625].
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Fraglich ist, inwieweit im Hinblick auf Satzungen eine Normprüfungs- und -verwerfungskompetenz der Verwaltung besteht. Die ganz überwiegende Meinung der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung spricht sich gegen eine Inzident-Verwerfungskompetenz der Verwaltungsbehörden aus[626]. Zwar besteht ein Verwerfungsmonopol zugunsten des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG nur im Hinblick auf Parlamentsgesetze, jedoch sind auch Satzungen Emanationen der Legislativfunktion, so dass die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Funktionentrennung sowie das Demokratieprinzip nahelegen, auch rechtswidrige Satzungen nicht durch schlichte administrative Nichtanwendung zu verwerfen[627].
2. Rechtsverordnungen
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Grundsätzlich denkbar ist der Erlass von Rechtsverordnungen bei der Erledigung aller Arten von kommunalen Aufgaben, jedoch findet der Rechtsverordnungserlass typischerweise im Bereich der Pflichtaufgaben nach Weisung statt[628]. Beispiele dafür sind Ausnahmegenehmigungen vom Ladenschluss, Entgeltfestsetzungen für Taxen, Baumschutzverordnungen, Polizeiverordnungen über ein Taubenfütterungsverbot oder auch Parkgebührenverordnungen[629]. Rechtsverordnungen sind, anders als Satzungen, nicht vom Gedanken der Dezentralisierung und Selbstverwaltung geprägt, sondern von der Dekonzentration der Verwaltung, so dass die Selbstverwaltungsgarantie nicht das Recht zum Verordnungserlass umfasst und die Gemeinden deshalb eine gesetzliche Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung brauchen[630]. Rechtsverordnungen unterliegen, anders als Satzungen, der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG und den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen. Unabhängig davon, ob die Verordnung einer prinzipalen oder inzidenten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugeführt wird, fehlt es regelmäßig an einer Selbstgestaltungsfreiheit des kommunalen Rechtssetzungsorgans, die eine Reduzierung der Kontrolldichte rechtfertigt.
II. Die Regelung konkreter Rechtsverhältnisse
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Als Verwaltungsträger und -behörde stehen der Kommune alle regelnden und schlicht-hoheitlichen Handlungsformen für die Gestaltung und Beeinflussung der Verhältnisse vor Ort zur Verfügung. Rechtsfolgen im Einzelfall kann die Gemeinde dabei mittels Verwaltungsakt und Verwaltungsvertrag setzen. Im Rahmen der Wahlfreiheit der Verwaltung kommen auch privatrechtliche Verträge zum Einsatz. Deren Anwendungsgebiet umfasst dabei nicht nur die Regelung einzelner Angelegenheiten, etwa konkrete Beschaffungs- und Leistungsgeschäfte, sondern auch den Betrieb kompletter Aufgabenbereiche wie der Abwasser- und Abfallbeseitigung, der Immobilienverwaltung oder der Energieversorgung durch einen privatrechtlichen Dritten. Abgesehen von Anforderungen des Vergaberechts hat der Landesgesetzgeber mancherorts spezielle Vorgaben für die Vertragsgestaltung gemacht.[631] Prinzipiell zu unterscheiden sind schuldrechtliche und gesellschaftsrechtliche Verträge. Exklusiv zuständig für die Abgabe rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen für die Gemeinde ist – ungeachtet der Handlungsform – der Bürgermeister, nicht die Gemeindevertretung.
III. Öffentliche Einrichtungen
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Öffentliche Einrichtungen stellen eines der wichtigsten Instrumente der gemeindlichen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung dar[632] und sind in jeder Gemeindeordnung[633] vorgesehen. Die Grenze der einrichtungsmäßigen „wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Betreuung ihrer Einwohner“[634] zieht das Gesetz durch die Bezugnahme auf die Leistungsfähigkeit der Gemeinde. Vorbehaltlich der Erfüllung von Pflichtaufgaben besteht hinsichtlich der Schaffung, inhaltlichen und/oder organisatorischen Veränderung, Erweiterung oder auch Abschaffung einer gemeindlichen Einrichtung ein weites kommunalpolitisches Ermessen[635]. Umgekehrt haben die Einwohner keinen kommunalrechtlichen Anspruch[636] auf Errichtung, Aufrechterhaltung oder Kapazitätserweiterung einer öffentlichen Einrichtung[637].
1. Tatbestandsmerkmale und Organisationsformen
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Der Begriff der öffentlichen Einrichtung im Sinne des Kommunalrechts ist weit zu verstehen und ergibt sich aus der instrumentellen Funktion der Einrichtungen für die kommunale Daseinsvorsorge[638]. Eine öffentliche Einrichtung ist eine Zusammenfassung personeller Kräfte und sachlicher Mittel in der Hand eines Verwaltungsträgers zur dauernden Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben[639]. Demzufolge sind öffentliche Einrichtungen nicht nur anstaltlich verfasste Einrichtungen wie Schulen, Schwimmbäder, Museen, Theater, Alten- und Kinderheime, Obdachlosenunterkünfte, Bibliotheken, Friedhöfe oder Krankenhäuser sowie Ver- und Entsorgungsbetriebe, sondern auch Kirmesplätze, Parkanlagen und Sportplätze oder kommunale Linklisten und Internet-Seiten.
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Einzig konstituierend ist der gemeindliche Widmungsakt, der die Sache der Nutzung durch die gemeindliche Bevölkerung öffnet und den Nutzungszweck sowie die Nutzungsgrenzen festlegt[640]. Die Widmung kann dabei ausdrücklich durch Ratsbeschluss, Satzung oder Allgemeinverfügung, aber auch konkludent erfolgen, wobei bei einer faktischen Nutzung der Einrichtung durch die Öffentlichkeit im Zweifel die Vermutung gilt, dass dann eine öffentliche Einrichtung gegeben ist[641]. Diese Vermutung kann die Gemeinde nur widerlegen, wenn sie den Beweis führt, dass es sich bei der Einrichtung ausschließlich um eine private Einrichtung handeln soll[642]. Da die Widmung СКАЧАТЬ