Название: Besonderes Verwaltungsrecht
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Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811472341
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Kommunalverfassungsrechtlich ist der innerkommunale Gesetzesvorbehalt zu berücksichtigen, welcher erfordert, dass grundrechtsrelevante Entscheidungen im Aufgabenfeld der örtlichen Angelegenheiten von der Gemeindevertretung in Satzungsform und nicht lediglich in Verwaltungsrichtlinien der Gemeindeverwaltung getroffen werden[589].
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Schließlich gilt im kommunalen Satzungsrecht der Gesetzesvorrang, so dass die Gemeinden als Träger mittelbarer Staatsgewalt nach Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sind und demnach kommunale Satzungen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen dürfen[590].
c) Satzungsgegenstand
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Die Befugnis zum Erlass kommunaler Satzungen ist gegenständlich grundsätzlich nur durch den verfassungsrechtlich begrenzten Aufgabenkreis beschränkt[591]. Jede Kommune besitzt im Rahmen der ihr verliehen Satzungsautonomie eine satzungsrechtliche Gestaltungsfreiheit, welche ihr gestattet, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nach den eigenen Zielvorstellungen zu ordnen und den jeweils gegebenen Lebensverhältnissen angepasste Regelungen zu schaffen[592]. Zu den typischen Satzungsgegenständen im eigenverantwortlichen (weisungsfreien) Wirkungsbereich gehören die innere Verfassung der Gemeinde, die gemeindliche Planung einschließlich der Haushaltssatzung und vor allem des Bauplanungsrechts sowie alle Vorgänge, die massenhaft vorkommen und eine normative Steuerung erfordern (Steuer-, Beitrags- und Gebührensatzungen)[593]. Jenseits des Planungsrechts können kommunale Satzungen Verbote mit Erlaubnis- oder Befreiungsvorbehalten statuieren und Gebote zum Zwecke des Klimaschutzes begründen[594]. Einen Anwendungsfall bilden diejenigen gesetzlichen Vorschriften, die die Gemeinden ermächtigen, die Nutzung erneuerbarer Energien durch örtliches Satzungsrecht zu fördern, um dadurch lokal mittels Reduktion der Treibhausgasemissionen einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten[595].
d) Satzungserlass
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Nach allgemein anerkannten Grundsätzen zur Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln – wenn hier auch funktional als abgeleitete Rechtssetzung – verlangt die Rechtmäßigkeit einer Satzung, dass eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass besteht und die Satzung formell und materiell mit höherrangigem Recht in Einklang steht[596].
aa) Formelle Rechtmäßigkeit
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Die formelle Rechtmäßigkeit umfasst folgende Voraussetzungen: Zuständigkeit, ordnungsgemäßer Satzungsbeschluss, Einhaltung der Form, Genehmigungs-, Anzeige- und Vorlagepflicht, Ausfertigung, öffentliche Bekanntmachung und Inkrafttreten[597].
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Die Organzuständigkeit für den Erlass von Satzungen liegt unentziehbar bei der Gemeindevertretung (Gemeinderat und Rat), welche auch nicht auf einen beschließenden Ausschuss übertragen werden darf[598]. Fraglich ist, ob auch der Bürgermeister eine Satzung durch Eilentscheidung erlassen kann. Fasst man indes den Wortlaut und den Zweck von Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ins Auge, wonach die wesentlichen Entscheidungen von der Volksvertretung zu fassen sind, so muss man feststellen, dass dies nur in absoluten Ausnahmefällen bei Gefahr im Verzuge angenommen werden kann[599]. Anderenfalls würde der Zweck von Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG leer laufen. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit muss es sich um eine Angelegenheit innerhalb des Gemeindegebiets handeln[600].
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Der ordnungsgemäße Satzungsbeschluss betrifft die Einberufung der Vertretung[601], Beschlussfähigkeit[602], Abstimmung und Beschlussfassung[603], ggf. einen Ausschluss wegen Befangenheit[604], die Beachtung besonderer Beteiligungs- und Einwendungsrechte, die Beachtung besonderer Begründungspflichten[605] sowie die Öffentlichkeit der Sitzung[606].
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Hinsichtlich der Form bedarf jede Satzung der Schriftform und ist vom Bürgermeister zu unterzeichnen[607]. Die Ausfertigung erfolgt in der Regel handschriftlich durch den Bürgermeister[608] und enthält Angaben zu Ort, Zeit und Dienststellung des Ausfertigenden[609].
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Zur Rechtswirksamkeit bedürfen Satzungen in jedem Fall der Publikation[610], um dem Bürger die Möglichkeit zu geben, vom Inhalt der Satzung Kenntnis zu nehmen[611]. Hinzukommen kann bei entsprechender gesetzlicher Anordnung ein Genehmigungserfordernis oder die Pflicht zur Vorlage des Satzungsbeschlusses bei der Kommunalaufsicht. Vorbehaltlich besonderer Regelungen dient beides lediglich der Rechtsaufsicht (Rn. 91 ff.).
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Satzungen treten am Tag nach der Bekanntmachung in Kraft, soweit kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist[612]. Bebauungspläne treten mit der Bekanntmachung in Kraft[613] und Haushaltssatzungen treten mit Beginn des Haushaltsjahres in Kraft[614]. Zu beachten ist, dass Satzungen auch rückwirkend in Kraft treten können, wobei jedoch der Vertrauensschutz des Bürgers zu beachten ist[615].
bb) Materielle Rechtmäßigkeit
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In materieller Hinsicht sind die Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage mit höherrangigem Recht, die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage, Verstöße der Satzungsbestimmungen gegen höherrangiges Recht und insbesondere Grundrechte und ein etwaiger Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zu prüfen[616]. Teilweise wird den Gemeinden bei der Gestaltung bzw. Ausfüllung des Tatbestands ein Prognose- bzw. Beurteilungsspielraum zugebilligt und auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen eingeräumt[617].
cc) Fehlerfolgen
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Bei materieller Rechtswidrigkeit der Satzung ist diese, anders als ein Verwaltungsakt, nichtig, vgl. § 47 Abs. 5 S. 2 f. VwGO. Für Verfahrensfehler haben die Landesgesetzgeber im Einzelnen recht unterschiedliche Vorschriften geschaffen, die eine andere als die Nichtigkeitsfolge vorsehen. Die Bandbreite der Regelungen reicht von der generellen Unbeachtlichkeit über die zeitlich befristete Rüge bis hin zur Heilbarkeit von Verfahrensfehlern[618]. Hierher rechnen insbesondere die für Satzungen nach dem BauGB geltenden §§ 214 f. BauGB. Für Verstöße gegen kommunalrechtliche Verfahrensvorschriften beim Erlass von Satzungen statuieren die Gemeindeordnungen fristgebundene Rügeobliegenheiten, deren Nichtgebrauch die benannten Verfahrens- und Formfehler unbeachtlich werden lassen[619].
e) Rechtsschutz
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Rechtsschutz gegen Satzungen kann auf zwei Wegen erreicht werden: Zum einen durch die unmittelbare Überprüfung СКАЧАТЬ